Was uns die Mythen sagen wollen
Salzburg Beim Musiktheater dominieren Stoffe aus dem antiken Themenkreis, das Schauspiel hält’s dagegen mit klassischer Moderne
Ein ausdrückliches Motto für sein Festival möchte Markus Hinterhäuser zwar nicht ausgeben. An einem „thematischen Anker“für sein Programm aber ist dem Intendanten der Salzburger Festspiele aber doch gelegen. Blickt man ins Programmheft dieses Sommers, ist das gedankliche Halteseil des vom 20. Juli bis zum 31. August dauernden Festivals unschwer auszumachen: Es sind die Mythen der Antike und ihre anhaltende Relevanz.
Was die Königssparte der Salzburger Festspiele, die Oper, betrifft, so entstammen mit Ausnahme von Verdis „Simon Boccanegra“– Valery Gergiev dirigiert, Regie führt Andreas Kriegenburg – sämtliche szenische Produktionen dem griechisch-antiken Themenkreis. Den Auftakt macht „Idomeneo“, Mozarts große Oper über den in einen Schwurkonflikt geratenden Kreterkönig. Wie schon vor zwei Jahren beim Mozart’schen „Titus“liegt die Inszenierung auch diesmal in den Händen von Peter Sellars, von dem man auch erneut eine Verknüpfung des mythischen Stoffs mit zeitgenössischen Themen erwarten darf. Und wie 2017 ist der Dirigent auch diesmal Teodor Currentzis – vielleicht der aktuell spannendste Mozart-Interpret überhaupt, der heuer aber nicht sein russisches Orchester MusicAeterna leitet, sondern das Freiburger Barockorchester.
Luigi Cherubinis „Médée“, die Geschichte der Frau, die, von Jason enttäuscht, die gemeinsamen Kinder tötet, war eine der Paraderollen von Maria Callas. In Salzburg sollte die Partie zunächst Sonya Yoncheva übernehmen, nach deren Absage singt nun Elena Stikhina. Noch weit weniger häufig als Cherubinis Werk taucht George Enescus „Oedipe“auf den Opernbühnen auf. Da hier der Moderne-Spezialist Ingo Metzmacher am Pult steht und als Regisseur Achim Freyer verpflichtet wurde, liegen die Erwartungen hoch. Das gilt auch für Barry Kosky, bekannt dafür, Operetten gegen den Strich zu bürsten: Er wurde für die Szenengestaltung von Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“verpflichtet.
Auffällig, dass sich von der Antiken-Spiegelung des Musiktheaters die Schauspielsparte völlig ausnimmt. Stattdessen liegt der Schwerpunkt hier auf klassischer Theater-Moderne. Thomas Ostermeier bringt mit Akteuren seiner Schaubühne Berlin eine Bühnenadaption von Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“nach Salzburg, die slowenische Regisseurin setzt Maxim Gorkis Gesellschaftsreigen „Sommergäste“in Szene. In Koproduktion mit dem Hamburger Thalia gibt es zudem Alfred Polgars Außenseiterballade „Liliom“, und in Theresia Walsers zur Uraufführung stehendem Stück „Die Empörten“sind Silke Bodenbender und Caroline Peters als zwei höchst verschieden geratene Schwestern zu erleben.
Wie gewohnt ist das Salzburger Konzertprogramm ausgesprochen umfangreich, Stars der Szene geben sich die Klinke in die Hand. Besondere Schlaglichter fallen diesmal die Komponisten George Enescu und Pascal Dusapin – Ausweis auch dafür, dass Salzburg nicht nur auf die für breite Resonanz so wichtigen Stücke des Kanons setzt, sondern die Festspiele auch als Plattform für das weniger Bekannte, gleichwohl künstlerisch Hochwertige verstanden werden wollen.