Sie sind wieder da
Und doch wissen viele Menschen, besonders die der Generation Internet, nicht über STI Bescheid, heißt es beim bayerischen Gesundheitsministerium, das daher vergangenen Monat die eigene Aufklärungskampagne „STI auf Tour“gestartet hat. Es holte dafür auch Youtuber ins Boot, um besonders junge Menschen zu erreichen. Die Botschaft: STI sind normal, man muss sich nicht schämen, sondern behandeln lassen. Das entspricht auch Brockmeyers Aufklärungsprinzip: „Wir müssen den Leuten vermitteln, dass es normal ist, STI zu haben und die meisten im Laufe ihres Lebens eine hatten.“Dann würden sich mehr testen lassen und mehr Fälle erkannt werden. Bisher sei die Dunkelziffer groß, so Brockmeyer.
3 Wenn wir leben
Scabies, umgangssprachlich Krätze, Auslöser: Milbe Sarcoptes scabiei. Übertragung: längerer Körperkontakt von 5 bis 10 Minuten. Symptome: Papeln auf der Haut, rote Knoten, Juckreiz. Folgen: Hautentzündungen. Therapie: Cremes oder Tabletten.
Laut WHO werden jährlich mehr als 200 Millionen Menschen von Scabies befallen, es handelt sich um eine der häufigsten Hauterkrankungen überhaupt. Genaue Zahlen für Deutschland? Fehlanzeige. Scabies ist nicht meldepflichtig. Experten wissen aber: Die Plage tritt in Wellen auf. Das bestätigt auch das Statistische Bundesamt, das zumindest die stationär behandelten Krätzefälle registriert. Im Jahr 2000 gab es demnach 2727 Fälle, bis 2010 sank der Wert auf unter 1000 Fälle pro Jahr. Seitdem wird Scabies wieder häufiger diagnostiziert und behandelt.
Laut Barmer-Krankenkasse wurden ihren Versicherten 2017 im Schnitt 60 Prozent mehr KrätzeMedikamente verordnet als 2016.
Mit solchen Zahlen ist Professor Cord Sunderkötter, Dermatologe an der Martin-Luther-Universität Halle, vorsichtig. Der Anstieg an Scabies-Verdachtsfällen könne auch mitbedingt sein, weil inzwischen viele Ärzte für diese Diagnose sensibilisiert sind und häufiger daran denken oder bei Hautjucken einfach mal auf Verdacht gegen Scabies therapieren. Dass die Krätzmilbe wieder auf dem Vormarsch ist, sieht Sunderkötter jedoch auch. Der Parasit sei ebenfalls ein Nutznießer der zunehmenden Promiskuität, weil er etwa durch längeren Hautkontakt beim Sex übertragen wird. Aber nicht nur dabei – und das vergrößert den Personenkreis, der zum Wirt werden kann. Auch beim Kuscheln kann die Milbe rüberkrabbeln. Deshalb befällt sie auch häufig Kinder, da sie untereinander und mit Erwachsenen natürlicherweise längeren Körperkontakt haben. Ganze Familien können so ein ScabiesProblem bekommen.
Laut Sunderkötter wurde auch die Fluchtbewegung mit der Zunahme der Krätze in Verbindung gebracht, ohne dass dies aber belegt werden konnte. Es bestehe zwar ein zeitlicher Zusammenhang, da Scabies seit 2015 wieder häufiger diagnostiziert werde. Ein Teil der geflüchteten Menschen stamme zwar aus Gegenden, in denen die Krätzmilbe häufiger vorkomme. Auch die Fluchtumstände, eine lange Reise, beengte Bedingungen, trügen zur Verbreitung unter Erwachsenen wie Kindern bei. „Aber wenn überhaupt, kann es nur einer von mehreren Gründen sein, zumal alle Schutzsuchenden bei Ankunft auf
Scabies untersucht und bei Bedarf behandelt werden“, betont Sunderkötter.
Rechtspopulisten benutzen die Krätzehäufung und auch die leichte Zunahme an Tuberkulosefällen bereits für ihre Anti-Flüchtlingshetze. Die WHO hält dagegen: Statistisch gesehen werden Flüchtende und Migranten erst in Europa anfälliger für Krankheiten. Das Risiko, dass diese Menschen Infektionen an die Bevölkerung der Aufnahmeländer übertragen, sei äußerst gering. Das meint auch Sunderkötter. „Keine Angst vor Händeschütteln, Busoder Bahnfahren“, sagt der Arzt, der noch etwas festgestellt hat: „In Kriegszeiten waren bei uns viele davon befallen. Daher hat sich lange in den Köpfen gehalten, man bekommt Krätze, weil man sich nicht wäscht. Das ist Blödsinn“, sagt Sunderkötter. Die Milbe gräbt sich in die obere Hornschicht der Haut und geht nicht durch Waschen weg, sondern nur mit Medikamenten. Die Scabies-Behandlung sei allerdings nicht einfach und müsse konsequent durchgeführt werden.
