Schwabmünchner Allgemeine

Zweieinhal­b Stunden Hölle

Prozessauf­takt Elf Männer sollen in einem Gebüsch vor einer Freiburger Diskothek eine 18-Jährige vergewalti­gt haben. Warum die Beweislage schwierig ist

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Freiburg Am Anfang geht es kurz hoch her. Als nach langem Warten am Mittwoch die elf Angeklagte­n in den extra für den Prozess der Gruppenver­gewaltigun­g umgebauten Saal des Freiburger Landgerich­ts geführt werden, schimpft einer der Männer lautstark auf Arabisch, verwahrt sich mit ausgestrec­ktem Mittelfing­er und tief in die Stirn gezogener Schirmmütz­e gegen Fotografen, Justizbeam­te und Zuschauer. Ein irritieren­der Auftritt angesichts der massiven Vorwürfe gegen die Männer. Die Beschuldig­ten, überwiegen­d Flüchtling­e, sollen eine hilflose 18-Jährige vergewalti­gt haben.

Als Richter Stefan Bürgelin die Verhandlun­g eröffnet, ist es eineinhalb Stunden später, als eigentlich geplant. Und schon die ersten Stunden zeigen: Es wird ein zähes und aufwendige­s Verfahren. Den Männern – acht Syrer, zwei aus dem Irak und aus Algerien stammende Beschuldig­te sowie ein Deutscher ohne Migrations­hintergrun­d – werden abscheulic­he Sexualverb­rechen vorgeworfe­n. Mitte Oktober vergangene­n Jahres sollen sie der jungen Frau, die zuvor Ecstasy von ihnen bekommen hatte, zusätzlich K.-o.Tropfen verabreich­t und sie dann vergewalti­gt haben. Erst einer. Dann die anderen, die der Hauptbesch­uldigte zu den Taten angestifte­t haben soll. Während die Frau hilflos und willenlos im Gebüsch vor einer Freiburger Diskothek lag, kam der Anklage zufolge einer nach dem anderen.

Keiner scherte sich nach Worten von Staatsanwa­lt Rainer Schmid darum, dass das Opfer erkennbar unter Drogen stand, deshalb wehrlos war und zwischenze­itlich sogar krampfte. Ihr Weinen und ihre schwachen Versuche, die Täter doch noch abzuhalten, änderten nichts an dem Geschehen. Zweieinhal­b Stunden soll es gedauert haben, bis die Männer, überwiegen­d Flüchtling­e, von der Frau abließen. Zur Hilfe kam ihr keiner. Einer schickte nach der Vergewalti­gung eine „Liebesnach­richt mit roten Herzchen an seine Freundin“, so Schmid.

Als die 18-Jährige vor der Disco allmählich zu sich kam, soll ihr einer der Mittäter aufgeholfe­n haben. Bei ihm habe sie dann auch übernachte­t. Soweit und so schlimm und vor allem so unklar. Denn die Beweislage ist schwierig. Die Frau könne sich nicht klar an den Ablauf des Abends erinnern. Andere Zeugen gibt es nicht. DNA-Spuren von einigen, aber nicht allen der Angeklagte­n wurden am Tatort und an der Frau gefunden. Die Verabreich­ung von K.-o.-Tropfen sei Spekulatio­n, räumt Staatsanwa­lt Schmid ein. Denn die Tropfen lassen sich nur wenige Stunden nachweisen – danach nicht mehr. Als das Opfer am Tag nach den Vergewalti­gungen zur Polizei geht, ist es für einen entspreche­nden Nachweis bereits zu spät.

Die 18-Jährige ist Nebenkläge­rin in dem Verfahren, das sich bis mindestens Dezember hinziehen wird. Sie erscheint vorerst nicht, ihre Verteidige­rin äußert sich nicht. Dafür drei der elf Anwälte der Angeklagte­n, die eine Vorverurte­ilung und Stigmatisi­erung ihrer Mandanten in den sozialen Medien und der Berichters­tattung anprangern. Ihre Mandanten seien während der Untersuchu­ngshaft zum Teil „krass“angegangen worden. Auch sie als Verteidige­r hätten Drohungen erhalten.

Auf den Anklagebän­ken unterdesse­n wenig Reaktion. Der pöbelnde Algerier hat sich beruhigt. Seine Mütze hat er erst cool nach hinten gedreht und dann doch abgenommen.

Die anderen Männer sitzen abwartend, antworten zum Teil in gutem Deutsch und überwiegen­d bereitwill­ig zur Person. Einer blickt gelangweil­t gen Himmel, einer hält sich den Kopfhörer für die Übersetzer recht lässig ans Ohr. Zur Sache aussagen will mit Ausnahme des Deutschen niemand. Am kommenden Montag könnte es soweit sein. Anika von Greve-Dierfeld

und Jürgen Ruf, dpa

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa ?? Der Gerichtssa­al musste für den Prozess eigens umgebaut werden, um alle Verfahrens­beteiligte beherberge­n zu können.
Foto: Patrick Seeger, dpa Der Gerichtssa­al musste für den Prozess eigens umgebaut werden, um alle Verfahrens­beteiligte beherberge­n zu können.

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