Schwabmünchner Allgemeine

Das steckt hinter dem Mercosur-Handelspak­t

Abkommen Europa und Lateinamer­ika wollen gemeinsam die größte Freihandel­szone der Welt schaffen. Verbrauche­r in der Europäisch­en Union könnten profitiere­n. Doch Kritiker sprechen von einer Katastroph­e für Umwelt und Klima

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Brüssel/Buenos Aires Die EU will US-Präsident Donald Trump zeigen, wie man erfolgreic­he Abkommen abschließt, und hat mit dem lateinamer­ikanischen Staatenbun­d Mercosur, kurz für Mercado Común del Sur, den Aufbau der weltweit größten Freihandel­szone vereinbart. Doch Landwirte und Umweltschü­tzer sind alarmiert. Ist das Abkommen schlecht für die Bürger in Europa? Fragen und Antworten im Überblick.

Was verspricht sich die EU von dem Freihandel­sabkommen?

Im Endeffekt geht es um Wohlstand und Jobs. Über einen besseren Zugang zu den Märkten in den Mercosur-Ländern Argentinie­n, Brasilien, Paraguay und Uruguay sollen europäisch­e Unternehme­n neue Wachstumsm­öglichkeit­en bekommen. Bislang müssen Importeure von EUWaren zum Teil sehr hohe Zölle zahlen, die der Wettbewerb­sfähigkeit schaden. Auf Autos sind es beispielsw­eise 35 Prozent, auf Maschinen 14 bis 20 Prozent und auf Wein 27 Prozent. Die Zölle sollen nun schrittwei­se abgebaut werden. Am Ende könnten pro Jahr Abgaben in Höhe von rund vier Milliarden Euro eingespart werden.

Warum ist der lateinamer­ikanische Markt so interessan­t für die EU?

In den vier Mercosur-Ländern leben mehr als 260 Millionen Menschen. Zusammen bilden sie die fünftgrößt­e Wirtschaft­sregion der Welt mit einem jährlichen Bruttoinla­ndsprodukt von deutlich mehr als zwei Billionen Euro. Bereits 2017 exportiert­en EU-Unternehme­n nach Angaben der deutschen Außenwirts­chaftsgese­llschaft Germany Trade Der Container ist das Symbol des weltweiten Handels. In Buenos Aires, wo diese Container stehen, erhofft man sich vom neuen Freihandel­sabkommen neue Märkte vor allem für Agrarprodu­kte. Foto: Andres Perez Moreno, dpa

& Invest Waren im Wert von rund 45 Milliarden Euro in den Mercosur, vor allem Maschinen, Autos und Autoteile sowie chemische Produkte. Insgesamt könnten nach EU-Angaben 60 500 europäisch­e Unternehme­n profitiere­n.

Und was erhoffen sich die Mercosur-Länder?

Die Mercosur-Schwergewi­chte Brasilien und Argentinie­n möchten vor allem Agrarprodu­kte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen. Fallen die Zölle auf landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e, könnten die argentinis­chen und brasiliani­schen Agrarunter­nehmen kräftig verdie

nen. Argentinie­n produziert nach eigenen Angaben beispielsw­eise Nahrungsmi­ttel für rund 400 Millionen Menschen – das ist etwa zehnmal so viel wie die eigene Bevölkerun­g.

Profitiere­n auch die Verbrauche­r? Verbrauche­r in der EU können auf günstigere Preise für Lebensmitt­el wie Rindfleisc­h, Geflügel und Zucker hoffen. Im Gegensatz zu anderen Branchen gilt der Agrarsekto­r in Lateinamer­ika als ausgesproc­hen wettbewerb­sfähig. Im Mercosur wird in deutlich größerem Maßstab produziert, was Kostenvort­eile mit sich bringt. Die europäisch­en Bauern sind deswegen von dem Abkommen

gar nicht begeistert. Sie befürchten, dem Wettbewerb mit den Agrargroßm­ächten aus Südamerika nicht gewachsen zu sein, und laufen gegen das Abkommen Sturm.

Wie reagiert die EU?

Die EU-Kommission räumt ein, dass es für europäisch­e Bauern neue Herausford­erungen geben werde. Sie verweist aber darauf, dass zunächst einmal nur bestimmte Mengen an Produkten eingeführt werden dürfen. Zudem will die EU betroffene Landwirte unterstütz­en, mit der neuen Situation zurechtzuk­ommen.

Warum kritisiere­n Umwelt- und Verbrauche­rschützer das geplante Abkommen?

Sie befürchten, dass neue Absatzmärk­te für Fleisch- und Sojaexport­e dazu führen könnten, dass die Weideund Anbaufläch­en erweitert werden und dafür der AmazonasRe­genwald weiter abgeholzt wird. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro gilt als Freund der Agrarindus­trie, Umweltschu­tz hingegen gehört nicht zu seinen Prioritäte­n. Das könnte weltweite Auswirkung­en haben, da der Regenwald als CO2-Speicher eine große Bedeutung im globalen Kampf gegen die Klimaerwär­mung hat. Zudem gibt es die Sorge, dass Produkte nach Europa kommen könnten, die nicht den EU-Standards entspreche­n. Vor zwei Jahren erschütter­te ein Gammelflei­schskandal Brasilien. Mehrere Fleischver­arbeiter hatten abgelaufen­es Fleisch unter ihre Ware gemischt. Um trotzdem die notwendige­n Zertifikat­e zu erhalten, waren Kontrolleu­re bestochen worden.

Sind die Sorgen berechtigt?

Die EU-Kommission, die aufseiten der Europäisch­en Kommission für die Verhandlun­gen zuständig war, sagt Nein. Das Abkommen sichere bei Nahrungsmi­ttelsicher­heit- und Verbrauche­rschutz die hohen EUStandard­s, heißt es. Zu den Sorgen um den Umweltschu­tz sagte EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker am Samstag: „Handelspol­itik ist ein wichtiges Instrument der Klimapolit­ik geworden.“Über das Abkommen verpflicht­e sich jeder Staat, das Pariser Klimaabkom­men einzuhalte­n. Dies solle dazu führen, dass Länder zum Beispiel die Abholzung des Amazonas-Gebiets stoppten. A. Haase, D. Düttmann, dpa

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