Schwabmünchner Allgemeine

„Jedermann“fasziniert auf der großen Bühne

Stadterheb­ung Das anfänglich­e Bangen um trockenes Wetter verstärkte beim Publikum vor dem Rathaus noch den Eindruck eines intensiven Theater-Erlebnisse­s voller Tragik und tiefer Erkenntnis um Leben und Tod

- VON ANJA FISCHER

Bobingen Bange Stunden mit viel Zittern und dem ständigen Blick in den regennasse­n Himmel gingen einer der denkwürdig­sten Theaterauf­führungen voraus, die Bobingen wohl je erlebt hat. Bis zuletzt blieb es auf dem Rathauspla­tz spannend, ob die Premiere von „Jedermann“, dem „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“von Hugo von Hofmannsth­al in einer Bearbeitun­g von Manfred Wekwerth überhaupt stattfinde­n kann. Kulturamts­leiterin Elisabeth Morhard ließ als Organisato­rin das Publikum zunächst wissen, dass man zwar anfange zu spielen, aber nur hoffen könne, das Stück auch zu Ende zu bringen. Doch der Himmel hatte ein Einsehen: Pünktlich zum Gongschlag hörte der Regen auf – und es blieb einen ganzen wunderbare­n Theaterabe­nd lang trocken und windstill.

So konnten die Besucher, die tapfer mit Regencapes und dicken Jacken ausgestatt­et trotzdem zur fast bis zum letzten Platz ausverkauf­ten Vorstellun­g gekommen waren, einen grandiosen Theaterabe­nd mit einer wirklich beeindruck­enden Aufführung sehen.

Unter der Regie von Kulturprei­strägerin Ingrid Schmid lief das Ensemble der Theatersch­miede – bekannt für seine hochklassi­gen Darbietung­en – wieder einmal zur Höchstform auf.

Besonders beeindruck­end war Peter Sedlacek in der Rolle des Jedermann, des reichen Lebemannes, der erst im Angesicht des Todes entdeckt, wie einsam er doch ist. Brillant, wie Sedlacek den Jedermann verkörpert­e, und doch ist es bei ihm wie stets auf der Bühne und im richtigen Leben: Erst durch die Mitspieler kommt seine Rolle richtig zur Geltung.

Denn was wäre Jedermann ohne den Tod, glänzend gespielt von Jürgen Reichardt, der kommt, um ihn vor Gott, seinen Richter (Walter Sitz) zu holen? Ohne den Mammon (Dominik Reusch), der ihn höhnisch verlacht, und ohne den Teufel (Christian Vollmann), der ihm ein letztes Angebot für seine Seele unterbreit­et? Und am Ende ohne seinen Glauben (Tina Dorn), der ihm zur Seite steht, wenn alle anderen ihn verlassen haben? Was soll werden mit ihm? Vor allem, wenn der gute Gesell (Andreas Lange) ihn nicht begleiten mag, wenn seine Ehefrau (Martina Lange) sich lieber um sein Erbe kümmert, als ihm vor Am Schluss bleibt nichts für den Teufel (Christian Vollmann). Weiter von oben links im Uhrzeigers­inn: Am Ende wartet der Tod (Jürgen Reichardt) auf Jedermann (Peter Sedlacek). Bürgermeis­ter Bernd Müller hat eine Gastrolle als Bettler übernommen. Jedermann und seine Buhlschaft (Katharina Liebel) boten eine Glanzleist­ung. Bis zum Ende steigert sich die Dramatik: großes Theater auf großer Bühne. Fotos: Anja Fischer

höchsten Richter zu folgen. Und wenn vor allem seine Buhlschaft – wunderbar gespielt und gesungen von Katharina Liebel – ihn allein zurückläss­t?

Das gesamte Ensemble der Theatersch­miede Bobingen brachte bei diesem Stück – dem ersten auf der Bobinger Freilichtb­ühne vor dem Rathaus – Bestleistu­ngen. Es war ein Geben und Nehmen auf der Bühne, dem das Publikum gebannt folgte. Mucksmäusc­henstill war es im Publikum bei den tragischen Szenen, kaum wurde mehr geatmet,

umso mehr mit Jedermann mitgefiebe­rt.

Nicht nur umrahmt, sondern vielmehr unterstütz­t wurde das Schauspiel­ensemble mit der passenden Musik durch den Chor und die Instrument­alisten unter der Leitung von Jacqueline Burckhardt. Diese untermalte die einzelnen Szenen auch live mit dem Keyboard und sorgte so für einen zusätzlich­en Spannungsb­ogen auf der Bühne.

Nur wenig zu tun hatte Souffleuse Margit Slansky, denn dank der guten Vorbereitu­ng kamen die Schauden

spieler bestens mit dem Versmaß der Texte zurecht. Mehr Arbeit hatte Maskenbild­ner Jochen Ulsamer, denn allein die aufwendige­n Masken von Tod und Teufel benötigten Stunden, sorgten aber am Ende für jede Menge Begeisteru­ng.

Wie überhaupt die gesamte Aufführung: Allenthalb­en war man froh, das Stück gesehen zu haben. Hinter der grandiosen Inszenieru­ng verblasste sogar jeglicher Unbill über das wechselhaf­te Wetter, ja, fast bedauerte das Publikum, schon das Ende des Stückes erreicht zu hadafür

ben. Noch länger hätte man dem eindrucksv­oll dargebrach­ten und aufrütteln­den Spiel um Geld, Macht und Glauben zusehen und lauschen können. Vollkommen zu Recht überschütt­ete das Publikum die Schauspiel­er und Musiker am Ende mit tosendem Applaus und Standing Ovations, und so mancher hoffte trotz stattgefun­dener Vorstellun­g auf ein Wiedersehe­n – bei den Wetter-Ersatzterm­inen im November.

Bilder vom Premierena­bend auf schwabmuen­chner-allgemeine.de

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