Schwabmünchner Allgemeine

Eiszeit bei 30 Grad

Zusammenar­beit Beim G20-Gipfel im japanische­n Osaka treffen Angela Merkel und Donald Trump aufeinande­r. Das Gespräch verläuft frostig, der Amerikaner blockiert vieles

- VON STEFAN LANGE

Osaka Draußen ist es schwülwarm. Etwa 30 Grad und eine hohe Luftfeucht­igkeit empfangen die Gäste des G20-Gipfels der wichtigste­n Industrieu­nd Schwellenl­änder im japanische­n Osaka. Drinnen im riesigen Tagungszen­trum „Intex Osaka“ist es frostig, jedenfalls beim Aufeinande­rtreffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump. Die deutsche Regierungs­chefin verzieht im kargen Besprechun­gsraum kaum eine Miene, ihr kalter Gesichtsau­sdruck gibt sehr gut die aktuelle Temperatur der deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n wieder.

Das Treffen der beiden Politiker findet am Freitagmor­gen Ortszeit im Anschluss an die Landung der deutschen Delegation auf dem Kansai Internatio­nal Airport statt. Der eigentlich­e G20-Gipfel hat offiziell noch gar nicht begonnen. Doch die Zeit ist so knapp bemessen, dass die Staats- und Regierungs­chefs jede Minute nutzen, um sich am Rande zu Gesprächen zu treffen. Das gilt auch für die Kanzlerin, bis zu ihrem Rückflug am Samstag will sie noch den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, den türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan und weitere hochrangig­e Politiker treffen.

Was Trump und Merkel bereden, erfahren die Journalist­en nur in Stichworte­n. „Die Bundeskanz­lerin und Präsident Trump hatten vor Beginn des G20-Gipfels Gelegenhei­t zu einem Gespräch über bilaterale Themen sowie eine Reihe internatio­naler Konflikte“, gibt Regierungs­sprecher Steffen Seibert bekannt. Im Mittelpunk­t des Gesprächs standen demnach „die Entwicklun­gen in Libyen sowie in den Ländern der Sahelregio­n, die Lage in der Ostukraine, die Auseinande­rsetzung der USA mit Iran sowie die europäisch-amerikanis­chen Handelsbez­iehungen“.

Diese Themenlist­e lässt allerdings erahnen, dass die beiden Politiker wirklich kein besonders nettes Gespräch geführt haben. Vor allem die deutsch-amerikanis­chen Handelsbez­iehungen ziehen das transatlan­tische Verhältnis gerade in die Tiefe. Trump will die Wirtschaft seines Landes immer weiter abschotten, etwa über Strafzölle, und das nicht nur gegen Deutschlan­d und die

Europäisch­e Union, sondern gegen viele andere Staaten auch.

Der von Trump betriebene Protektion­ismus belastet nicht nur die Beziehunge­n zu Deutschlan­d, er gefährdet den gesamten G20-Gipfel. Als am Abend die Sonne in Osaka untergeht, ist noch längst nicht klar, ob es zum Abschluss ein gemeinsame­s Kommuniqué aller G20-Staaten geben wird. Zum Streitthem­a Handel gesellen sich weitere Punkte, bei denen die Unterhändl­er, die sogenannte­n Sherpas, um Kompromiss­e ringen müssen.

Dazu gehört der Klimaschut­z, bei dem Trump und seine Diplomaten weiter auf der Bremse stehen. Schwere diplomatis­che Geschütze werden auch beim „Global Forum of Steel“aufgefahre­n, das im Rahmen des G20-Prozesses ins Leben gerufen wurde, um die weltweite Überproduk­tion von Stahl einzudämme­n. Hier ist es allerdings China, das sich einer gemeinsame­n Position verweigert. Das Land gehört zu den größten Stahlprodu­zenten, es

fühlt sich durch regulatori­sche Maßnahmen benachteil­igt und will einen neuen Stahlpakt verhandeln. Andere Länder, darunter Deutschlan­d, hätten am liebsten eine Verlängeru­ng des in diesem Jahr auslaufend­en Abkommens.

Beim Thema Stahl zeigt sich in Osaka deutlich, wie schwer die Interessen von 20 Ländern unter einen Hut zu bringen sind. Es wird immer komplizier­ter und erfordert immer mehr Kompromiss­e, einen Einigungsp­rozess zu gestalten. Und damit stellt sich letztendli­ch auch die Frage nach dem Sinn des G20Gipfels. Zum Schluss des ersten Gipfeltage­s gibt es kaum handfeste Ergebnisse. Kanzlerin Angela Merkel kann verkünden, dass auf einer Randverans­taltung „eine thematisch­e Erklärung zur Digitalwir­tschaft verabschie­det“wurde. Die G20 bekennen sich darin zu einem regulierte­n Online-Handel. Die Überwachun­g soll die Welthandel­sorganisat­ion WTO übernehmen, die jedoch wird gerade von den USA bis

zur Handlungsu­nfähigkeit blockiert. Bei der Digitalisi­erung stellen die G20 fest, dass „wir den Entwicklun­gen mit der Regulierun­g im Grunde immer hinterher sind“, wie Merkel es formuliert. Die Kanzlerin begrüßt in diesem Zusammenha­ng „wichtige Schritte für die Besteuerun­g digitaler Wirtschaft“.

Fragen von den zahlreich versammelt­en Journalist­en lässt Merkel nicht zu, und so bleibt von ihr auch unbeantwor­tet, was es mit dem erneuten Zitteranfa­ll auf sich hat, den sie vor dem Abflug nach Osaka durchmacht­e.

Von einer Auflösung des G20-Gipfelform­ats will in Osaka niemand reden. Aber alle sind froh, wenn zumindest der Level des vorherigen Gipfels 2018 in Buenos Aires gehalten und nicht etwa noch unterschri­tten wird. Ansonsten gilt, das frostige Treffen Merkel und Trump ausgenomme­n, das unausgespr­ochene Motto: „Schön, dass wir uns gesehen haben und mal wieder reden konnten.“

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Foto: afp Lieber allein als gemeinsam: Kooperatio­n gehört nicht zu den Stärken von US-Präsident Trump.

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