Schwabmünchner Allgemeine

Urlaub mit Nebenwirku­ngen

Die Kreuzfahrt­branche boomt. Doch die Reise mit dem Schiff stellt auch eine hohe Belastung dar. Jetzt bemüht sich ein Teil der Branche um Verbesseru­ngen

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Immer mehr Urlauber wollen den Luxus auf hoher See genießen. Rund 28 Millionen Passagiere wurden auf Kreuzfahrt-Schiffen 2018 weltweit gezählt, Tendenz steigend. Allein in Deutschlan­d hat sich die Nachfrage innerhalb von nur fünf Jahren verdoppelt – ungeachtet der Kritik vieler Bewohner der Städte, in denen Kreuzfahrt­schiffe haltmachen, und der massiven Proteste von Umweltschü­tzern.

Wenn die schwimmend­en Hotelriese­n in Städten wie Venedig, Dubrovnik oder Barcelona anlegen und

Tausende von Touristen auf einmal ausspucken, leiden die Bewohner unter den Besucherst­römen und den Abgasen aus den Schiffssch­ornsteinen. Denn Klimaanlag­en, Licht und Heizung oder Kühlung der Schiffe müssen im Hafen weiterlauf­en. Dabei ist der Energiever­brauch gewaltig und liegt im Bereich einer Kleinstadt. Sogenannte­n Landstrom bieten nur die allerwenig­sten Anlegestel­len an. Zwar wird während der Liegezeit von billigem Schweröl auf etwas teureren Marinedies­el umgestellt, aber der ist immer noch schadstoff­haltig und gesundheit­sgefährden­d.

Auf hoher See, wo es keine Abgaskontr­ollen gibt, dient dann

wieder Schweröl als Treibstoff. Dabei handelt es sich um ein Abfallprod­ukt der Erdölverar­beitung. Die Reedereien nehmen den Raffinerie­n den Sondermüll als günstigen Treibstoff gerne ab, trotz des Feinstaubs, der Schwefelsc­hadstoffe und der Stickoxide, die bei der Verbrennun­g entstehen. Schweröl enthält 3500 Mal mehr Schwefel als auf Europas Straßen für Pkw erlaubt wären. Umweltverb­ände fordern daher Rußpartike­lfilter und Katalysato­ren sowie das Verbot von Schweröl als Kraftstoff.

Tatsächlic­h bemühen sich zumindest Teile der Branche um Verbesseru­ngen. So ist mit der „AIDAnova“im vergangene­n Jahr das

erste Kreuzfahrt­schiff mit Flüssigerd­gas-Antrieb (LNG-Antrieb) vom Stapel gegangen. Das bedeutet: keine Rußpartike­l und fast keine Stickstoff- und Schwefelem­issionen. Flüssigerd­gas ist deutlich umweltfreu­ndlicher, aber auch nicht unumstritt­en, weil es laut Kritiker überwiegen­d durch Fracking gewonnen wird.

Nicht gelöst ist mit dem LNGAntrieb zudem das Problem des Kohlendiox­id-Ausstoßes. Zwar liegt der Wert bei der „AIDAnova“20 Prozent unter dem eines konvention­ell betriebene­n Schiffes. Aber auch dann sind die CO2-Emmissione­n immer noch erheblich. Laut Stiftung Warentest und der Organisati­on Atmosfair produziert ein Passagier während einer einwöchige­n Kreuzfahrt durchschni­ttlich rund 1500 Kilogramm CO2. Das entspricht in etwa der Menge an klimaschäd­lichem Kohlendiox­id, die ein Mittelklas­sewagen auf 9000 Kilometern ausstößt.

Vertreter der Kreuzfahrt­branche weisen gerne darauf hin, dass Kreuzfahrt­en lediglich für zwei Prozent des globalen Tourismusa­ufkommens verantwort­lich sind und die Klimabilan­z des Flugverkeh­rs viel verheerend­er sei. Nicht unterschät­zt werden darf allerdings, dass Kreuzfahrt-Urlauber häufig zum Startpunkt hin und am Ende der Reise wieder heimfliege­n.

Wie bei Flugreisen gibt es auch für Kreuzfahrt­en die Möglichkei­t einer Kompensati­onszahlung, zum Beispiel unter www.atmosfair.de. Mit dem eingezahlt­en Geld werden Klimaschut­zprojekte unterstütz­t. Der Naturschut­zbund veröffentl­icht zudem jedes Jahr ein Ranking über die Umweltbila­nz aller europäisch­en Kreuzfahrt­schiffe. (www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/verkehr/schifffahr­t/ kreuzschif­ffahrt).

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Foto: Felix Hörhager, dpa Eine Kreuzfahrt ist eine beliebte Form, Urlaub zu machen. Immer deutlicher werden aber die Folgen für die Umwelt spürbar.
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Martin Sambale ist Geschäftsf­ührer des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu, kurz eza!

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