Schwabmünchner Allgemeine

Ministerin versucht Ulm mit Millionen zu trösten

Technologi­e Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek besucht Ulm und bleibt aus Sicht vieler Akteure Erklärunge­n schuldig, warum die Forschungs­fabrik nach Münster kommt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Die Enttäuschu­ng in Ulm sitzt immer noch tief. Nicht der von vielen Experten favorisier­te Standort auf dem Eselsberg, sondern Münster bekam vor über 14 Tagen den Zuschlag vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung für eine 500 Millionen Euro schwere Förderung einer Batteriefo­rschungsfa­brik. Nun besuchte Ministerin Anja Karliczek (CDU) auf Einladung der Ulmer Bundestags­abgeordnet­en Ronja Kemmer (CDU) verschiede­ne Teilbereic­he der Ulmer Batteriefo­rschung. Und hinterließ erneut enttäuscht­e Gesichter.

„Wir sind in der Wissenscha­ftswelt völlige Transparen­z gewohnt“, sagte Universitä­tspräsiden­t Professor Michael Weber. Und die gebe es nach wie vor nicht bei der Entscheidu­ng über die Forschungs­fabrik. „Viele Fragen bleiben offen“, kommentier­te auch Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch. Zuvor hatte Karliczek versucht zu erläutern, warum ausgerechn­et Münster den Zuschlag bekam. Eine Gründungsk­ommission sei eingesetzt worden, um aus den sechs Kandidaten einer geschlosse­nen Ausschreib­ung – Ulm, Augsburg, Münster, Salzgitter, Dresden und Itzehoe – den besten Kandidaten auszuwähle­n. Eine Gründungsk­ommission mit Vertretern der Industrie hätte ursprüngli­ch eine Rangliste erstellen sollen. Doch dieses Vorhaben sei verworfen worden. Die Kommission habe sich dafür ausgesproc­hen, mehrere Standort „zusammenzu­binden“. In der Gesamtabwä­gung habe Münster das beste Konzept gehabt. Details nannte die aus der Nähe von Münster stammende Politikeri­n nicht.

„Eine merkwürdig­e Entscheidu­ng“kommentier­te Professor Werner Tillmetz, der 14 Jahre als Vorstandsm­itglied und Leiter des Geschäftsb­ereichs Elektroche­mi

sche Energietec­hnologien am Zentrum für Sonnenener­gie- und Wasserstof­f-Forschung (ZSW) in Ulm war. Denn vieles, was in Münster noch gebaut werden müsse, sei in

Ulm bereits vorhanden. Der Standort Deutschlan­d verliere dadurch in einem Zukunftsse­gment, in dem es auf Monate und nicht Jahre ankomme. „Die Entscheidu­ng für Münster ist eine Entscheidu­ng gegen die Schnelligk­eit“, sagte auch die Leiterin der ZSW-Batteriefo­rschung, Margret Wohlfahrt-Mehrens. Eine Forschungs­plattform für die industriel­le Produktion von großen Lithium-Ionen-Zellen ist bereits seit fünf Jahren in Betrieb und sei einzigarti­g in Europa.

Ulms Stadtoberh­aupt will nun in Zusammenar­beit mit der Industrieu­nd Handelskam­mer in Ulm die Kräfte bündeln und in Eigenregie das Thema Entwicklun­g von hochleistu­ngsfähigen und umweltfreu­ndlichen Energiespe­ichern der Zukunft fördern. Denn letztlich gehe es um die Zukunftsfä­higkeit der deutschen Industrie und viele Arbeitsplä­tze. Ein entspreche­ndes Gebäude, das für die Forschungs­fabrik vorgesehen war, gebe es ja schon. Ministerin Karliczek sagte Ulm eine weitere Unterstütz­ung in Form eines „mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrags“zu.

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Die Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (links) mit der Leiterin der ZSWBatteri­eforschung Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens. Foto: Alexander Kaya

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