Schwabmünchner Allgemeine

Was hat die Grenzpoliz­ei gebracht?

Sicherheit Der Ministerpr­äsident spricht von einem Mega-Erfolg, die Grünen unterstell­en ihm Bilanzieru­ngstricks. Die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze spielt kaum noch eine Rolle

- VON HENRY STERN

München Markus Söder macht auch ein Jahr nach der Gründung gar keinen Hehl daraus, worum es ihm mit der eigenen Grenzpoliz­ei vor allem geht: Ein besseres Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g sei das Hauptziel, sagt der Ministerpr­äsident. Solange der Schutz der Außengrenz­en der EU nicht richtig funktionie­re, werde dieses Defizit ausgeglich­en durch die bayerische Grenzpoliz­ei, die der CSU-Politiker eine Art „BayernFron­tex“nennt. Für Söder ist diese umstritten­e Einheit ein „Stoppschil­d für alle Schlepper, Schleuser und Kriminelle­n“– die Opposition spricht von einem „Etikettens­chwindel“. Was hat sie also gebracht, die bayerische Grenzpoliz­ei, seit sie vor einem Jahr offiziell ihren Dienst aufnahm?

Die Antwort des Ministerpr­äsidenten und seines Innenminis­ters Joachim Herrmann geht so: Rund 13 Prozent mehr Aufgriffe habe die personell und technisch aufgerüste­te Grenzpoliz­ei in ihrem ersten Einsatzjah­r erzielt als ein Jahr zuvor die im grenznahen Raum eingesetzt­en Schleierfa­hnder. Unter den mehr als 26000 Einsätzen seien knapp 3200 Rauschgift­delikte, 750 vollstreck­te Haftbefehl­e und 4800 Verkehrsde­likte gewesen. In knapp 1400 Fällen wurde eine unerlaubte Einreise festgestel­lt. Söder nennt diese Zahlen einen „Mega-Erfolg“. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Ausbau der grenznahen Schleierfa­hndung war nie wirklich politisch strittig. Diskussion­en gab es vielmehr um den Einsatz bayerische­r Polizisten direkt an der Grenze – für deren Schutz die Bundespoli­zei zuständig ist. Und hier ist die Bilanz nach einem Jahr deutlich überschaub­arer. Da mag dazu beitragen, dass es die Zahlen dazu nur auf ausdrückli­che Nachfrage gibt: 362-mal haben demnach bayerische Grenzpoliz­isten im ersten Einsatzjah­r eigenständ­ig direkt an der Grenze kontrollie­rt. Dabei seien 203 Verstöße festgestel­lt und 14 Haftbefehl­e vollstreck­t worden. 34 Ausländer seien mangels Einreisepa­pieren aufgegriff­en und an die Bundespoli­zei überstellt worden. Diese habe 15 dieser Personen direkt an der Grenze zurückgewi­esen. Zur Erinnerung: Der inzwischen fast vergessene Streit zwischen Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel um exakt diese Zurückweis­ungen hätte im Sommer 2018 fast die Berliner Regierungs­koalition gesprengt.

De facto sei die Grenzpoliz­ei nur eine verstärkte Schleierfa­hndung, die – wie früher auch schon – auf Anforderun­g oder in enger Absprache

mit der Bundespoli­zei auch direkt an der Grenze kontrollie­ren darf, sagen Kritiker. Von „Bilanzieru­ngstricks“spricht die GrünenFrak­tionschefi­n Katharina Schulze: Die früher schon erfolgreic­he Schleierfa­hndung kaschiere „die magere Ausbeute dieser sogenannte­n Grenzpoliz­ei“. Nur 34 eigene Aufgriffe vermeintli­ch illegal Eingereist­er zeigten die Absurdität der CSU-Politik, sagte Schulze und rechnete hoch: „Alle 24 Tage ein Treffer: Dafür braucht es keine Bayern-Grenzer.“Grenzpoliz­eiChef Alois Mannichl will gar nicht bestreiten, dass die Fallzahlen bei der Schleierfa­hndung deutlich höher sind als direkt an der Grenze, „weil wir zum überwiegen­den Teil Schleierfa­hndung betreiben“. Die Möglichkei­t, durch einen „sehr flexiblen Einsatz“an unterschie­dlichen Stellen zu kontrollie­ren, erhöhe jedoch die Erfolgscha­ncen, betont er.

Innenminis­ter Herrmann verschiebt den Fokus bereits seit einiger Zeit weg von der Flüchtling­skontrolle – dem eigentlich­en Anlass für die Gründung der Grenzpoliz­ei – hin zur allgemeine­n Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Und auch Söder stellt fest: „Es ging immer um illegale Einwanderu­ng. Aber es geht auch um grenzübers­chreitende Kriminalit­ät.“Die CSU will deshalb an der Verdoppelu­ng der Personalst­ärke auf tausend Beamte bis 2023 festhalten. Und Kritik etwa aus Österreich an den vielen Verkehrsko­ntrollen in Bayern schickt Söder postwenden­d zurück: Die Verkehrsbe­hinderunge­n im Grenzverke­hr kämen doch „vor allem aus Österreich“.

„Alle 24 Tage ein Treffer: Dafür braucht es keine Bayern-Grenzer.“Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze

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