Die Uhr tickt: Söder stellt CSU auf Zukunft ein
Bezirksparteitag In Schwabmünchen fordert der Parteichef von der Basis die Bereitschaft zu neuen Wegen. Er sagt: Die Welt ändert sich rasend. Damit das Leben gut bleibt, müsse sich viel ändern
Schwabmünchen Zum zweiten Mal in zehn Monaten kommt Ministerpräsident Markus Söder nach Schwabmünchen. Diesmal füllt er nicht das Festzelt am MichaeliMarkt, sondern die Stadthalle. Am Ende seiner langen Rede ist der Beifall wieder groß, doch die Stimmung ist während seiner Rede weitaus ernster. Der Parteichef spricht vor 200 Delegierten der schwäbischen Kreisverbände. Und was er ihnen zu sagen hat, stellt sie vor neue Aufgaben.
Vor dem Eingang steht ein riesiges Polster mit Farben und Schriftzug der Partei. In der Stadthalle ist eine ganze Seitenwand zugestellt mit CSU-Deko und auf der Bühne zeigen hinter dem Podium Projektionen Informationen zu Programm und Inhalten dieses Bezirksparteitages. Draußen sichern Polizisten in Schutzwesten alles ab, ein Notarztwagen steht vorsorglich bereit, drinnen haben Personenschützer Söder im Auge. Die vielen Parteigänger halten es ebenso. Unter ihnen nicht wenig Politprominenz, die mit dem Eintreffen des Parteichefs in den rückt und ihre Plätze in den langen Reihen der Kreisverbände findet. Mit Gerd Müller aus dem Allgäu ist ein Bundesminister darunter, Staatsminister Hans Reichhart wird ihn am Ende plangemäß als stellvertretender Bezirkschef auf dem Podium ablösen. Landtagsabgeordnete kommen in großer Zahl dazu, Landräte sind da. Und Staatssekretärin Caroline Trautner hat in Schwabmünchen natürlich ein Heimspiel.
Bald sind die Gelegenheiten für Fotos mit Söder vorbei. Der schaut auf die Uhr und Bezirksvorsitzender Markus Ferber gibt das Zeichen Richtung Bühne. Eine Arbeitssitzung steht an. Und die ausgelassene Stimmung weicht ernster Aufmerksamkeit.
Söder spricht vom Niedergang der Volksparteien in Europa. Es klingt etwas Schmerz heraus, als er auch den Niedergang der SPD erwähnt. Und große Sorge, als er feststellt, dass sich die CSU bei der Europawahl zwar sehr gut behauptet habe, die Schwesterpartei CDU aber mit dem Aufwärtstrend nicht mithalte. Doch das ist erst die Einstimmung.
Die Welt verändere sich derzeit rasend schnell und nicht zum Besseren. Handelskonflikte, das Streben Chinas nach Rohstoffen und Macht in der ganzen Welt macht Söder anschaulich. Und dann geht es ums Klima. Da gebe es nichts wegzudiskutieren: Der Planet schwitzt – nicht nur an diesem Abend in Schwabmünchen. Und die Folgen seien vielfältig. Das Auftauen des Permafrostes in Sibirien setze klimaschädliche Gase frei, hat Entwicklungsminister Müller gerade aus erster Hand berichtet.
In Bayern mag es zurzeit lediglich nach einem schönen Sommer aussehen und den Menschen gehe es hier sehr gut. Doch den Wandel in der Welt könne er als verantwortlicher Politiker nicht aussitzen. Und Bayern werde das schon gar nicht machen.
Söder weiß: Er spricht vor einem bürgerlichen Publikum. Viele würden alles am liebsten so belassen wie es ist. Doch das werde nicht gehen. Und damit kommt er zum Kernsatz: „Wenn wir es gut finden, wie es jetzt ist, müssen wir viel ändern, damit es so bleibt.“
Einige Beschlüsse der StaatsregieHintergrund rung würden in den nächsten Monaten aufhorchen lassen und überraschen. Aber sie würden etwas bewirken im Land, verspricht Söder. Damit spricht er Klima-, Energie- und Landespolitik an. Das werde auch der Jugend zeigen, dass die Politik ihre Zukunft ernst nehme.
Die Bereitschaft zu Änderungen fordert Söder als Parteichef jedoch auch von den Kreisverbänden ein. Denn es gelte darum, die Partei zu verjüngen, die Jugend ins Boot zu holen und Optimismus zu verbreiten. Jammern nütze nichts. Mit einem Seitenhieb auf die Grünen verspricht Söder: Diese verstünden es, gute Stimmung zu verbreiten. Diese Stimmung sollte jedoch das Ergebnis des Handelns sein, nicht der Inhalt. Diesen nämlich vermisst er bei anderen.
