Wie Ulm beinahe ein Bauhaus bekam
Design Die Hochschule für Gestaltung wollte zunächst den Namen vom Vorbild übernehmen – und ging dann andere Wege
Ulm Hätte Max Bill sich mit seiner Idee durchgesetzt, das Ulmer Stadtmarketing wäre ihm auf ewig zu Dank verpflichtet. Der Schweizer Architekt, Künstler und Gestalter wollte in der Stadt nicht nur eine Gestaltungshochschule errichten – sondern ein neues Bauhaus. So jedenfalls schlug es Bill der HfG-Mitbegründerin Inge Aicher-Scholl in einem Brief vor, der bis heute erhalten ist. Er zeigt: Es führt ein direkter Weg von Dessau und Weimar zur HfG. Und deswegen wird dieses Jahr nicht nur dort an die BauhausGründung vor 100 Jahren erinnert, sondern auch in Ulm. Das HfG-Archiv zeigt mit seiner Ausstellung „Bauhaus Ulm: Von Peterhans bis Maldonado“, wie stark die von 1953 bis 1968 bestehende HfG dem großen Vorbild zunächst nacheiferte – und sich dann von ihm entfernte.
Auch wenn es mit der BauhausBenennung nicht klappte (die anderen HfG-Gründer Inge AicherScholl und Otl Aicher hatten andere Pläne), so übernahm Ulm zumindest die Bezeichnung „Hochschule für Gestaltung“vom Staatlichen Bauhaus in Dessau, mit Zustimmung von Walter Gropius. Mehr Wirkung in der Praxis hatte eine andere Entscheidung: Auch in Ulm mussten alle Studenten in einen gemeinsamen Vorkurs. Dieser GrundlehreUnterricht, der mit der Gründung der HfG 1953 eingeführt wurde, sollte die Grundlagen des Gestaltens vermitteln. Und genau in diesem ist der Einfluss des Bauhauses am stärksten zu spüren. Auch, weil mit Walter Peterhans, Helene NonnéSchmidt, Josef Albers und Johannes Itten gleich vier Bauhäusler Grundlehre-Kurse gaben.
Rektor Bill hatte sie in den 50ern nach Ulm gelockt, aber alle vier fungierten lediglich als Gastdozenten. Josef Albers (rechts) war einer der früheren Bauhäusler, die in Ulm lehrten. Links im Bild HfG-Mitgründer Otl Aicher. Foto: Eva Maria Koch/HfG-Archiv Aus verschiedenen Gründen, wie Martin Mäntele, Leiter des HfGArchivs, erklärt: Albers, der schon 1933 vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen war, habe seine US-Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollen. Für Nonné-Schmidt, die zu diesem Zeitpunkt in ärmlichen Verhältnissen lebte und von Bill auch finanziell unterstützt wurde, war der Job allerdings mehr als eine Ehre. Überliefert ist auch, dass sich die Bauhäusler untereinander nicht grün waren. So kündigte Albers in einem Brief an, nicht wieder zu kommen, wenn Itten noch einmal eingeladen würde. Die Ulmer hatten sich alte Fehden ins Haus geholt.
Bei den Grundlehre-Kursen überwog bei den Bauhäuslern aber das Gemeinsame, wie die Ausstellung anhand von Studenten-Arbeiten zeigt. So sind unter Glas unter anderem Farbübungen aus den Stunden von Nonné-Schmidt und Itten zu sehen, dazu eine Faltübung, wie sie Albers seine Schützlinge machen ließ. Peterhans hatte einen besonders prominenten Schüler: Otl Aicher. Der Gestalter belegte das „Visual Training“, um den Kurs später selbst geben zu können. Aicher, der unter anderem durch seine Gestaltung für die Olympischen Spiele 1972 einer der wichtigsten Designer seiner Generation wurde, habe vom Unterricht bei Peterhans „unbedingt profitiert“, sagt Mäntele. Aicher habe durch die verlorenen Kriegsjahre in Sachen Theorie einiges nachzuholen gehabt.
Bill gab 1956 die Leitung der HfG ab, 1957 verließ er Ulm ganz. Auch die von ihm verpflichteten Dozenten blieben nicht lang. An der HfG gaben dann andere den Ton an, vor allem der Argentinier Tomás Maldonado, unter dem das „Ulmer Modell“Gestalt annahm: Die Grundlehre bestand dann eher aus Mathematik und Geometrie, statt freien Experimenten gab es klare Aufgabenstellungen. 1958 kritisierte Maldonado bei einem Vortrag in Brüssel das Erbe des Bauhauses von Walter Gropius als zu stark an der Kunst und am Kunsthandwerk orientiert. Die HfG Ulm wandte sich der Industrie zu, dort wurde das moderne Berufsbild des Industriedesigners entwickelt. Damit, so Mäntele, habe sie geholfen, ein Versprechen des Bauhauses einzulösen, das dieses selbst nicht halten konnte: Produkte in guter Qualität für möglichst viele Menschen zu schaffen.
OAusstellung „Bauhaus Ulm“ist bis 13. Oktober im HfG-Archiv, Am Hochsträss 8, in Ulm zu sehen.