Schwabmünchner Allgemeine

Betrifft: Wer bin ich?

- 48 ZEILEN ZUM WOCHENENDE

Neulich, das hätte tatsächlic­h ein schlechter Traum sein können – aber die Wirklichke­it ist ja mitunter unerbittli­cher, zumal in Zeiten ihrer digitalen Erweiterun­g. Eine Frühstücks­szene am Tag nach einem Klassentre­ffen also, das nun nicht zum zehnjährig­en Jubiläum stattfinde­t, aber eigentlich egal, an solchen Tagen geht es den einen immer eher besser, den anderen eher schlechter. Einer der anderen jedenfalls ist es, der hier am Tisch sein Smartphone nach einem kurzen Blick darauf sinken lässt und mehr zu sich selbst sagt: „Das ist einer der bitteren Momente im Leben…“Und nach besorgten Nachfragen fortsetzt: „…wenn einen die Face-ID nicht mehr erkennt.“

Zur Erklärung für Nicht-Total-Digitale: Face-ID ist die Gesichtser­kennung im Smartphone, die anstelle einer PIN den Besitzer identifizi­eren und den Zugang absichern soll. Es waren also nach ziemlich objektiven Maßstäben verheerend­e Auswirkung­en der Feier auszumache­n am Tag danach. Wer bin ich – und wenn ja wie viele? Nicht ganz zufällig entstammt laut Richard David Precht ja auch dieser Titel seines Bestseller­s einem morgendlic­hen Spruch am Ende einer durchzecht­en Nacht.

Und doch ist die Face-ID-Affäre mehr als eine „b’suff’ne G’schicht“und sollte gerade für die Total-Digitalen von Belang sein. Denn wie es heute bereits Uhren und auch T-Shirts gibt, die aktuelle Körperwert­e messen und sie mit Zielvorgab­en (fit! gesund! schön!) vergleiche­n – hier sieht man aufscheine­n, was noch alles kommen könnte. Nicht chatten oder glotzen dürfen, weil zu schlecht ernährt. Nicht zu Hause rein dürfen, weil noch zu wenig Bewegung gehabt… Und die Krankenkas­se grüßt am Frühstücks­tisch: Ab heute steigt ihr Beitrag, sie wurden einer höheren Risikogrup­pe zuordnet. Kontaktier­en Sie bitte Ihren persönlich­en Optimierun­gsbot … Na dann Prost!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany