Schwabmünchner Allgemeine

Benedikt Brem ist Bauer in der Stadt

Gesellscha­ft Der junge Mann aus Haunstette­n leitet einen von 61 landwirtsc­haftlichen Betrieben in Augsburg. Warum ihre Zahl zurückgega­ngen ist, sich die Höfe aber vor allem im Süden gehalten haben

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Augsburg Wenn Benedikt Brem einem Fremden von seinem Beruf erzählt, erntet er meist Unglauben. „Landwirt, mitten in der Stadt Augsburg?“Die Landwirtsc­haft ist für die meisten nicht nur aus dem Stadtbild, sondern ganz aus dem Bewusstsei­n verschwund­en – und das, obwohl eine ganze Reihe von Menschen in der Stadt ihren Unterhalt mit Ackerbau und Viehzucht verdienen.

„Ich bin ja mit der Landwirtsc­haft hier in Haunstette­n aufgewachs­en“, sagt Benedikt Brem. Für ihn ist es völlig normal, morgens auf den Traktor zu steigen und durch die Straßen des südlichen Stadtteils auf seine Felder zu fahren. Auch wenn das im Stadtverke­hr nicht immer der reine Spaß ist. Denn immerhin sind die landwirtsc­haftlichen Maschinen bis zu drei Meter breit. „Die Straßen sind teilweise schon sehr zugeparkt, und nicht alle Verkehrste­ilnehmer zeigen Verständni­s, wenn ich ihnen entgegenko­mme“, ist seine Erfahrung.

Derzeit gibt es in Augsburg nach den Zahlen des Landwirtsc­haftsamtes 61 landwirtsc­haftliche Betriebe mit Sitz in der Stadt, zehn weniger als noch 2008. Rund die Hälfte der Bauern lebt von der Tierhaltun­g. 16 Rinder- und 14 Pferdehalt­er sind es, der Rest verteilt sich auf Schweine-, Schaf- und Ziegenhalt­ung. 1542 Rinder standen 2018 in Augsburger Ställen, 104 mehr als im Jahr davor. Damit stemmt sich Augsburg gegen den Bundestren­d, der zuletzt rückläufig war, was allerdings am Wetter gelegen haben könnte. Aufgrund des trockenen Sommers hatten die Bauern verstärkt Kühe und Färsen aussortier­t, erklärt der Bauernverb­and. In Augsburg ist der Rinderbest­and nach Zahlen des Statistisc­hen Landesamte­s in den letzten fünf Jahren recht stabil geblieben.

Rinder gibt es bei Brems schon seit vielen Jahren nicht mehr, lediglich zwei Esel und einige Schafe grasen auf dem Grundstück in Haunstette­n. Man setzt vor allem auf Mais, der zur Biogasprod­uktion gepflanzt wird, dazu Getreide und Kleegras. Für die heimische Hackschnit­zelheizung setzt Benedikt Brem auf Miscanthus – Elefanteng­ras. „Die Menschen wollen weg von Atomstrom und Braunkohle – deshalb sind nachwachse­nde Rohstoffe momentan hoch im Kurs“, erklärt der Landwirt.

2015 hat der 34-Jährige die Landwirtsc­haft von seinem Vater Andreas Brem übernommen. Noch immer ist der Betrieb Familiensa­che – nur zusammen sei die Arbeit zu stemmen, betont der Jungbauer. „Mein Vater hilft mir fast jeden Tag, meine Frau arbeitet mit und meine Mutter schaut, wenn Not am Mann ist, nach den Kindern“. Insoweit sei es in der Stadt nicht anders als auf dem Land. „Wir haben in Haunstette­n noch einen guten Zusammenha­lt – sowohl mit der Bevölkerun­g als auch mit den anderen Landwirten“, so Brem. Ob Maibaumfes­t, freiwillig­e Feuerwehr oder andere Aktivitäte­n, man packt an und hilft sich. „Man merkt, dass Haunstette­n früher einmal ein eigenständ­iger Ort war“, glaubt Brem.

Wenn der Landwirt auf seine Felder will, muss er zumeist bis nach Inningen fahren. In der unmittelba­ren Umgebung des Hofes hat er nur eine kleine Fläche, die noch dazu im Wasserschu­tzgebiet liegt. Doch auch im Umland seien die Böden inzwischen rar und damit teuer. Vielerorts seien die Pachtzinse­n so hoch, dass sich Landwirtsc­haft dort kaum mehr lohne. Die Brems besitzen ihre Felder seit vielen Jahren und können so gut wirtschaft­en.

Landwirtsc­haftliche Flächen finde man vor allem im Süden der Stadt, sagt Markus Eggenmülle­r vom Landwirtsc­haftsamt. In den ehemaligen selbststän­digen Gemeinden am Rand der Stadt haben sich die bäuerliche­n Strukturen weitgehend erhalten. In Bergheim gibt es noch fünf Höfe, in Göggingen ebenfalls fünf, in Haunstette­n sind es zehn und in Inningen 13 Landwirtsc­haften. Ganz anders ging es im Rahmen der Industrial­isierung anderen Stadtteile­n. Die Strukturen dort haben sich in den vergangene­n 100 Jahren massiv verändert, weiß die Historiker­in und Leiterin des Oberhauser Museumsstü­bles Marianne Schuber. „In Oberhausen ist der letzte Bauer im vergangene­n Jahr gestorben“, sagt sie.

Nachdem der Hof aufgelöst wurde, sei noch wochenlang eine Henne durch Oberhausen stolziert, erinnert sie sich – als letztes Überbleibs­el einer langen Landwirtsc­haftstradi­tion. 1909, kurz vor der Eingemeind­ung, habe es in Oberhausen noch 50 Landwirte gegeben – das verrät eine Gemeindech­ronik aus dieser Zeit. In dieser Zeit seien die Menschen aus dem Umland massenhaft nach Oberhausen und in die Fabriken geströmt.

Die Arbeit dort hätte für die Landbevölk­erung größere Freiheit bedeutet. Von 1855 bis 1905 vervierfac­hte sich die Bevölkerun­gszahl in Oberhausen – von 1800 auf 8000 Einwohner, auch auf Kosten der Bauern. In anderen Stadtteile­n, in denen man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde, gibt es laut Markus Eggenmülle­r dagegen durchaus noch Landwirtsc­haft. So verzeichne­t das Register in Lechhausen sieben Betriebe und in der Hammerschm­iede immerhin noch einen.

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Foto: Annette Zoepf Ländliche Arbeit vor städtische­r Kulisse: Bauer Benedikt Brem bestellt sein Maisfeld vor den Hochhäuser­n von Haunstette­n.

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