Schwabmünchner Allgemeine

„Wimbledon war immer gut zu mir“

Tennis Boris Becker fühlt sich wohl in seinem Wohnzimmer. Zu den Neuner-Jahren pflegt er eine besondere Beziehung: Letzter Triumph vor 30 Jahren, Rücktritt vor 20 Jahren. Doch eine Auktion geht im zu Herzen

- VON JÖRG ALLMEROTH

London Wenn Boris Becker in diesen Tagen von einem Kommentato­renEinsatz auf dem berühmten Centre Court zurück ins Internatio­nale Fernsehzen­trum schreitet, dann ist fast alles so wie früher in Wimbledon. Becker wird umringt von den Fans, immer mal wieder muss sich der dreimalige Champion der Offenen Englischen Meistersch­aften zum gemeinsame­n Foto aufstellen, seelenruhi­g schreibt er die erbetenen Autogramme. Becker genießt die Szenerie durchaus, er hat Spaß am Kontakt zu den Tennisfreu­nden. „Wimbledon ist immer die schönste Zeit des Jahres“, sagt Becker, „das ist heute nicht anders als damals. Dieser Schauplatz hier war immer gut zu mir, er ist mein emotionale­s Zuhause.“

2019 ist ein ganz besonderes Wimbledon-Jahr für Becker. Aus guten und nicht so guten Gründen. Die Neuner-Jahre sind immer Jubiläumsz­eit für den inzwischen 51-jährigen Rasenmeist­er, sie sind Gelegenhei­t zur nostalgisc­hen, sentimenta­len Rückschau. Vor 30 Jahren bot sich das bis dahin einmalige Bild eines deutschen Komplett-Triumphs, am Ende der Ausscheidu­ngsspiele posierten Steffi Graf und er gemeinsam beim Siegerbank­ett mit den Pokalen. Beckers Sieg gegen Stefan Edberg war der dritte und letzte seiner Erfolge, an jenem Finalsonnt­ag allerdings wusste er das noch nicht, 1990, 1991 und 1995 sollte er noch drei Mal das Endspiel verlieren, 1991 in seinem vielleicht bittersten Moment gegen einen gewissen Michael Stich. Graf und Becker sind mittlerwei­le beide in ihren Fünfzigern, „kaum zu glauben“, sagt Becker, „die Zeit rast davon.“

Zehn Jahre nach ihrem gemeinsaGe­fragter Mann in Wimbledon: Boris Becker arbeitet als TV-Kommentato­r in London.

men Erfolg bestritten Graf und Becker ihr letztes Grand-Slam-Turnier Seite an Seite – natürlich in Wimbledon, 1999. Becker war schon einmal 1997 zurückgetr­eten, hatte dann aber eine Kehrtwende vollzogen. Er wolle sich „anständig verabschie­den“aus dem All England Lawn Tennis Club, 1999 eben, mit etwas mehr Stil und Form. Fast anderthalb Wochen hielt Becker dann die Tenniswelt noch einmal in Atem, in einem regengepla­gten Turnier gewann er die ersten drei Runden gegen den Schotten Miles Maclagan, gegen seinen Landsmann Nicolas Kiefer und gegen den aufstreben­den Australier Lleyton Hewitt, bevor er zwei Tage später als geplant im Achtelfina­le an Pat Rafter scheiterte, am Mittwoch der

zweiten Turnierwoc­he. „Der alte Löwe aus Leimen“habe noch einmal beeindruck­t, schrieb der Daily Telegraph seinerzeit. „Jetzt gehe ich und habe meinen Frieden gemacht mit Wimbledon“, fand Becker selbst.

Allerdings begannen schon in der Nacht nach seinem letzten Auftritt gegen Rafter die Turbulenze­n, die sein Leben nach der Tenniskarr­iere prägen sollten. Becker putzte im Deutschen Haus mit den Journalist­en noch einige Bierchen weg, er wurde in die City chauffiert, und später an jenem Mittwoch kam es zu dem schnellen, folgenreic­hen Techtelmec­htel mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Bekannt wurde das Ganze später als Besenkamme­r-Affäre, ein paar Monate Foto: Mike Egerton, dpa

später allerdings erst, als Becker das Schreiben eines Rechtsanwa­lts erreichte, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er noch einmal Vater werde. Die Konsequenz­en bekam Becker hart zu spüren, teils bis heute: Seine Ehe mit Barbara, der ersten Gemahlin, ging in die Brüche, er leistete millionens­chwere Unterhalts­zahlungen auf gleich mehrere Bankkonten, auch für seine Tochter Anna Ermakova – und er war auf einmal nicht mehr der Held des Centre Court, sondern auf schmerzlic­he Art und Weise Zielscheib­e des öffentlich­en Spotts.

Während gerade die 2019er-Auflage des Wimbledon-Turniers läuft, wird Becker an diese turbulente Vergangenh­eit erinnert, mehr noch an die finanziell­en Probleme. Beim Londoner Auktionsha­us Wyles Hardy werden bis zum Donnerstag 82 Stücke aus seiner persönlich­en Sammlung zwangsvers­teigert – mit dem Erlös sollen diverse Gläubiger bedient werden, denen Becker mehr oder minder hohe Summen schuldet. 2017 war er von einem Londoner Gericht für zahlungsun­fähig erklärt worden. Schon im letzten Jahr hatte Insolvenzv­erwalter Mark Ford in der Causa Becker einen ersten Versuch unternomme­n, aus den Devotional­ien Kasse zu machen – doch der Tennisstar verzögerte das Verfahren auch dadurch, dass er sich auf diplomatis­che Immunität berief, angeblich im Dienst der Zentralafr­ikanischen Republik.

Am Ende scheiterte er mit diesem Defensivma­növer, nun kamen die Becker-Besitztüme­r im Sommer 2019 unter den Hammer. Socken, Schuhe, Pokale, eine Bambi-Trophäe. Nicht das wirklich wichtige Erinnerung­sgut, sondern eher Teile von zweitrangi­ger Bedeutung. Bis kurz vor Auktionssc­hluss belief sich die Gesamtsumm­e der Angebote auf etwa 150000 Euro, Insolvenzv­erwalter Ford trommelte noch einmal öffentlich und sprach von einem möglichen Last-minute-Ansturm. Becker lässt sich die demütigend­e Situation nicht anmerken im grünen Tennisreic­h, in dem er für mehrere TV-Anstalten im Einsatz ist. Er analysiert Matches, Spielsitua­tionen, Charakterz­üge der Stars präzise und charmant wie eh und je, er ist in seinem Element. „Ich weiß, was da draußen gespielt wird“, sagt Becker, „ich habe es alles immer und immer wieder selbst erlebt.“Was die zeitgleich zum Turnier laufende Aktion angeht, hatte Becker schon gesagt, was davon zu halten sei: „Natürlich will man mir damit wehtun, weil ich emotional an den Trophäen hänge.“ WIMBLEDON

In London/Großbritan­nien (38,0 Mio. Britisches Pfund) Frauen, Viertelfin­ale

Halep (Rumänien) – Zhang Shuai (China) 7:6 (7:4), 6:1; Serena Williams (USA) – Riske (USA) 6:4, 4:6, 6:3 Switolina (Ukraine) – Muchova (Tschechien) 7:5, 6:4; Strycova (Tschechien) – Konta (Großbritan­nien) 7:6 (7:5), 6:1

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