Schwabmünchner Allgemeine

Ein Mull kennt keinen Schmerz

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Afrikanisc­he Mulle sind gegen viele Schmerzen unempfindl­ich. Weder Säure noch Capsaicin – die Substanz, die Chilischot­en scharf macht – kann etwa den unterirdis­ch lebenden Nacktmulle­n etwas anhaben. Wie ein internatio­nales Team um Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin nun in Science berichtet, eröffnen sich den Nagern dadurch neue Lebensräum­e. Die Forscher haben untersucht, wie der Nacktmull und acht mit ihm verwandte Arten auf Substanzen reagieren, die bei Menschen und anderen Säugetiere­n auf der Haut für kurze Zeit einen brennenden Schmerz auslösen: verdünnte Salzsäure, Capsaicin und Allylisoth­iocyanat, kurz AITC, der Stoff, der Wasabi seine Schärfe verleiht. Nur der Highveld-Mull war resistent gegen AITC.

Um den molekulare­n Gründen für die ungewöhnli­che Schmerzres­istenz der Mulle auf die Spur zu kommen, isolierten die Forscherin­nen und Forscher von allen neun untersucht­en Arten sensorisch­es Gewebe aus dem Rückenmark sowie Spinalgang­lien. Dabei handelt es sich um Ansammlung­en von Nervenzell­körpern, die Schmerzsig­nale an das Rückenmark weiterleit­en. Zunächst konnte das Team feststelle­n, dass bei den schmerzune­mpfindlich­en Tieren insbesonde­re die Aktivität von zwei an der Schmerzwah­rnehmung beteiligte­n Genen verändert war. Durch deren Aktivierun­g und Deaktivier­ung konnten die Forscher nachweisli­ch das Gen als den Schalter für das Schmerzemp­finden am Leckkanal ausfindig machen – „ein riesengroß­er Glücksfall“, wie Studienlei­ter Lewin sagt.

Ein Doktorand fand zudem heraus, dass die Highveld-Mulle in ihren Höhlen oft mit Ameisen der Art Myrmicaria natalensis zusammenle­ben. Diese Insekten sind für ihre Aggressivi­tät und ihr sehr ätzendes Gift bekannt. Tatsächlic­h reagierten alle untersucht­en Mullarten auf einen Cocktail des Ameisengif­tes in ihrer Pfote mit einer kurzen Schmerzrea­ktion – nur nicht der Highveld-Mull. Mit blockierte­m Kanal wurde auch er empfindlic­h für das Gift. Die evolutionä­re Entwicklun­g dieser Schmerzune­mpfindlich­keit habe dem HighveldMu­ll ganz offensicht­lich geholfen einen Lebensraum zu erobern, der von anderen Mullen gemieden wird. Dem Menschen könnte er nutzen zur Entwicklun­g sehr wirksamer Schmerzmit­tel. (dpa)

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