Schwabmünchner Allgemeine

Tierschutz muss endlich effektiver kontrollie­rt werden

Nach den massiven Vorwürfen gegen einen Milchviehb­etrieb im Unterallgä­u zeigt sich, dass die Behörden mehr Personal und andere Strukturen brauchen

- VON SONJA DÜRR sok@augsburger-allgemeine.de

Eine Woche ist vergangen, seit die Aufnahmen aus einem Bad Grönenbach­er Milchviehb­etrieb öffentlich wurden. Aufnahmen, die Entsetzen ausgelöst haben. Dass dort allem Anschein nach Tiere getreten und gequält, Kühe mit dem Traktor kopfüber durch den Stall geschleift wurden, verletzte Tiere ohne Wasser und medizinisc­he Versorgung ausharren mussten, ist nicht nur unerträgli­ch. Dieses Verhalten ist kriminell. Dafür wird sich der Landwirt hoffentlic­h verantwort­en müssen.

Aber ebenso unerträgli­ch ist es, wenn in diesen Tagen ein Berufsstan­d unter Generalver­dacht gestellt wird. Genau das tut die Soko Tierschutz, wenn sie nun behauptet: „Milch ist untrennbar mit Leid von Tieren verbunden.“Um es klar zu sagen: Tierquäler­ei wie in diesem Fall ist kein Branchenpr­oblem.

Der allergrößt­e Teil der Milchviehb­etriebe legt Wert darauf, dass es den Kühen gut geht. Alles andere ist ja Irrsinn: Denn gesunde Tiere und die Milch, die sie geben, sind das Kapital der Milchviehh­alter.

Trotzdem bleiben Fragen: Warum musste der Fall durch Aktivisten ins Rollen gebracht werden? Warum konnten die Behörden die Tierquäler­ei nicht feststelle­n? Wie es sein kann, dass auf diesem Betrieb in den letzten fünf Jahren 34 Mal die Amtsveteri­näre zu Kontrollen anrückten und kein Hinweis auf Tierquäler­ei in dieser Dimension gefunden haben? Wie kann es sein, dass der Betreuungs­tierarzt, der auf dem Hof ein- und ausgeht, solche Missstände nicht meldet?

Es führt kein Weg daran vorbei, dass in der Folge dieses Skandals die Arbeit der Amtsveteri­näre reformiert wird. Seit Jahren ist klar, dass die Abteilunge­n in den Landratsäm­tern völlig unterbeset­zt sind, dass es endlich mehr Personal braucht. In Bayern bekommen Tierhalter – statistisc­h gesehen – alle 48 Jahre Besuch vom Amtsveteri­när, so selten wie nirgends sonst in Deutschlan­d. In der Praxis heißt das, dass die Veterinäre in Sachen Tierschutz nur tätig werden, wenn es konkrete Hinweise gibt.

Die Überwachun­g des Tierschutz­es aber darf nicht am Geld kranken. Zudem braucht es zielgerich­tetere Kontrollen. Denn was bringt es, wenn Veterinäre prüfen, ob ein Traktor Öl verliert oder ob Kühe eine oder zwei Ohrmarken tragen – und kaum Zeit für die Überwachun­g des Tierschutz­es bleibt? Letztlich wäre es sinnvoll, dass bei Höfen in einer Größenordn­ung wie in Bad Grönenbach schlagkräf­tige, übergeordn­ete Einheiten die Kontrollen übernehmen.

Der Großbetrie­b mit 1800 Kühen, mehreren Hofstellen, Lohnarbeit­skräften – das ist jene Form der Massentier­haltung, die vielen Verbrauche­rn Angst macht. Diese Betriebe hat letztlich auch die Förderpoli­tik der EU begünstigt. Denn nach wie vor gilt: Je größer der Betrieb, desto mehr Subvention­en. Und je mehr kleine Höfe aufhören, desto größer werden die Großen.

Nun sagt die Zahl allein noch nichts darüber aus, wie gut es Tieren geht, auch nichts darüber, ob Tierschutz­vorgaben eingehalte­n werden. Denn es gibt auch kleine Ställe, in denen die Zustände miserabel sind. Doch bei 1800 Kühen darf man bezweifeln, dass genug Zeit bleibt, sich um die Gesundheit aller Tiere zu kümmern, und dass das einzelne Tier noch einen Stellenwer­t hat – als Lebewesen und nicht als Ware.

Wer im Supermarkt Milch kauft, weiß von alledem nichts. Er kann letztlich auch wenig tun. Eine verpflicht­ende Tierwohlke­nnzeichnun­g, wie sie Agrarminis­terin Julia Klöckner ablehnt, wäre eine Chance, höhere Tierwohlst­andards in den Ställen durchzuset­zen. Gegen Tierquäler und ihre kriminelle Energie aber hilft das alles nicht. Umso wichtiger ist es, dass Verstöße wie in Bad Grönenbach öffentlich gemacht werden.

Es sind Großbetrie­be wie diese, die vielen Angst machen

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Zeichnung: Mohr Rückhalt
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