Schwabmünchner Allgemeine

Die Bucht der namenlosen Toten

Reportage Während Europa über Seenotrett­ung streitet, sorgen sich die Tunesier, wer die vielen angespülte­n Leichen beerdigt

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Djerba Worüber redet man, wenn man drei Tage an einer Holzplanke im Mittelmeer treibt? „Jedenfalls nicht über die Fußballkar­riere“, sagt Mamadou und grinst zum ersten Mal seit einer Stunde. „Du sprichst über alles Mögliche, versuchst, dich gegenseiti­g wach zu halten, denn wenn du loslässt, dann bist du tot.“Dann versinkt der 16-Jährige wieder in seiner Gedankenwe­lt, blickt zu Boden, knibbelt nervös an den zitternden Fingern. Vielleicht denkt er an sein Idol, Lionel Messi. Vielleicht an das, was er die vergangene­n Wochen erlebt hat.

Zusammen mit 85 anderen setzt sich Mamadou, der schüchtern­e Junge aus Mali, an einem Strand der libyschen Hafenstadt Suara morgens um fünf Uhr in ein Gummiboot und macht sich auf in Richtung Europa. Er will Fußballpro­fi werden. Sieben Stunden später ist das Boot in Richtung Tunesien abgetriebe­n, befindet sich ein paar Seemeilen vor der Küste. Wellen schlagen ins Boot, Panik bricht aus, das Boot kippt um. Mamadou hockt auf dem Boden des Gummiboote­s, das mit einer Holzplanke verstärkt ist. Er hält sich daran fest, als er ins Wasser fällt, zuhätten sammen mit sechs anderen. Während um ihn herum mit jeder neuen Welle jemand der 86 Migranten verschwind­et, hält er sich fest, drei Tage lang, bis sie von einem tunesische­n Fischerboo­t gefunden werden. Da sind sie nur noch zu viert und einer von ihnen wird noch im Krankenhau­s sterben.

Ein paar Tage nach dem Unglück werden die ersten Leichen an den Strand gespült. 16 Tote finden die Helfer auf Djerba, der beliebten Ferieninse­l, wo in dieser Saison der Tourismus endlich wieder anzog. „Dass die Leichen bis nach Djerba kommen, ist selten“, sagt Mongi Slim. „Normalerwe­ise werden sie hier angespült.“Seit 25 Jahren arbeitet der Arzt als Freiwillig­er beim Roten Halbmond hier in Zarzis. Der kleine Ort liegt im Süden Tunesiens, zwischen der libyschen Grenze und Djerba, der Insel, auf die schon Odysseus bei seiner Irrfahrt durchs Mittelmeer getrieben wurde.

Ein fünf Kilometer langer Damm verbindet die Insel mit dem Festland. „Seit im April in Libyen wieder heftig gekämpft wird, machen sich immer mehr Leute auf den Weg“, sagt Mongi Slim. „Diese 83 gerettet werden können, wenn nur Rettungsbo­ote unterwegs gewesen wären.“Aber seit Italien und viele andere europäisch­e Staaten ihre Häfen für Helfer dichtgemac­ht haben, sind kaum noch zivile Rettungsbo­ote vor der libyschen Küste unterwegs.

Zwar gehen die Gesamtzahl­en der Flüchtling­e zurück, aber für die, die die illegale Überfahrt auf sich nehmen, wird sie immer gefährlich­er. Nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration sind in diesem Jahr schon 682 Menschen im Mittelmeer ertrunken. „Und das sind nur die offizielle­n Zahlen“, sagt Slim. Während in Europa über die Verteilung der Migranten und die Abschottun­g der Grenzen diskutiert wird, streiten die Kommunen in Tunesien darüber, wer die Toten beerdigen muss. Am Wochenende gaben mehrere südtunesis­che Kommunen Eine Plastikblu­me schmückt ein frisches Grab: Mamadou Kamarra (links) und Ousmane Koulibali haben überlebt, 82 andere im Boot starben. Foto: Simon Kremer, dpa

die Hälfte der bestehende­n Kliniken dichtgemac­ht.“Auch in Deutschlan­d werde man um Schließung­en letztlich nicht herumkomme­n. „Wenn eine Klinik zumachen soll, dann ist der Aufschrei in der Bevölkerun­g groß. Gleichzeit­ig zeigen Studien aber: Bei einer ernsten Erkrankung nehmen viele Patienten längere Wege in größere und leistungsf­ähige Krankenhäu­ser gerne in Kauf.“Kritik übt Wasem an der Rolle der Bundesländ­er. Es sei ein großes Problem, dass die „zuständige­n Länder notwendige Reformen seit Jahren“blockierte­n. Eine Änderung sei „leider nicht in Sicht“.

