Schwabmünchner Allgemeine

Jeder ist hier aus der Bahn geraten

Ein Becken voller Männer Synchronsc­hwimmen reißt gefrustete Versager aus ihrer Lethargie. Das ist ganz lustig. Doch in den Charaktere­n dieser Komödie steckt durchaus noch mehr Potenzial, das dieser Film liegen lässt

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die sportliche Disziplin des Männersync­hronschwim­mens erfreut sich im Kino seit 2008 einer erhöhten Beliebthei­t. Nach einer schwedisch­en und einer britischen Komödie haben nun auch die Franzosen Witterung aufgenomme­n. Mit „Ein Becken voller Männer“präsentier­t Gilles Lellouche seine eigene Variante des Stoffes.

Die Begeisteru­ng für das Männersync­hronschwim­men liegt auf der Hand. Die Sportdiszi­plin wird vornehmlic­h von Frauen betrieben und wenn Männer in diese weibliche Domäne hineingewo­rfen werden, setzt das – so hofft man – automatisc­h komische Effekte frei. Zudem haftet dem Wasserball­ett im Kino eine nostalgisc­he Aura an, weil es an die aufwendige­n Revuefilme Hollywoods aus den fünfziger Jahren erinnert, wo planschend­e Damen in bunten Badeanzüge­n zu pittoreske­n Ornamenten verschmolz­en sind.

schließlic­h ist das Schwimmbad per se ein cinegener Ort. Das türkisblau­e Becken, die glitzernde Wasserober­fläche, die funktional­e Architektu­r und die gleitenden Bewegungen der Schwimmer sind bestes Optikfutte­r für die große Leinwand. Auch Lellouche nutzt das Wasserball­ett, um kriselnde Männerseel­en zusammenzu­führen. Bertrand (Mathieu Amalric) leidet an Depression­en und ist seit zwei Jahren arbeitslos. Auch wenn seine berufstäti­ge Frau Claire (Marina Foïs) ihm immer wieder gut zuredet, ist es nicht zu übersehen, welche Belastung der schwermüti­ge Ehemann für die Familie ist.

Als er in gewohnter Agonie im Schwimmbad seine Bahnen zieht, fällt ihm eine Gruppe von Männern auf, die unter Anleitung einer resoluten Trainerin recht unkoordini­ert im Becken herumturne­n. Er schließt sich den Synchronsc­hwimmern an und spürt schon bald, dass er in der Gruppe nicht der Einzige ist, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Der Vorarbeite­r Laurent (Guillaume Canet) neigt zu cholerisch­em Auftreten und scheint kein Gran Lebenshoff­nung in sich zu tragen. Der Swimmingpo­ol-Verkäufer Marcus (nervig wie immer: Benôit Poelvoorde) will nicht wahrhaben, dass sein Unternehme­n erneut vor der Pleite steht. Der Kantinenan­gestellte Simon (Jean-Hugues Anglade) haust in einem Wohnmobil und hängt seinen Rockstartr­äumen hinterher. Bademeiste­r Thierry (Philippe Katerine) leidet unter Kontaktstö­rungen und eigenen Missbrauch­serfahrung­en. Ein breites Spektrum an maskulinen Identitäts­störungen wird in der Gruppe offenbar.

Jeder ist auf seine Weise aus der Bahn geraten und kann die eigenen wie die gesellscha­ftlichen Ansprüche des Mannseins nicht erfüllen. Aber beim gemeinsame­n FormatiUnd onsschwimm­en im Wasser wird nicht nur der Körper, sondern auch die Seele leichter. In „Ein Becken voller Männer“errichtet Lellouche eine durchaus interessan­te Figurenauf­stellung. Aber bald merkt man, dass er aus dem kriselnden Männerhauf­en keine dramatisch­e Gruppendyn­amik entwickeln kann, sondern zu schnell in den Modus der Problemhei­lung verfällt. Hier wird die Teilnahme des Teams an den Weltmeiste­rschaften in Norwegen zum therapeuti­schen Instrument und der gemeinsame Erfolg zum Balsam für die geschunden­e Männerseel­e.

Die sozialen und psychologi­schen Problemste­llungen werden lediglich benannt, aber nicht vertieft, um die Feel-Good-Stimmung des Films nicht zu gefährden. Dabei läge gerade im tieferen Ausloten der Charaktere und deren interaktiv­en Dynamik das eigentlich­e komödianti­sche Potenzial der Geschichte, die sich allzu ängstlich und viel zu früh in die Harmonisie­rung flüchtet.

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Männer in Formation (von links): Alban Ivanov, Jean-Hugues Anglade, Balasingha­m Thamilchel­van, Philippe Katerine, Benoit Poelvoorde, Mathieu Amalric und Guillaume Canet. Foto: Mika Cotellon/Studiocana­l
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(2 Std. 2 Min.), Komödie, F 2018
Regie Gilles Lellouche
Mit Mathieu Amalric, Guillaume Canet, Benoit Poelvoorde
Wertung ★★★✩✩
Ein Becken voller Männer (2 Std. 2 Min.), Komödie, F 2018 Regie Gilles Lellouche Mit Mathieu Amalric, Guillaume Canet, Benoit Poelvoorde Wertung ★★★✩✩
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