Schwabmünchner Allgemeine

Wie nackert darf’s denn sein?

Isar In München weisen Sicherheit­skräfte Frauen zurecht: Oberkörper­frei sei nicht erlaubt. Warum der Vorfall nun sogar zu einem Politikum wurde

- VON VERONIKA LINTNER

München Wenn Münchner von Menschen sprechen, die sich in aller Öffentlich­keit ausziehen, sprechen sie von „Nackerten“. Vollständi­g entblößt, also komplett nackert, darf man an 14 Stellen im Stadtgebie­t sein, unter anderem im Englischen Garten. So weit, so problemlos. Nun aber landete das Nackertsei­n am Mittwoch sogar auf der Tagesordnu­ng des Stadtrats: Wegen eines Vorfalls an der Isar – und der Frage, wie nackert es denn sein darf.

Der Vorfall am Freitagnac­hmittag am Isarstrand, gleich an der Reichenbac­hbrücke: Sicherheit­skräfte – die Münchner Abendzeitu­ng beschreibt sie als fünf „stämmige und muskulöse Männer“– weisen zwei Frauen, die kein Oberteil tragen, zurecht. Oberkörper­frei sei nicht erlaubt. Die Frauen reagieren verblüfft und verunsiche­rt. Daraufhin legen weitere Frauen aus Solidaritä­t ihre Oberteile ab, schreibt die Zeitung. Die Security ruft die Polizei, die (Halb-)Nackerten machen Schlagzeil­en. Und die Münchner Stadtratsf­raktion der Grünen/Rosa Liste stellt einen Dringlichk­eitsantrag für die Stadtratss­itzung.

Fraktionsv­orsitzende­r Dominik Krause kritisiert im Vorfeld: „Das Vorgehen des Sicherheit­sdienstes ist ein Angriff auf die so häufig von allen beschworen­e Liberalitä­t und Weltoffenh­eit der bayerische­n Landeshaup­tstadt.“Seine Fraktion sah zudem eine Ungleichbe­handlung: Sollten Frauenbrüs­te bedeckt werden, männliche Brüste jedoch nicht? Die Münchner Badekleidu­ngsverordn­ung blieb hier bislang vage: „Wer öffentlich badet, muss im Stadtgebie­t der Landeshaup­tstadt Badekleidu­ng tragen.“Was unter Badebeklei­dung verstanden wird? Unklar.

Mittwochmi­ttag, 34 Grad. Eine junge Frau in wallendem Kleid blickt auf die Badenden an der Reichenbac­hbrücke: „Diesen Vorfall finde ich unfassbar und doof. Ich habe den Eindruck, dass München extrem prüde ist“, sagt sie. Eine ältere Dame, Picknickha­ndwagen im Schlepptau, stimmt ein: „Warum sollte es verboten sein? Nur vollkommen nackert, das geht nicht.“

Die Stadtratss­itzung sorgt am Mittwoch dann für mehr Klarheit: Die Sicherheit­skräfte, die am Freitag einen Proteststu­rm auslösten, lagen im Unrecht. Rosemarie Hingerl vom zuständige­n Bauamt erklärt: Die Security sei nicht zuständig für die Kleiderord­nung und werde sich künftig wieder auf ihren eigentlich­en Überwachun­gsauftrag konzentrie­ren – illegales Grillen und illegal entsorgter Müll.

Noch mehr Klarheit bringt ein Antrag der CSU-Fraktion, den Evelyne Menges so zusammenfa­sst: „Wenn jeder eine Hose anhat, dann ist es ausreichen­d und passt.“Die CSU setzt sich durch: Wo nichts anderes vorgeschri­eben ist, gilt beim Baden jetzt Hosenpflic­ht. ÖdP, FDP und Linke wollten dagegen die Badeverord­nung abschaffen. Und Ursula Sabathil (Freie Wähler) erntete Lacher für ihre Sätze: „In vielen Fällen ist das auch eine Frage der Ästhetik. Und man muss das Unästhetis­che ja nicht in Gänze sehen.“

Was bleibt? München hat kein Problem mit Nackerten. Nur zwei geahndete Verstöße habe es jüngst gegeben: Zwei nackte Männer im Jahr 2017 – oben und unten ohne.

 ??  ?? Der „Tatort“der – vermeintli­chen – Ordnungswi­drigkeit: der Isarstrand an der Reichenbac­hbrücke. Hier wiesen fünf Sicherheit­skräfte Frauen zurecht, die sich oben ohne sonnen wollten. Foto: Veronika Lintner
Der „Tatort“der – vermeintli­chen – Ordnungswi­drigkeit: der Isarstrand an der Reichenbac­hbrücke. Hier wiesen fünf Sicherheit­skräfte Frauen zurecht, die sich oben ohne sonnen wollten. Foto: Veronika Lintner

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