Wie es um die Debattenkultur steht
Gesellschaft Diskussionen arten immer öfter in Drohungen, Beleidigungen oder Beleidigtsein aus – vor allem im Internet. Woran das liegt und welche Konsequenzen Betroffene fordern
München Nicht erst seit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, vermutlich aus politischen Gründen, intensiviert sich die Diskussion um die Debattenkultur hierzulande. Im Fokus stehen dabei die sozialen Medien – Politiker, Prominente und Journalisten sind dort mit einer zunehmenden verbalen Radikalisierung konfrontiert. Wirkt sich diese problematisch auf den gesamten Diskurs aus? Wie kommt der Ton der Debatten in der Öffentlichkeit an? Diesen Fragen gingen bei einer Podiumsdiskussion im Landtag Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD), der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Christoph Maier, der Kolumnist Jan Fleischhauer, der ehemalige AfDFraktionsvorsitzende Markus Plenk und die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville nach. Gründe zu diskutieren, gab es zuletzt mehr als genug, zum Beispiel die Verächtlichmachung des Holocaust-Gedenkens im bayerischen Landtag durch die AfD. So entwickelte sich auch die Podiumsdiskussion rasch zu einem „Vier gegen die AfD“, lediglich Fleischhauer sprang der Partei ab und zu halbherzig bei. Dabei blieb der Tonfall stets ruhig.
Und wie geht nun eine gute Diskussion? „Mehr Fakten“würden schon einmal guttun, konstatierte die Wissenschaftlerin und Buchautorin Séville. Oppermann sagte, 2015 habe die Politik während der Flüchtlingskrise keine Debattenkultur gepflegt. Er riet dazu, Kompromisse zu suchen und nicht in Extreme zu verfallen.
Maier entgegnete: „Wir von der Alternative für Deutschland fühlen uns nicht verantwortlich für die zunehmend rohe Debattenkultur.“Seine Partei vertrete eine gewisse Minderheit in Deutschland, die lange Zeit ignoriert wurde – es brauche eben auch mal Polarisierungen und übertriebene Argumentation. „Weder sprechen wir uns vor den Sitzungen ab, welchen Skandal wir hervorrufen können“, erklärte Maier, „noch sind wir rassistisch oder antisemitisch.“Ganz anders sah das der ehemalige AfD-Politiker Plenk – laut ihm stellen radikale Vertreter innerhalb der bayerischen AfD mittlerweile die Mehrheit. „Ich konnte die Debattenkultur innerhalb der Partei nicht mehr ertragen.“Fleischhauer, der sich selbst als im „Erregungsgeschäft tätig“beschrieb, wies auf den Unterschied zwischen sich und AfD-Politikern hin: Während er in seinen Kolumnen originelle Beleidigungen verwende, habe die AfD einen gewissen Hang zur Primitivität. So wolle die Partei die Grenzen des Sagbaren erweitern.
Mit Ausnahme von Maier befürworteten alle Diskutanten schärfere Regulierungsmaßnahmen für soziale Medien, insbesondere Facebook. Eine Beleidigung oder Behauptung, die in der analogen Welt eine Straftat darstelle, müsse auch in der digitalen Welt Konsequenzen haben.