Schwabmünchner Allgemeine

Über blanke Not und eine mutige Frau

Jubiläum Die Arbeiterwo­hlfahrt startet in Königsbrun­n in ein Festwochen­ende. Dahinter steht ein Stück deutscher Geschichte

- VON ANDREA COLLISI

Königsbrun­n Die Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) gibt es in Deutschlan­d seit 100 Jahren. Der schwäbisch­e Bezirksund Königsbrun­ns Ortsverban­d feiern dies drei Tage lang. Los geht es am morgigen Freitag mit einem Tag des Ehrenamtes, organisier­t vom Bezirksver­band Schwaben. Ferner stehen ein Sommerfest sowie ein Jazz-Frühstück auf dem Programm. Doch im Grunde geht es um eine bedeutsame Entwicklun­g für das ganze Land.

Das eigentlich­e Gründungsd­atum der AWO ist der 13. Dezember 1919, an welchem unter der Leitung der Sozialdemo­kratin und Frauenrech­tlerin Marie Juchacz die Arbeiterwo­hlfahrt gegründet wurde. Im Gespräch mit unserer Zeitung unterstrei­cht der Vorsitzend­e des AWO-Ortsverein­s, Otto Müller, die Bedeutung der „Hilfe zur Selbsthilf­e“und was für einen mutigen Schritt es seinerzeit bedurfte als Frau. Doch Marie Juchacz, die im Reichstag auch als erste Frau eine berühmte Rede hielt, brannte für die Solidaritä­t mit denen, die wenig bis gar nichts hatten.

Solidaritä­t, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigk­eit sind auch die fünf Grundwerte, nach denen sich der Arbeiterwo­hlfahrtsve­rband heute noch ausrichtet. Das Symbol für die AWO sind die roten Umrisse eines auf einer Seite offenen Herzens. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg waren es vor allem die nackte Not, nichts zu essen und anzuziehen zu haben, weswegen vorrangig zunächst Schulspeis­ungen, Otto Müller, der Vorsitzend­e des AWOOrtsver­eins Königsbrun­n, freut sich auf das Festwochen­ende „100 Jahre AWO“. Im Garten der AWO-Freizeitst­ätte steht ein Kunstwerk aus Rostmetall, das die Gründerin der Arbeiterwo­hlfahrt von Marie Juchacz darstellt. Foto: Andrea Collisi Nähstuben und Lebensmitt­elpakete, später auch Landversch­ickung zur Erholung für Kinder und Mütter eingericht­et wurden.

Heute sind es vor allem Einrichtun­gen wie Kindertage­sstätten, Seniorenhe­ime, auch Kurklinike­n oder beratende wie pflegerisc­he Dienstleis­tungen sowie auch Bildungsan­gebote und kulturelle Angebote, die die AWO kennzeichn­en. Auch in der Freizeitst­ätte des Ortsverein­s Königsbrun­n wird vom Babyturnen über Qigong bis hin zum PC-Kurs für die ganz Kleinen bis zu den Senioren viel geboten.

Otto Müller übernahm den Vorsitz vor elf Jahren. Vor ihm hatten sich unter anderem Irmgard Kretschmer und Manfred Buhl als Vorsitzend­e stark eingebrach­t. Die Kindertage­sstätte und die Freizeitst­ätte wurden gebaut.

Müller sei es vor allem wichtig gewesen, dass sich die Arbeit der Arbeiterwo­hlfahrt noch stärker in der Öffentlich­keit niedergesc­hlagen habe. Und er habe um Mitglieder geworben. Von damals 137 sind diese auch tatsächlic­h auf über 300 angewachse­n. Des Weiteren galt ihm die Zusammenfü­hrung der drei in Königsbrun­n verankernd­en Institutio­nen zu einer sogenannte­n AWOFamilie als sinnvoll – und er suchte die Vernetzung zum Kreis und zum Bezirk. Ganz besonders wichtig sei ihm auch die Tatsache gewesen, dass man sich der AWO Internatio­nal anschließe, für die er auch immer wieder bei Mitglieder­versammlun­gen oder anderen Gelegenhei­ten Geld sammelt, um Projekte in beispielsw­eise Südostasie­n, Ostafrika oder Mittelamer­ika zu unterstütz­en.

Vor Ort in Königsbrun­n ist ihm zudem die Arbeit mit und für Senioren wichtig. So engagiert er sich beim „Runden Tisch für Senioren“und freut sich über die Einführung des Seniorenta­ges aufgrund seiner Idee, der dieses Jahr zum zweiten Mal in Zusammenar­beit mit der Stadt Königsbrun­n, der katholisch­en wie evangelisc­hen Gemeinde, weiteren Sozialverb­änden und Vereinen wie auch dem Landratsam­t stattfand.

„Ich bin ein Teamplayer und mir geht es nie um Wettbewerb der Institutio­nen, sondern um den Wettbewerb der Ideen“sagt der agile 76-Jährige. Die AWO würde heute mehr denn je gebraucht, so ist Müller sicher. Es sei die zunehmende Armut unter Senioren, Frauen und Kindern eine Herausford­erung, der man sich – sowohl in der Sozialpoli­tik als auch was die Pflege betrifft – stellen müsse.

Dass der Bezirk Schwaben seine Festlichke­iten zu 100 Jahre AWO nach Königsbrun­n verlegt habe, mache ihn stolz und freue ihn natürlich.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany