Wenn man alleine nicht mehr zurechtkommt
Lesertelefon Viele Menschen sind im Alter auf Hilfe angewiesen. Das übernehmen dann Angehörige, Pflegedienste oder Heime. Am Anfang steht meistens ein Antrag bei der Pflegeversicherung. Experten erklären, was dabei zu beachten ist
Die Pflegeversicherung bietet umfangreiche Leistungen an, damit Pflegebedürftige so lange es geht zu Hause betreut werden können. Man muss jedoch wissen, was einem im Fall des Falles zusteht. Unsere Leser hatten die Gelegenheit, drei Experten zum Thema zu befragen. Zum Nachlesen sind hier einige Fragen und Antworten zusammengefasst.
Ich bin Witwe und komme ohne die Hilfe fremder Menschen überhaupt nicht mehr zurecht. Was kann ich machen?
Sie stellen einen Antrag auf Pflegeleistungen bei Ihrer Pflegekasse – in der Regel identisch mit der Krankenkasse. Diese beauftragt den Medizinischen Dienst der Kassen (MDK) beziehungsweise, wenn Sie privat versichert sind, Medicproof mit der Begutachtung in Ihrem häuslichen Umfeld. Wenn diese erfolgt ist, wird auf der Grundlage des Gutachtens ein entsprechender Pflegegrad zuerkannt oder nicht. Sie können dann wählen, ob Sie Pflegegeld, Sachleistungen oder eine Kombination aus beidem in Anspruch nehmen.
Zu unserem Vater kommt der Gutachter. Wie sollen wir uns darauf vorbereiten? Bisher haben wir uns selbst um ihn gekümmert.
Es wäre empfehlenswert, wenn Sie als bisherige Betreuer dabei wären. Neben dem eigenen Pflegetagebuch sollten auch alle anderen relevanten Unterlagen zur Hand sein. Dazu gehören insbesondere medizinische Dokumente zu Erkrankungen, ärztliche Verordnungen, Arztberichte und Bescheinigungen, Medikamentenund Therapiepläne, Entlassungsberichte, MRT- oder Röntgenbilder und alles, was sonst noch wichtig erscheint. Auch sollten Sie eine Übersicht der behandelnden Ärzte und der in letzter Zeit erfolgten Arzttermine und Behandlungen parat haben. Um den Pflegebedarf richtig abzubilden, sollten auch alle bereits zum Einsatz kommenden Hilfsmittel gezeigt werden – von der Schnabeltasse über Inkontinenzartikel bis zum Rollator.
Wir brauchen eine Pflegeberatung, um herauszufinden, ob unserem Vater Leistungen der Pflegeversicherung zustehen. Bekommt man die ohne Weiteres – auch zu Hause?
Ja, das ist möglich. Sie stellen bei Ihrer Pflegekasse einen Antrag. Die Pflegeberatung findet schnellstmöglich nach Anforderung statt – auf Wunsch in der Wohnung des Pflegebedürftigen. Zuständig ist die Pflegekasse Ihres Vaters, bei privat Versicherten die bundesweite CompassPflegeberatung. In der Region stehen zudem Pflegestützpunkte zur Verfügung. Die Beratung können Sie auch als Angehöriger erhalten, ohne dass Eltern dabei sein müssen.
Bislang pflege ich meine Schwiegermutter allein. Sie hat Pflegegrad 2 und erhält ausschließlich Pflegegeld. Jetzt ist sie bereit, einen ambulanten Dienst ins Haus zu lassen, der mir hilft. Was müssen wir tun? Sie informieren die Pflegekasse ihrer Mutter, dass Sie die sogenannte Kombi-Leistung nutzen möchten. Das heißt, Ihre Mutter erhält sowohl Pflegegeld als auch Sachleistungen. Wenn Sie beispielsweise Halbe-Halbe macht, bekommt sie 158 Euro Pflegegeld aufs Konto. Das ist die Hälfte des ihr im Pflegegrad 2 zustehenden Pflegegeldes. Bei Pflegegrad 3 bekäme sie 545 Euro Pflegegeld. Als Sachleistungen würden ihr 689 Euro monatlich zustehen. Hälftig könnten dann 344,50 Euro mit einem ambulanten Pflegedienst abgerechnet werden.
Seit fünf Jahren pflege ich meinen dementen Mann, der Pflegegrad 2 hat. Ich stoße an meine Grenzen und suche Entlastung. Was gibt es? Beispielsweise könnte die Tagespflege eine Möglichkeit sein, um Sie zu entlasten. Ihr Mann kommt dann einmal in andere Gesellschaft, kann diverse Freizeitangebote nutzen, und Sie haben Zeit für sich selbst. Wenn
dieses Angebot nutzen, wird das Pflegegeld Ihres Mannes nicht gekürzt.
Ich vereinbarte mit meinem Arbeitgeber, dass ich weniger arbeite, um mehr Zeit für die Pflege meiner Mutter zu haben. Gibt die Pflegekasse dann etwas für meine Rentenbeiträge dazu?
Ja, unter folgenden Voraussetzungen: Sie pflegen nicht erwerbsmäßig, aber mindestens zehn Stunden in der Woche an zwei Tagen, und Sie arbeiten nur 30 Stunden in der Woche. Dann kommt die Pflegekasse für Ihre soziale Absicherung auf. Stellen Sie einen entsprechenden Antrag bei der Pflegekasse Ihrer Mutter, damit die Rentenbeiträge bei Ihrem Rentenversicherungsträger eingezahlt werden können.
Ich bin 77, lebe allein und bin eigentlich noch fit. Wenn das mal anders sein sollte, würde ich ins Heim gehen wollen. Sollte ich mich jetzt schon irgendwo dafür anmelden?
Es ist löblich, dass Sie sich vorausschauend Gedanken machen. Aber Sie müssen sich jetzt nicht schon irgendwo anmelden. Wenn Sie nicht mehr ohne fremde Hilfe auskommen, gibt es noch etliche Möglichkeiten, sich den Alltag entsprechend zu organisieren. Es gibt beispielsweise auch Wohnformen wie Betreutes Wohnen oder, wenn ein Pflegegrad vorliegt, eine Pflege-WG.
Meinem Mann, der bisher Pflegegrad 2 hat, geht es nach einem Sturz
in der Wohnung viel schlechter. Was können wir tun, um mehr Hilfe zu bekommen?
Stellen Sie bei der Pflegekasse unbedingt einen Antrag auf Höherstufung. Wenn bei der erneuten Begutachtung der höhere Pflegegrad herauskommt, erhält Ihr Mann entsprechend dem erreichten Grad Pflegegeld oder Sachleistungen.
Ich bin privat versichert. Mein Antrag auf Höherstufung wurde abgelehnt. Das kann ich mir nicht erklären, denn ich benötige viel mehr Hilfe. Soll ich Widerspruch einlegen? Schauen Sie sich das Gutachten, auf dem der Ablehnungsbescheid beruht, am besten mit einem Pflegeberater gemeinsam an, um herauszufinden, woran es liegt. Dann haben Sie die Möglichkeit, bei Ihrem privaten Versicherer einen Einspruch zu stellen, in dem Sie Ihre Beweggründe darlegen. Danach kommt es zu einer erneuten Begutachtung durch einen anderen Gutachter.
Unsere Mutter braucht immer mehr Hilfe. Ob sie schon pflegebedürftig ist, wissen wir aber nicht.
Sie sollten auf alle Fälle einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der Pflegekasse der Mutter stellen. Bei der darauf folgenden Begutachtung in der häuslichen Umgebung wird beurteilt, in welchem Maße die Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Das wird in sechs Modulen berücksichtigt. Die Selbstversorgung spielt dabei die größte Rolle, aber es werden auch Mobilität, EinSie
schränkungen in der Alltagskompetenz, psychische Probleme, der Umgang mit Medikamenten und soziale Kontakte einbezogen.
Ich pflege meine Mutter seit drei Jahren. Mein Arzt riet mir, wieder zum Sport zu gehen, um mal herauszukommen. Meine Freundin würde einspringen, wenn ich nicht da bin. Wird das unterstützt?
Ja, es gibt die Leistung der Verhinderungspflege. 1612 Euro stehen dafür jährlich als Erstattungsbetrag zur Verfügung. Dieses Geld wird dann für die Finanzierung der ErsatzPflegekraft – Ihre Freundin – verrechnet. Sollte Ihre Mutter innerhalb eines Kalenderjahres zudem noch keine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen haben, kann sich der genannte Betrag um die Hälfte des Kurzzeitpflegegeldes, welches ebenfalls 1612 Euro beträgt, erhöhen. Sie könnten gegebenenfalls 2418 Euro abrechnen. Den Antrag stellen Sie bei der Pflegekasse.
Unsere Mutter mit Pflegegrad 2 hat sich einen Heimplatz angeschaut. Sie will nicht mehr allein zu Hause sein. Kann man zunächst die Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen? Falls noch nicht in Anspruch genommen, sollte Ihre Mutter die Kurzzeitpflege nutzen. Dann kann Sie sehen, ob Ihre Wahl richtig war. Anschließend ist es möglich, auch noch die Mittel der Verhinderungspflege zu nutzen. Vorausgesetzt diese wurden noch nicht verbraucht. Erst dann sollte sie einen regulären Ver
trag mit der Einrichtung zur vollstationären Pflege abschließen.
Nach einem Oberschenkelhalsbruch bin ich zu Hause auf Hilfe angewiesen, bin aber nicht pflegebedürftig. Wie kann das sein?
Zum einen ist tatsächlich erst pflegebedürftig, wer länger als sechs Monate erhebliche Hilfe benötigt. Insofern ist die Pflegekasse noch nicht in der Pflicht. Eventuell kann Ihnen eine Hilfe im Haushalt beziehungsweise häusliche Krankenpflege ärztlich verordnet werden. Das ist aber Sache der Krankenkasse. Die Verordnung wiederum kann nur der behandelnde Arzt ausstellen.
Meine stark gehbehinderte Tante kann ihre Badewanne nicht mehr nutzen. Wir wollen das Bad umbauen lassen. Gibt es dafür Geld von der Pflegekasse?
Den Zuschuss in Höhe bis zu 4000 Euro bekommt man, wenn einer der fünf Pflegegrade vorliegt. Sie stellen den Antrag bei der Pflegekasse Ihrer Tante. Fügen Sie einen Kostenvoranschlag bei und beginnen Sie erst mit dem Umbau, wenn der Bewilligungsbescheid da ist. In der Regel wird vorab geprüft, ob die Maßnahme tatsächlich die Pflege erleichtert.
Ich bin jetzt mit Pflegegrad 2 eingestuft worden und beihilfeberechtigt. Ich möchte Pflegegeld in Anspruch nehmen. Wer bezahlt das?
Beim Antrag auf Pflegeleistungen wird bereits abgefragt, ob jemand beihilfeberechtigt ist. Wenn ja, bezahlt die Pflegekasse die Hälfte der angebotenen Leistungen, wenn das Pensionsalter noch nicht erreicht ist. Andererseits sind das sogar 70 Prozent. Bei Pflegegrad 2 sind das die Hälfte der Ihnen zustehenden 316 Euro monatlich. Die andere Hälfte in Höhe von 158 Euro bezahlt Ihre zuständige Beihilfestelle. Sie legen dafür den Bewilligungsbescheid der Pflegekasse Ihrer Beihilfestelle vor.
Meine Schwester geht nach dem Klinikaufenthalt in die Kurzzeitpflege. Stimmt es, dass sie da selbst etwas bezahlen muss?
Das stimmt. Die sogenannten Hotelkosten – Unterbringung und Verpflegung – sind jedoch vom Bewohner selbst zu bezahlen. Der zusätzliche Entlastungsbetrag kann ebenfalls noch verwendet werden. (AZ)