4 Wenn wir reisen
Cimikose. Auslöser: Bettwanze (Cimex lectularius), nachtaktives Insekt. Übertragung: Schlafplätze. Symptome: rote Stiche, sogenannte Wanzenstraßen, Juckreiz, häufig aber auch symptomfrei. Folge: Hautentzündung möglich. „Therapie“: Schädlingsbekämpfer rufen.
Wenn Professor Sunderkötter verreist, gibt es für ihn eine goldene Regel: Koffer niemals auf oder unter das Hotelbett legen, immer auf das Koffergestell. Stephan Biebl geht seit ein paar Jahren sogar noch einen Schritt weiter. Er untersucht als allererstes
das Kopfende des Hotelbetts, denn als Bettwanzenexperte weiß er: Die blutsaugenden Insekten sind am ehesten dort anzufinden, weil sie von CO2 angezogen werden, Wärme und Körperausdünstungen mögen und nicht gerne weit krabbeln. Findet er schwarze Kotpunkte oder eine Wanze, fordert er sofort ein neues Zimmer.
Als Biebl vor 20 Jahren seinenMeister in Schädlingsbekämpfung machte, waren Bettwanzen kein Thema, sagt er. Durch Insektizide wie DDT seien die unliebsamen Insekten zurückgedrängt worden. Nun aber, so haben Dermatologe Sunderkötter, Bettwanzen-Experte Biebl und auch der Deutsche Schädlingsbekämpfer-Verband (DSV) festgestellt: Cimex lectularius ist seit ein paar Jahren wieder auf dem Vormarsch. Der DSV-Landesverband Berlin-Brandenburg liefert den statistischen Beweis: Die Zahl der Bettwanzen-Bekämpfungen hat sich zwischen 2008 und 2014 verdreifacht. Seitdem befinde sich der Befall auf konstant hohem Niveau, sagt Vorsitzender Mario Heising. Für Bayern gibt es keine solche Statistik.
Dass die Biester nun aber wieder vermehrt in Deutschland auftauchen, hat laut Biebl zwei Gründe. Die Chemie-Keulen seien heute schwächer. Und: Durch die Billigflieger sei die weltweite Reisetätigkeit gestiegen und somit auch das Risiko, von Bettwanzen attackiert zu werden und sogar blinde Passagiere im Gepäck nach Hause zu transportieren. Ob Hostel, Berghütte oder Fünf-Sterne-Hotel, ob Zug oder Flugzeug – überall können „Bed Bugs“lauern, besonders bei hoher Gästefrequenz. Aber auch in Secondhand-Kleidung und Gebrauchtmöbeln, sagen Sunderkötter und Biebl.
Weil Bettwanzen lichtscheu, reisefreudig und anpassungsfähig sind, seien sie auch nicht so einfach zu bekämpfen. Sie können sich hinter Lichtschaltern und in Ritzen verstecken und monatelang ohne Nahrung auskommen. Das Umweltbundesamt rät in seiner Infobroschüre, bei Wanzenbefall einen professionellen Schädlingsbekämpfer zu rufen. Denn selbst für die Profis kann die Bekämpfung eine Herausforderung sein. Die setzten mitunter WanzenSpürhunde ein, um die Nester zu finden, und erhitzen dann entweder den befallenen Raum mit Spezialöfen auf bis zu 60 Grad oder verwenden Chemikalien. Wobei Biebl zufolge manche asiatischen Bettwanzen schon Resistenzen gegen einige Mittel entwickelt haben …
Nach all den Sorgen zum Schluss noch eine gute Nachricht über Plagegeister. Manche Eltern wittern auch eine Häufung von Madenwürmern oder Läusen, wenn etwa wieder ein Zettel in der Kita „Wir haben Läuse in einer Gruppe“hängt oder wieder Ratgeber über Würmer in den Medien auftauchen. Aber Experten geben Entwarnung: „Madenwürmer hat es immer gegeben, bloß die Hysterie hat zugenommen, dabei sind die harmlos und leicht zu behandeln“, sagt Parasitologe Professor Klaus Brehm von der Universität Würzburg.
Mit Läusen verhält es sich laut Experten ähnlich: ekelig, nervig, harmlos, aber nicht mehr geworden. Einen Läuse-Trend jedoch haben das Gesundheitsamt Augsburg und auch der Augsburger Kinderarzt Martin Lang, Landesvorsitzender der Kinder und Jugendärzte in Bayern, festgestellt: „Die treten nur immer wieder nach den Ferien vermehrt auf.“Denn auch diese Tiere lauern gerne in fremden Betten.