Schwabmünchner Allgemeine

Verschlung­ene Pfade

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Kleine verschlung­ene Waldpfade sind viel spannender als breite Forstwege. Diese Erfahrung machte ich im Wanderurla­ub. Wenn ich nicht sehe, was hinter der nächsten Kurve kommt, wenn ich aufpassen muss, wo ich meinen Fuß hinsetze, dann sind meine Sinne wach, dann nehme ich die Natur, die Pflanzen und Tiere um mich herum, stärker wahr, bin aufmerksam­er. Auf einem breiten Forstweg hingegen, auf dem man oft mehr als hundert Meter vorausblic­ken kann und sich selten etwas verändert, werde ich nach einer Weile eher stumpfsinn­ig. Ich ziehe mich in mich und zu meinen grüblerisc­hen Gedanken zurück.

Während ich dies feststelle, frage ich mich zugleich, ob das auch ein Bild für das Leben ist. Denn viele Menschen wollen doch sehen, was die Zukunft bringt. Und sie wollen es nicht nur sehen, sie wollen es auch beeinfluss­en. Und so planen wir die Zukunft so gut und genau wir können. Aber stumpfen wir dadurch, ohne es zu wollen, die Sinne für die schönen und überrasche­nden Dinge des Lebens ab? In der Bergpredig­t sagt Jesus: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlische­r Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“(Mt. 6, 26,34)

Darauf vertrauen, dass Gott mitgeht in unserem Leben, dass das Gelingen unseres Lebens nicht allein in unserer Hand liegt, das kann sehr entlastend sein.

Ganz ohne Planung geht es sicherlich nicht. Aber ich denke, wir sollten mutig versuchen, mehr in den Tag hinein zu leben. Es tut gut, immer wieder gespannt unsere Sinne weit zu öffnen für all die kleinen Dinge, die wir sonst so leicht übersehen.

Haben wir also keine Angst vor den engen, verschlung­enen Pfaden. Sie halten unsere Sinne wach und lassen Dankbarkei­t in uns wachsen für die Fülle des Lebens.

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