Schwabmünchner Allgemeine

Liebevolle Mütter und Väter gesucht

Erziehung Wenn sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmern können, sind Pflegefami­lien wichtig. Der Verein „Pfad“hilft ihnen seit Jahren. Wie die Kartei der Not dieses Engagement unterstütz­t

- VON DANIELA HUNGBAUR

Aichach Bauchmama nennt er seine leibliche Mutter. Eine Frau, die er nur einmal im Jahr sieht. Seinen Vater trifft er öfter, doch auch bei ihm lebt der 13-Jährige nicht. Seine Eltern im Alltag sind Jasmin Lauscher und ihr Mann. Zu Jasmin Lauscher sagt er Mama. Bei ihr lebt er, seit er sechs Monate alt ist. Seine elfjährige Schwester kam mit sieben Monaten zu ihr. Lauscher ist die Pflegemutt­er der beiden, die noch mehr Geschwiste­r haben, die aber in anderen Pflegefami­lien leben. Wer die drei erlebt, würde nicht darauf kommen, dass Lauscher nicht die leibliche Mutter ist, so innig ist das Verhältnis. „Es sind meine Kinder“, sagt denn auch die 46-Jährige. „Dass es nicht meine leiblichen sind, macht für mich keinen Unterschie­d.“

Alwine Höckmair strahlt, wenn sie das hört. Sie kennt dieses Gefühl. Die 60-Jährige sitzt auf ihrer bequemen Sofagruppe in ihrem Haus in Affing im Landkreis Aichach. Neben ihr hat ein stilles, freundlich­es Mädchen Platz genommen. Es ist Höckmairs 13-jährige Pflegetoch­ter. Auch Jasmin Lauscher und ihre beiden Kinder machen es sich gemütlich. Sie treffen sich regelmäßig hier, unternehme­n viel gemeinsam. Sehr oft auch mit noch anderen Pflegefami­lien, denn sowohl Höckmair als auch Lauscher sind im Verein „Pfad für Kinder“aktiv. Vor 40 Jahren wurde er gegründet. Es ist ein Zusammensc­hluss von Pflegeund Adoptivfam­ilien in Augsburg und Umgebung, die sich gegenseiti­g helfen. Das Angebot reicht von persönlich­en Beratungen über Möglichkei­ten zum Austausch in Gruppen bis hin zu Seminaren und Ausflügen. Die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, unterstütz­t die Arbeit von „Pfad für Kinder“. Arnd Hansen, Geschäftsf­ührer der Kartei der Not, sagt, warum: „Ein Pflege- oder Adoptivkin­d aufzunehme­n, ist ein mutiger Schritt, bei dem sowohl die neuen Eltern als auch die Kinder nicht genug Hilfe bekommen können. Deshalb fördern wir seit Jahren die Angebote von ,Pfad‘, damit Kinder und Pflegeelte­rn sich dabei näherkomme­n und eine gute Zeit miteinande­r verbringen können.“

19 Pflegekind­er hatte Alwine Höckmair bereits. Einige nur für kurze Zeit. Denn nicht immer bleiben Pflegekind­er ihre ganze Kindheit und Jugend über. Manchmal ändern sich ihre familiären Verhältnis­se: Die leiblichen Eltern können und wollen sich wieder selbst um sie kümmern. „Das weiß man aber“, Alwine Höckmair (links) und Jasmin Lauscher (rechts) mit ihren Pflegekind­ern. Beide Frauen sind im Vorstand des Vereins „Pfad für Kinder“in Augsburg und Umgebung, der Pflege- und Adoptivfam­ilien unterstütz­t und berät. Foto: Ulrich Wagner

sagt Höckmair. „Darauf können sich Pflegeelte­rn einstellen.“Nicht gefasst sind viele dagegen auf die Probleme, erzählt Höckmair. Daher ist ihres Erachtens der Verein „Pfad für Kinder“so wichtig: „Wir haben ein offenes Ohr für alles“, betont Höckmair, Vorsitzend­e des Vereins für Augsburg und Umgebung, die auch bayernweit im Vorstand ist.

„Viele Pflegeelte­rn glauben, dass alles gut wird, sobald das Kind in ein liebevolle­s Umfeld kommt“, sagt Höckmair, hält kurz inne und ergänzt: „Das ist aber oft nicht der Möchten auch Sie Menschen aus der Region unterstütz­en? Das sind die Spendenkon­ten der Kartei der Not:

● Kreisspark­asse Augsburg

IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70

BIC: BYLADEM1AU­G

● Stadtspark­asse Augsburg

IBAN: DE97 7205 0000 0000 0020 30

BIC: AUGSDE77XX­X

● Sparkasse Allgäu

IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40

BIC: BYLADEM1AL­GP

● Sparda-Bank Augsburg

IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Fall. Pflegekind­er kommen mit einem schweren Rucksack voller Steine. Das muss einem klar sein.“Schließlic­h seien viele der Kinder traumatisi­ert. Nicht selten erfuhren sie vom Babyalter an Gewalt, auch sexueller Missbrauch komme immer wieder vor. Ihre leiblichen Eltern sind oft alleinerzi­ehend, haben Drogenoder Alkoholpro­bleme – manchmal beides. Andere wiederum sind straffälli­g geworden, mussten ins Gefängnis. Häufig machten auch schwere psychische Erkrankung­en es den Eltern unmöglich, sich um ihre Kinder angemessen zu kümmern. Für die Kinder werden dann Pflegeelte­rn gesucht. „Doch es gibt viel zu wenige“, sagt Höckmair, die wie alle Pflegeelte­rn einen Unterhalt vom Jugendamt erhält.

Höckmair hat es nie bereut, sich für Kinder aus schwierige­ren Elternhäus­ern einzusetze­n. „Die Kinder können doch nichts dafür“, sagt sie, während ihre Pflegetoch­ter sie anlächelt. „Die Kinder haben doch ein Recht auf ein normales Leben.“Das Mädchen lebt seit Jahren mit ihrem 17-jährigen Bruder bei den Höckmairs. Die leibliche Mutter ist schwer krank. Ihren leiblichen Vater würde sie gerne kennenlern­en, erzählt sie. Doch er sei unbekannt.

Höckmair versteht den Wunsch ihrer Tochter. Überhaupt ist sie eine sehr pragmatisc­he, realistisc­he Frau. Selbst aufgewachs­en in einer

Großfamili­e mit neun Geschwiste­rn und einer Mutter, die Pflegekind­er annahm, war es für sie immer selbstvers­tändlich, wie sie erzählt, Kindern zu helfen, die einfach das Pech haben, in keiner fürsorglic­hen Familie aufwachsen zu dürfen. Höckmair kennt aber auch ihre Grenzen: „Mein Mann und ich können den Kindern Liebe geben und eine Heimat – aber ich bin keine Psychologi­n.“Die meisten Pflegekind­er brauchen ihrer Ansicht nach aber eine psychologi­sche Begleitung. Und Höckmair hat stets noch eine andere Grenze gezogen: „Für mich war immer klar: Meine Familie darf nicht zugrunde gehen.“Höckmair hat schließlic­h auch eine mittlerwei­le erwachsene leibliche Tochter und zwei Enkelkinde­r.

Eine Familie wünschte sich Jasmin Lauscher immer. Mit ihrem ersten Mann bekam sie keine Kinder. Mit ihren Pflegekind­ern ging für die gelernte Kinderpfle­gerin ein Traum in Erfüllung. Doch es sind vor allem die Kinder, die in Pflegefami­lien aufleben. Der 17-jährige Pflegesohn von Alwine Höckmair sagt: „Das Beste, was mir passieren konnte, waren meine Pflegeelte­rn.“

OKontakt Wer sich für die Arbeit von „Pfad“interessie­rt, erreicht Alwine Höckmair unter Telefon 0 82 07/96 22 33; E-Mail: info@pfad-augsburg.de; Homepage: www.pfad-augsburg.de

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