Netrebko auf dem Grünen Hügel
Bayreuther Festspiele Die Starsopranistin singt zweimal die Elsa aus „Lohengrin“. Aber eröffnet wird mit einem neuen „Tannhäuser“
Eben noch dirigierte er auf dem Odeonsplatz in München ein Open Air als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, da begibt sich Valery Gergiev schon auf den Grünen Hügel zu den Endproben der diesjährigen Neuproduktion von Richard Wagners „Tannhäuser“(Premiere: 25. Juli, mit fünf Folgeaufführungen), um dann zwischen Bayreuth und Salzburg zu pendeln, weil er ja auch an der Salzach eine Neuinszenierung von Verdis Oper „Simon Boccanegra“musikalisch einstudiert und verantwortet (sechs Aufführungen). Derart gefragt, mag er sich schon mal als „unabkömmlich“betrachten.
Anna Netrebko könnte womöglich dasselbe Gefühl beschleichen: Ende Juli / Anfang August singt sie mit Ehegespons Yusif Eyvazov drei Salzburger Aufführungen von Cileas Oper „Adriana Lecouvreur“, um dann nach Bayreuth überzuwechseln, wo endlich ihr Debüt stattfinden soll. Die Elsa aus Wagners „Lohengrin“hatte sie ja bereits unter Christian Thielemann in Dresden gesungen – und als anspruchsvoll in der Aussprache empfunden –, nun wird sie die Partie unter Thielemann gleichsam im Allerheiligsten anbieten, und zwar am 14. und 18. August in der Wiederaufnahme des 2018 herausgekommenen „Lohengrin“, für den das Leipziger Maler-Ehepaar Neo Rauch und Rosa Loy quasi eine Ausstattung voll früher Elektrotechnik kreierten. In den anderen „Lohengrin“-Vorstellungen wird die Elsa von Camilla Nylund gesungen. Man wird sehen (und hören), ob und gegebenenfalls wie sich die Inszenierung von Yuval Sharon weiterentwickelt hat (ab 26. Juli).
Neu jedenfalls, wie gesagt, ist der diesjährige „Tannhäuser“, der die alte – gründlich misslungene – Biogasanlagen-Inszenierung von Sebastian Baumgarten aus dem Bayreuther Jubiläumsjahr 2011 ersetzt. Diesmal führt in der Ausstattung von Rainer Sellmaier der junge Tobias Kratzer Regie, 1980 in Landshut geboren und ausgebildet an der Bayerischen Theaterakademie in München. Ob er seine Bayreuther „Tannhäuser“-Sicht ähnlich anlegt, wie 2011 seine Bremer Interpretation? Damals erzählte er die Wandlung des Minnesängers als ein Scheitern in künstlerischer wie sozialrevolutionärer Sicht: Die Gesellschaft ist nicht reif für Tannhäuser und Tannhäuser ist nicht reif für die Gesellschaft.
Diesen Tannhäuser wird der Tenor Stephen Gould singen; er ist hin- und hergerissen zwischen der Liebesgöttin Venus (Elena Zhidkova in der Premiere, danach Ekaterina Gubanova) und der LandgrafenNichte Elisabeth (Lise Davidsen). Den Landgrafen Hermann selbst gibt Stephen Milling.
Neben „Lohengrin“, „Parsifal“sowie „Tristan und Isolde“werden in Bayreuth auch „Die Meistersinger von Nürnberg“wiederaufgenommen (ab 27. Juli) – Barrie Koskys bildmächtige Inszenierung, die das Stück zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten spielen lässt (19. Jahrhundert, Villa Wahnfried/1945 Nürnberg) und deutlich auch den Antisemitismus von Wagner und den Deutschen beleuchtet. Hier ist unter dem Dirigenten Philippe Jordan auch wieder der aus Augsburg stammende Bariton Johannes Martin Kränzle als Beckmesser zu hören – eine Paraderolle des Sängers. Dazu kommen Michael Volle als Sachs und Klaus Florian Vogt als Stolzing.