„Die Zahl der Krankenhäuser wird sinken“
Gesundheit Patienten müssen sich auf Veränderungen einstellen, sagt der Chef der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Nicht jede Klinik in der Nähe werde jede Leistung bieten. Warum er von gesetzlichen Vorgaben für die Pflege wenig hält
Wir haben zu viele Krankenhäuser. Das erklärte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kürzlich gegenüber unserer Redaktion. Herr Hasenbein, Sie sind Chef der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Sehen Sie das auch so: Gibt es in Bayern zu viele Krankenhäuser?
Siegfried Hasenbein: Unter dem Strich haben wir zu viele Krankenhäuser auch in Bayern. Allerdings darf man dies nicht verallgemeinern: Wir müssen uns schon die Mühe machen und analysieren, in welchen Regionen und Bereichen wir zu viele Kapazitäten haben
Gilt das auch für Schwaben? Hasenbein: Ja, zum Teil auch in Schwaben – um konkrete Beispiele zu diskutieren muss man aber erst ganz genau hinsehen, wo sich tatsächlich Parallelstrukturen aufgebaut haben, wo es also ähnliche Angebote innerhalb eines bestimmten Radius gibt und wo Häuser gegebenenfalls nicht ausgelastet sind.
Wo beobachten Sie dies denn? Hasenbein: Tendenziell ist dies eher in Ballungsräumen zu beobachten.
In München also zum Beispiel. Hasenbein: Ja, zum Beispiel in München. Dort hat aber die Stadt München bereits eine Strukturreform mit einem deutlichen Bettenabbau in den kommenden Jahren beschlossen. Aber es gibt auch problematische Regionen außerhalb der Ballungsräume. Ich drücke mich so vorsichtig aus, weil die Krankenhausversorgung ein hoch emotionales Thema ist. Ein Thema, mit dem man sehr gewissenhaft und verantwortungsvoll umgehen muss, da sich die Menschen sehr schnell Sorgen machen. Bevor man eine öffentliche Debatte lostritt, sind eine Analyse der Ist-Situation und ein sorgfältig erarbeitetes Konzept für die Versorgung in der Zukunft wichtig.
Und so ein Konzept, welches Krankenhaus in Bayern überlebt, wird gerade erarbeitet?
Hasenbein: So haben wir die Bayerische Staatsregierung verstanden, die im Koalitionsvertrag ankündigte, dass man die kleineren Krankenhäuser finanziell fördern will, sofern sie ein Konzept vorlegen, wie sie sich zukunftsfähig aufstellen wollen.
Wie viele Krankenhäuser gibt es aktuell in Bayern?
Hasenbein: 360.
Wird es langfristig weniger Krankenhäuser im Freistaat geben?
Hasenbein: Ja, die Zahl der Krankenhäuser wird sinken. Weil der Trend zur Spezialisierung und auch zur Zentralisierung weitergehen wird. Aber es wird kein großes Krankenhaussterben geben.
Herr Lauterbach erklärte auch, dass es große Qualitätsunterschiede zwischen den Krankenhäusern gibt. Hasenbein: Insgesamt haben wir in Bayern aktuell eine sehr hohe Qualität. Aber die Anforderungen an die Qualität nehmen stetig zu – also Anforderungen an die Medizintechnik, ans Personal, an die Räumlichkeiten. Und diese steigenden Anforderungen, die ja auch vom Patienten ausgehen, kann ich leichter in einem großen Haus erfüllen.
Sind also vor allem kleinere Krankenhäuser auf dem Land in Gefahr? Hasenbein: Ja, vor allem die kleineren Häuser mit vergleichsweise geringen Patientenzahlen tun sich
schwer, die aufwendige Infrastruktur vorzuhalten. Deshalb wünsche ich mir gerade für die Krankenhäuser in ländlichen Regionen eine stärkere Verzahnung mit der ambulanten Versorgung. Solche Krankenhäuser können künftig als regionale Gesundheitszentren auch Standorte der fachärztlichen ambulanten Versorgung werden.
Weil Hausärzte fehlen.
Hasenbein: Es fehlen gerade auf dem Land Haus-, aber auch Fachärzte. Vor diesem Hintergrund finde ich es wichtig, dass Krankenhäuser sich stärker öffnen und eben auch ambulante Behandlungen ermöglichen. Oder sie könnten beispielsweise auch mehr Kurzzeitpflegeplätze anbieten – die fehlen ja auch.
Worauf müssen sich Patienten bei der Krankenhausversorgung einstellen? Hasenbein: Patienten müssen sich darauf einstellen, dass nicht mehr
jedes Krankenhaus in ihrer Nähe jede Leistung bietet. Je komplexer und schwieriger die Behandlung ist, desto häufiger müssen künftig weitere Wege zurückgelegt werden. Aber das muss keine Verschlechterung der Versorgung bedeuten. Denn durch die Spezialisierung kann der Patient davon ausgehen, dass er die für seinen Eingriff nötige Kompetenz und technische sowie räumliche Ausstattung vorfindet.
Was wird sich noch ändern? Hasenbein: Wenn wir es ernst meinen, dass wir beste Qualität sicherstellen, mehr Pflegekräfte beschäftigen und auch noch die Digitalisierung vorantreiben, muss klar sein, dass dafür deutlich höhere Kosten entstehen. Sollte sich die wirtschaftliche Konjunktur eintrüben und sich dadurch auch die Einnahmen für die Krankenkassen verringern, könnten höhere Kassenbeiträge auf die Versicherten zukommen. Das Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“hat über 100000 Unterschriften erhalten. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nun, ob es rechtmäßig ist. Unterschreiben Sie die Forderungen? Hasenbein: Das Ziel: „Stoppt den Pflegenotstand“können wir unterschreiben – wer nicht? Aber den Weg zu diesem Ziel sehen wir ganz anders.
Eine Kernforderung ist ein höherer Pflegepersonalschlüssel. Das können Sie nicht unterschreiben? Hasenbein: Was wir fordern, ist ein Bemessungsinstrument, das den individuellen Personalbedarf einer jeder einzelnen Klinik ermittelt.
Aber genau das fordern auch die Initiatoren des Volksbegehrens ... Hasenbein: Hier sind wir uns mit den Initiatoren im Ansatz einig. Uns ist aber wichtig, dass der Personalbedarf auf der Grundlage der individuellen Verhältnisse für das gesamte Krankenhaus und dort die Pflegekräfte dann nach aktuellem Bedarf eingesetzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, welches Patientengut versorgt wird und wie die bauliche Situation der jeweiligen Abteilung ist. Und wir wehren uns dagegen, dass die jetzt bereits von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn festgelegten Untergrenzen, wie angekündigt, auf alle Stationen ausgeweitet werden.
Da jetzt schon Kliniken Patienten abweisen, da Pflegepersonal fehlt, oder? Hasenbein: Das kommt nicht überraschend. Wir haben davor gewarnt. Denn diese jetzt festgelegten Personaluntergrenzen, die auch noch zu Sanktionen führen, wenn sie nicht eingehalten werden, sind zu starr, willkürlich und teilweise hoch.
Zu hoch?
Hasenbein: Ja, denn sie sind in einzelnen Bereichen sehr nahe den Vorgaben der Fachgesellschaften für eine Idealbesetzung. Und hier muss man unterscheiden: Wenn man gesetzliche Untergrenzen festlegt, dann sind damit sogenannte rote Linien gemeint. Grenzen, die, wenn sie unterschritten werden, eine Gefährdung des Patienten bedeuten und keine Idealbesetzungen.
Interview: Daniela Hungbaur