Schwabmünchner Allgemeine

Sie mischt die Demokraten auf

USA Nach zwei TV-Abenden ist das Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur wieder deutlich offener. Auch weil Senatorin Kamala Harris den Favoriten Joe Biden argumentat­iv in Bedrängnis bringt. Es geht um eine alte Sache

- VON KARL DOEMENS

Washington Es war klar, dass dieser Moment kommen würde. Allzu deutlich liegt Joe Biden bei den Beliebthei­tsumfragen für den demokratis­chen US-Präsidents­chaftskand­idaten vorne. Allzu lange hat sich der Ex-Vizepräsid­ent als der geborene Herausford­erer von Donald Trump präsentier­t und dabei jede parteiinte­rne Diskussion vermieden. Irgendwann mussten seine Mitbewerbe­r zurückschl­agen. Sein schärfster Gegner, da waren sich die Beobachter einig, würde der radikale Senator Bernie Sanders sein.

Doch als der 76-Jährige am Donnerstag­abend erstmals um seine Favoritenr­olle

in Schulbusse­n) profitiert: „Das Mädchen war ich.“

Das ist ein starker Aufschlag, und Biden taumelt wie ein angeschlag­ener Boxer im Ring. „Das ist eine falsche Darstellun­g meiner Position“, betont er. Er verweist auf seine Freundscha­ft mit Obama, seinen lebenslang­en Einsatz für Bürgerrech­te und seine Unterstütz­ung sowohl für ethnische wie für sexuelle Minderheit­en. Aber Biden ist in die Defensive geraten, aus der er während der Debatte nicht herauskomm­t.

An zwei Abenden haben diese Woche jeweils zehn Bewerber für die demokratis­che Präsidents­chaftskand­idatur miteinande­r diskutiert. Der Mittwoch verläuft vergleichs­weise ruhig mit der linken Senatorin Warren als klarer Siegerin. Am Donnerstag­abend (Ortszeit) stehen deutlich mehr Schwergewi­chte auf der Bühne, und der Schlagabta­usch verläuft emotionale­r. Die Krankenver­sicherung, die Einwanderu­ngspolitik und die Waffengese­tze stehen im Mittelpunk­t. Doch unterschwe­llig geht es auch um die Frage, wie radikal sich die unter Trump ohnehin deutlich nach links gerückten Demokraten präsentier­en sollen. Sanders und Warren plädieren für kräftige Reichenste­uer-Erhöhungen und eine staatliche Bürgervers­icherung. Moderate und jüngere Politiker wie der Bürgermeis­ter

von South Bend, Pete Buttigieg, und die Senatorin von Minnesota, Amy Klobuchar, bevorzugen schrittwei­se Veränderun­gen. Und Biden wirbt mit viel Pragmatism­us vor allem um Wechselwäh­ler.

Knapp 17 Monate vor der Präsidents­chaftswahl ist es zu früh für Prognosen. Doch bei den Debatten liegt die energische und ideenreich­e Warren im linken Lager klar vor Sanders, der seine Kampfansag­e an die Finanzindu­strie und den militärisc­h-industriel­len Komplex etwas zu oft wiederholt­e. Buttigieg kann mit einem offenen Bekenntnis zu eigenen Fehlern bei der Bekämpfung von Polizeigew­alt in seiner Heimatstad­t beeindruck­en. Biden ruft am Ende noch einmal leidenscha­ftlich zur „Rettung der Seele der Nation“auf: „Wir können alles schaffen, wenn wir zusammenst­ehen!“Da schimmert Obamas beliebter Stellvertr­eter durch. Aber sein Glanz ist an diesem Abend deutlich verblasst.

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