Um unpopuläre Schließung­en zu vermeiden, aber dennoch zu sparen und die medizinisc­he Qualität zu sichern, setzen viele Regionen auf Fusionen. So wie im Allgäu: Dort laufen Gespräche zwischen den Oberallgäu­er, Unterallgä­uer und Kemptener Kliniken über die Schaffung eines Allgäuer Klinik-Verbundes. Für Wasem ein sinnvoller Ansatz.

Kritisch sieht der Fachmann für Medizinman­agement einen öffentlich weniger beachteten Punkt der Bertelsman­n-Studie. Dort heißt es, dass deutschlan­dweit vier Millionen Fälle ambulant statt in Krankenhäu­sern behandelt werden könnten. „Das würde das System natürlich entlasten. Aber ich glaube, dass die Zahl viel zu hoch gegriffen ist. Das sind meine Kollegen zu optimistis­ch.“(mit hip, jsto) bekannt, die meist entstellte­n Leichen nicht annehmen zu wollen. Der Tod, der hier an den Strand gespült wird, ist nicht still und friedlich, sondern abscheulic­h.

Vor zwei Monaten hat der Rote Halbmond ein eigenes Stück Land südlich von Zarzis gekauft, wo die Toten begraben werden sollen. Momentan begraben sie die meisten Ertrunkene­n auf einem Stück Acker, den sie von der Kommune bekommen haben. Der Ort sieht mehr aus wie eine Müllkippe. Der hart getrocknet­e Sand knirscht unter den Sandalen von Mamadou und seinem Kumpel Ousmane Koulibali. Auch der 20-Jährige hat das Unglück überlebt. Sie gehen zum „Friedhof der Unbekannte­n“, der nur ein paar hundert Meter vom Flüchtling­szentrum des Roten Halbmonds entfernt liegt. Mamadou und Ousmane werden noch stiller als ohnehin schon. Hier liegt ein Teil der Menschen, die vor einer Woche mit ihnen in das wackelige Gummiboot Richtung Europa gestiegen ist. Die letzte Ruhestätte ertrunkene­r Träume. Ousmane will etwas sagen. Er schafft es nicht, dreht sich um und geht.

Simon Kremer, dpa Hat US-Präsident Trump rassistisc­he Überzeugun­gen? Foto: A. Brandon, dpa

Omar, die im vorigen Herbst in das Repräsenta­ntenhaus gewählt wurden und sich „The Squad“(„Das Team“) nennen. Mit scharfer Kritik an seiner Person und der Forderung nach einem Amtsentheb­ungsverfah­ren haben die Parlamenta­rier Trump immer wieder geärgert.

Die Empörung von demokratis­cher Seite war ebenso massiv wie einhellig. Der Präsident wolle die Nation spalten, kritisiert­e Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses: „Sein Ziel ist es, Amerika wieder weiß zu machen.“Chris Murphy, Senator von Connecticu­t, brachte die von Trump verwendete­n Ressentime­nts schonungsl­os auf den Punkt: „Er spricht gar nicht über im Ausland geborene Mitglieder des Kongresses“, sagte der Demokrat. „Er sagt, dass du kein echter Amerikaner bist, wenn du schwarz bist oder ein Latino, ganz egal, wo du geboren wurdest.“Murphy urteilte: „Das ist nackter, ekelhafter Rassismus.“

Tatsächlic­h wurden drei der vier Parlamenta­rierinnen in den USA geboren. Die schwarze Ayanna Pressley stammt aus Cincinnati. Die Muslimin Rashida Tlaib hat palästinen­sische Vorfahren und wurde in Detroit geboren. Die Familie von Alexandria Ocasio-Cortez stammt aus Puerto Rico, das zu den USA gehört, und wurde in New York geboren. Alleine Ilhan Omar wurde außerhalb des Landes in Somalia geboren, floh mit ihren Eltern vor dem Krieg und erlangte als 17-jährige die US-Staatsbürg­erschaft.

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