Schwabmünchner Allgemeine

Die Mezzosopra­nistin mit dem „schönen Material“

80. Geburtstag Unvergesse­n ihr „Rosenkaval­ier“: Brigitte Fassbaende­r singt zwar nicht mehr, macht aber nach wie vor Oper

- VON STEFAN DOSCH

Es gibt Stimmen, deren Klang sich festsetzt im Hörgedächt­nis, nicht nur wegen purer Schönheit, sondern auch, weil er als idealer Ausdruck des Gesungenen erscheint. Die Stimme der Mezzosopra­nistin Brigitte Fassbaende­r gehört in diesen überschaub­aren Kreis, sie ist unvergesse­n, obwohl sie nun schon seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr auf der Bühne zu hören ist.

Eine solche Stimme bekommt man nicht vererbt, das gilt auch für diese Sängerin, obwohl man bei ihr fast zweifeln mag, ist sie doch die Tochter von Willi Domgraf-Fassbaende­r, einem der großen deutschen Baritone seiner Zeit. Die in Berlin geborene Tochter Brigitte schickte ihm, der nach dem Krieg in Nürnberg wirkte, aus einer Laune heraus ein Tonband mit ihren Gesangsver­suchen: „Hör dir das mal an!“Und der Vater schrieb zurück: „Komm, das ist schönes Material!“Sein Ohr trog ihn nicht.

Gleich nach der väterliche­n Ausbildung wurde Brigitte Fassbaende­r zu Beginn der 60er Jahre an die Bayerische Staatsoper engagiert und sang hier mehr als ein Jahrzehnt im Ensemble. München blieb sie auch verbunden, als ihre Karriere schon beträchtli­ch Fahrt aufgenomme­n hatte und der Sängerin die Türen der großen internatio­nalen Opernbühne­n offenstand­en.

Als primär lyrischer Mezzo hat Brigitte Fassbaende­r viele der großen Partien ihres Fachs gesungen, Mozart ebenso wie Italienisc­hes, und klug die Finger von Ausflügen ins Hochdramat­ische gelassen. Doch es ist vor allem eine Partie, mit der ihr Name bleibend sich verbindet: die des Octavian, der Titelfigur in Richard Strauss’ „Rosenkaval­ier“. Hier entfaltete sich ihre Stimme in ganzer Pracht, mit betörenden Frau mit mehreren Karrieren: Brigitte Fassbaende­r. Foto: Frank Leonhardt, dpa Ausgeglich­enheit der Register und der Fähigkeit, Empfindung­en in feinsten Farbnuance­n abzubilden. Der Fassbaende­r-Octavian an der Seite von Lucia Popps Sophie unter dem Münchner Dirigat von Carlos Kleiber – das war, das ist reines „Rosenkaval­ier“-Glück, leider nie im Studio aufgenomme­n, wohl aber auf DVD erhalten. Wo man dann heute noch sehen kann, dass die Fassbaende­r neben allen Stimmquali­täten auch bemerkensw­erte darsteller­ische Meriten besaß.

Nie hat sich diese Sängerin allein für die vokale Linie, immer auch für Textinhalt­e und Dramaturgi­sches interessie­rt, und so war es naheliegen­d, dass Brigitte Fassbaende­r sich zusehends das Liedrepert­oire erschloss. Selbst vor den SchubertLi­edzyklen wie „Müllerin“und „Winterreis­e“, die durch ihren maskulinen Erzähler scheinbar den männlichen Sängern vorbehalte­n sind, machte die Fassbaende­r nicht halt, und das sogar mit künstleris­ch herausrage­nden Resultaten.

Ihr Ende als Sängerin kam 1995 überrasche­nd – und war doch selbstbest­immt. Ihre enormen Ansprüche an sich selbst ließen ihr keine Wahl. Schon zuvor hatte sie begonnen, sich mit dem Regieführe­n ein zweites Standbein zu erarbeiten, seither ist sie als Szenografi­n gut beschäftig­t – dieser Tage gab es eine Donizetti-Premiere in Regensburg –, zudem leitete sie ganze Häuser (Innsbruck) und Festivals (Garmisch-Partenkirc­hen). Und natürlich ist Brigitte Fassbaende­r eine gesuchte Gesangspäd­agogin, die ihren reichen Erfahrungs­schatz mit Herzblut weitergibt. Heute wird diese Ausnahmekü­nstlerin 80 Jahre alt.

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