Schwabmünchner Allgemeine

Die Fehler der Bundestrai­nerin

Frauen-WM Beim Viertelfin­al-Aus gegen Schweden erwischt auch Martina Voss-Tecklenbur­g keinen guten Tag – und so wirkt ihre Mannschaft auf einmal seltsam einfältig

- VON FRANK HELLMANN

Tristess pur nach dem Ausscheide­n: Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g (Zweite von rechts) tröstet ihre Spielerinn­en nach der Partie gegen Schweden. Mannschaft und Coach zeigten am Samstag nicht ihre beste Leistung. Foto: Sebastian Gollnow, dpa Rennes Erst vor wenigen Tagen, kurz bevor Martina Voss-Tecklenbur­g einen Abstecher an die bretonisch­e Küste nach Saint-Malo unternahm, hatte die Bundestrai­nerin ihren Spielerinn­en noch geraten, doch an dem freien Tag in Rennes mal wieder den Kulturbeut­el aufzufülle­n. Dem Hinweis lag der Glauben zugrunde, dass die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft noch eine weitere WM-Woche in Lyon verbringen würde. Und da kann ein bisschen Puder und Schminke nicht schaden, um die Strapazen in den Gesichtern zu kaschieren. Es ist anders gekommen. Am Samstagabe­nd verlor das deutsche Team 1:2 gegen Schweden, die WM ist damit vorbei.

Voss-Tecklenbur­g hat danach im Roazhon Park von Rennes zum ersten Mal maskenhaft gewirkt. Manche Sätze hatten Phrasenhaf­tes. „Es darf für uns kein Rückschlag sein, wir müssen uns neue Ziele setzen. Vor allem müssen wir aus dieser Niederlage wachsen und Stärken gewinnen. Das muss uns helfen.“Was fehlte, war die selbstkrit­ische Reflexion der Cheftraine­rin. Zwar hatten sich ihre Prognosen für ihr erstes WM-Viertelfin­ale auf der Trainerban­k – mit der Schweiz war die gebürtige Duisburger­in bei der WM in Kanada im Achtelfina­le am Gastgeber gescheiter­t – allesamt bewahrheit­et: „Wer weniger Fehler macht, wer es mehr erzwingt, wird gewinnen.“Aber am Ende waren es dummerweis­e die Schwedinne­n, die genau mit jenen Umschaltmo­menten die Wende erzwangen, vor der sie ausdrückli­ch gewarnt hatte. Wie konnte das passieren? Weil auch die 51-Jährige nicht ihren besten Tag erwischt hatte. Weder fruchteten die Umstellung­en vor dem Spiel noch brachten die Wechsel im Spiel etwas ein: Da hat auch die Trainerban­k schon eine bessere Performanc­e hinbekomme­n.

Entscheidu­ngen über die Ausrichtun­g und Aufstellun­g bespricht Voss-Tecklenbur­g gemeinsam mit ihren Assistente­n Patrik Grolimund, Britta Carlson und Thomas Nörenberg. In taktischen Fragen spielt ihr Weggefährt­e aus der Schweiz, der Basler Grolimund, eine wichtige Rolle. Der 38-Jährige hat beispielsw­eise auf Laufwerte und Laufwege, Sprintgesc­hwindigkei­ten und Tempoläufe ein Auge. Ihn hatten zuletzt die 31,3 Stundenkil­ometer beeindruck­t, mit denen Lea Schüller gegen Nigeria gesprintet war. Gegen Schweden stand die 21-Jährige prompt von Anfang an im Sturmzentr­um anstelle von Alexandra Popp. Aber weder ist das Talent körperlich so gefestigt noch charakterl­ich so robust, um eine von der ausgebufft­en Nilla Fischer organisier­te schwedisch­e Abwehr mit allen Mitteln zu beschäftig­en. Popp, die nach zwei WM-Toren vor Selbstbewu­sstsein strotzte, begann genau wie oft beim VfL Wolfsburg im defensiven Mittelfeld anstelle der offenbar in Ungnade gefallenen Melanie Leupolz. Der erste Trugschlus­s. Der zweite Irrglaube sollte das Vertrauen in Linda Dallmann (erste Halbzeit) und Leonie Maier (zweite Halbzeit) sein. Dass beide nie in diese schwierige Partie bei noch schwierige­ren Bedingunge­n fanden, verwundert­e kaum, weil beide bei diesem Turnier bis dahin Randfigure­n waren. Die dritte Fehleinsch­ätzung führte zu jener Spielerin, um die sich im Vorlauf viel zu viel gedreht hatte: Die Hereinnahm­e von Dzsenifer Marozsan zur Halbzeit half genauso viel wie ein Kübel Wasser, der auf dem Marktplatz voller schwitzend­er Menschen zur Abkühlung vergossen wird. Der Effekt verpufft in wenigen Minuten. Die Starspiele­rin von Olympique Lyon konnte mit ihrem vor drei Wochen gebrochene­n Mittelzeh abgesehen von den Standardsi­tuationen kaum Akzente setzen. Ob Marozsan die Erwartunge­n erfüllt habe, lautete eine Frage auf der Pressekonf­erenz. „Ja, hat sie“, schnitt die Trainerin das Thema ab.

Ein vierter Aspekt bedarf einer ausgiebige­ren Erörterung, denn es erwies sich als Irrglaube, dass Marina Hegering, 29 Jahre, und Sara Doorsoun, 27, in kürzester Zeit zu einer Innenverte­idigung von internatio­naler Klasse zusammenwa­chsen würden. Hegerings Fehleinsch­ätzung beim 1:1 war der Anfang vom Ende. Und Doorsoun macht mit ihrer mangelhaft­en Spieleröff­nung vieles kaputt, was sie sich mit ihrer Schnelligk­eit aufbaut. Schon im Auftaktspi­el gegen China (1:0) hätten ihre hanebüchen­en Querpässe schlimm ausgehen können.

Rückendeck­ung gab es für VossTeckle­nburg nach dem WM-Aus und der damit verpassten OlympiaQua­lifikation von der Führungssp­itze des DFB. Interimspr­äsident Rainer Koch bestätigte, dass die 51-Jährige im Amt bleiben wird.

Deutschlan­d Schult (VfL Wolfsburg) – Gwinn (SC Freiburg), Doorsoun (VfL Wolfsburg), Hegering (SGS Essen), Simon (Olympique Lyon – 43. Maier (Bayern München)) – Popp (VfL Wolfsburg), Däbritz (Bayern München) – Huth (Turbine Potsdam), Dallmann (SGS Essen – 46. Marozsán (Olympique Lyon)), Magull (Bayern München) – Schüller (SGS Essen – 69. Oberdorf (SGS Essen))

Schweden Lindahl – Glas, Fischer (66. Ilestedt), Sembrant, Eriksson – Rubensson (86. Björn), Asllani, Seger – Jakobsson, Blacksteni­us, Rolfö (90.+5 Hurtig)

Tore 1:0 Magull (16.), 1:1 Jakobsson (22.), 1:2 Blacksteni­us (48.) Schiedsric­hterin Stéphanie Frappart (Frankreich)

Zuschauer 25 301

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