Und dann feuert Söder seine Parteifreunde an, sich für die Kommunalwahlen am 15. März nächsten Jahres zu wappnen. Es könne nicht das Ziel sein, die alten Wahlkampfmittel wieder neu aufzulegen, die gleichen Veranstaltungen wie immer zu machen.
Dann folgt Markus Ferber ans Mikrofon. Der Europapolitiker ist zugleich Schwaben-Chef der CSU. Mit 95,7 Prozent der Stimmen wird er an diesem Abend in seine achte Amtszeit gewählt. Er unterstreicht, was Söder sagte und nennt Beispiele aus schwäbischer Sicht: Zur heimischen Wirtschaft gehören starke Zulieferer der Automobilindustrie. Fast kein Auto auf der Welt fahre ohne wenigstens einem Teil aus Schwaben. Für herkömmliche Verbrennungsautos seien viele Teile nötig. Elektroautos beständen aus weniger Teilen. Auch das schaffe neue Herausforderungen, um weiter erfolgreiche Arbeitgeber im Land zu haben. Und in der Kommunalpolitik müsse dem öffentlichen Personennahverkehr eine viel größere Bedeutung zukommen. In der Infrastruktur der öffentlichen Netze dürfe es keine Zweiteilung von Stadt und Land geben. Und Ferber nennt weitere Beispiele für Zusammenhänge von Klimaschutz, europäischer Politik und lokalem Leben.
Wuchtige Zukunftsthemen stünden an, sagt Ferber und gibt der Parteibasis eine letzte Botschaft mit auf den Weg: „Wenn wir zusammenhalten, können wir Wuchtiges erreichen.“
Schwabmünchen/Ingolstadt Das von CSU-Chef Markus Söder geforderte „Durchlüften“der Partei ist nun auch auf der Bezirksebene angekommen. Nachdem Söder nach der Landtagswahl schon sein Kabinett jünger und weiblicher gemacht hat, geht diese Entwicklung in den einflussreichen CSU-Bezirksverbänden weiter. Drei der größten und mächtigsten Verbände haben am Wochenende ihre Vorstände neu gewählt – und dabei gab es so manche Überraschung.
Die Vorsitzenden der CSU-Bezirke Schwaben, Oberbayern und Mittelfranken bleiben zwar alle unangefochten in ihren Ämtern, doch in den Führungsteams hat sich einiges getan. Spektakulärste Änderung: CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt gehört nicht mehr zur Stellvertreter-Riege der Oberbayern-Chefin Ilse Aigner. Er hat im Vorfeld des Bezirksparteitags in Ingolstadt auf eine Kandidatur verzichtet, um eine Kampfabstimmung zu verhindern. Weiterer prominenter Ausscheider: der frühere Staatskanzleichef und Umweltminister Marcel Huber, der im Herbst auch aus dem Kabinett geflogen war.
Dafür hat die Oberbayern-CSU jetzt eine Frauenquote in der Führungsriege, von der die CSU bislang nur träumen konnte: Mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Sozialministerin Kerstin Schreyer und Fraktionsvize Tanja SchorerDemel sind gleich drei Frauen Stellvertreterinnen der einzigen weiblichen Bezirkschefin Ilse Aigner. Die Landtagspräsidentin wurde am Samstag mit 92,5 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Auf so eine gute Frauenquote kommt die Schwaben-CSU nicht. Mit der Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker ist nur einer der Stellvertreter des mit seinem bisher besten Ergebnis (95,7 Prozent) im Amt bestätigten Bezirksvorsitzenden Markus Ferber eine Frau. Aber immerhin. Denn zuvor war das Führungsteam rein männlich. Doch mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, 63, und dem langjährigen Landtagsabgeordneten Alfred Sauter, 68, haben zwei prominente schwäbische CSU-Politiker auf ihre Kandidatur zum Bezirksvize verzichtet. Beim Parteitag in Schwabmünchen gab es eine deutliche Verjüngung der Stellvertreter-Riege: Der bayerische Bau- und Verkehrsminister Hans Reichhart ist erst 37, der Rieser Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Ulrich Lange 50, Zinnecker und der wiedergewählte Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek sind 54.
In Mittelfranken wurde Bezirkschef Joachim Herrmann wiedergewählt, er erhielt 98,3 Prozent der Stimmen. Zwei seiner Vizes sind künftig Frauen.
Nach dem Machtkampf mit ExCSU-Chef Horst Seehofer und dem schlechten Abschneiden bei der Landtagswahl hat Parteichef Markus Söder die Losung ausgegeben, die CSU müsse moderner, jünger und weiblicher werden. In seinem Kabinett hat Söder das wahr gemacht, in der Parteizentrale hat er ebenfalls bereits umgebaut. Und auch an der Spitze der CSU-nahen Hanns-SeidelStiftung wird es bald eine Änderung geben: Im Herbst soll der schwäbische CSU-Chef und Europaabgeordnete Markus Ferber auf Söders Vorschlag Chef der Stiftung werden.