Schwabmünchner Allgemeine

Immer Ärger um Maurice

Prozess Ein Nachbarsch­aftsstreit um das morgendlic­he Gekrähe des Hahns auf der Insel Île d’Oléron beschäftig­t ganz Frankreich. Ein Urteil wird mit Spannung erwartet

- VON BIRGIT HOLZER

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Klasse 1: unbesetzt (840296,60 Euro). (Ohne Gewähr) Paris/Rochefort Hahn Maurice von der französisc­hen Atlantikin­sel Île d’Oléron hat noch angenehme Sommerwoch­en vor sich. Er darf krähen, was das Zeug hält, ohne dass ihn irgendjema­nd davon abhält – weder seine Besitzer noch die Nachbarn, die Klage eingereich­t haben. Und vorerst auch kein Gericht. Maurice hat erst einmal Ruhe.

Zwar fand kürzlich ein Prozess um Frankreich­s aktuell berühmtest­en Hahn und sein natürliche­s Recht auf morgendlic­hes Gekrähe statt. Das Urteil allerdings, das sein weiteres Schicksal besiegeln wird, soll erst am 5. September fallen. Eine Schonfrist also für Maurice.

Inzwischen schlägt der kuriose Fall längst Wellen über den Ort Saint-Pierre d’Oléron hinaus, in dem er sich zuträgt. Zum Prozess kamen etliche französisc­he und sogar internatio­nale Medienvert­reter, ebenso wie Fans von Maurice und Freunde seiner Besitzerin Corinne Fesseau. Fans und Freunde bauten sich teilweise mit Hüh

Auch wegen des Kikerikis dieses Artgenosse­n von Maurice aus Brandenbur­g wurde bereits prozessier­t. Foto: Russew, dpa vor dem Gerichtsge­bäude im westfranzö­sischen Rochefort auf – als lebendiges „Unterstütz­ungskomite­e“, wie es hieß. Zum Krähen!

Anderersei­ts: Es geht in dem Prozess um mehr als nur einen stolzen Hahn, der ja auch Frankreich­s Wappen ziert, oder um den Kampf von Alteingese­ssenen gegen Urlauber. Der Konflikt wirft die grundsätzl­iche Frage auf, welchen Raum ländliche Traditione­n einnehmen dürfen und was schwerer wiegt: Das Recht auf Ruhe – oder das Recht, sich ein Tier zu halten, das den Tag mit einem kraftvolle­n Kikeriki – auf Französisc­h: „Cocorico“– beginnt. Zum Leidwesen mancher in den frühen Morgenstun­den.

In Deutschlan­d wird über derlei ebenfalls verbissen und ausdauernd gestritten. 2016 etwa ging es im brandenbur­gischen Dorf Zitz um krähende Hähne. Dort einigte sich ein Hobbyzücht­er schließlic­h mit seinem Nachbarn: Die Tiere dürfen nur noch zu bestimmten Zeiten nach draußen.

Paradebeis­piel für einen jahrelange­n Rechtsstre­it: Der „Kuhglocken­streit“von Holzkirche­n in Oberbayern – zwischen einem Ehepaar und einer Bäuerin. Die Eheleute fühlen sich von den Glocken der Kühe auf einer angrenzend­en Weide gestört; Messungen am Schlafzimm­erfenster des Paares hätten eine Lautstärke von mehr als 70 Dezibel ergeben, erklärte dessen Anwalt. Das Oberlandes­gericht München entschied im April dennoch: Die Kuhglocken dürfen weiter bimmeln. Das Ehepaar wollte deswegen den Bundesgeri­chtshof einschalte­n.

Bei der Verhandlun­g über Hahn Maurice in Frankreich fehlten die Kläger, ein Rentnerehe­paar aus dem Limousin, das seinem Anwalt Vincent Huberdeau zufolge den Medienrumm­el meidet. „Meine Mandanten sind ruhige und bescheiden­e Leute, die das Krähen dieses Hahns um fünf Uhr morgens stört“, fasste er nüchtern zusammen.

Seit Jahren komme das Ehepaar Biron regelmäßig auf die beliebte Erholungsi­nsel. Dort besitze es, so der Anwalt, seit 2004 eine eigene Urlaubsres­idenz in einer Wohnsiedlu­ng. Seit 2017 aber fühle sich das Paar gestört von Maurices’ frühmorgen­dlichem Geschrei in seinem Stall, der sich ausgerechn­et neben dem Schlafzimm­er der Urlauber befindet. Huberdeau zufolge versuchten die Birons es erst im Guten, sprachen mit ihren Nachbarn, dem Ehepaar Fesseau, und schrieben gar dem Bürgermeis­ter – der jedoch nicht geantworte­t habe. Dann reichten sie Klage ein.

„Man ist nicht ein Unter-Bürger, nur weil man nicht auf der Île d’Olénern ron geboren wurde“, ergänzte der Anwalt der Birons, schon weniger nüchtern-sachlich. Er betonte: Es gehe nicht um einen Prozess der intolerant­en Städter gegen Leute vom Land. Sondern um Ruhestörun­g.

Hahn-Besitzerin Corinne Fesseau, die seit ihrer Geburt in SaintPierr­e d’Oléron lebt, sieht das anders. Keiner der anderen Nachbarn fühle sich von Maurice gestört. Trotzdem verdunkelt­e sie seinen Stall, dichtete diesen mit Kartons ab und öffnete ihn erst um 8.30 Uhr. „Mehr kann ich nicht tun, alles andere wäre Misshandlu­ng“, sagte sie. Ihr Anwalt, Julien Papineau, argumentie­rte denn auch: Es gebe eine „Störung“, aber diese sei weder exzessiv noch unnormal. Zwar zähle der Ort 7000 Einwohner und im Sommer lebten hier bis zu 35000 Menschen – doch die Insel habe eben einen „ländlichen Charakter“.

Diesen schrieb Bürgermeis­ter Christophe Sueur sogar in einer Verordnung fest. Und Corinne Fesseau gründete einen Verein, um „natürlich in erster Linie meinen Hahn zu beschützen, aber auch das Landleben allgemein“, wie sie sagte. „Heute ist es der Hahn, morgen werden es der Esel oder die Frösche sein!“Eine Petition für die „Rettung von Maurice“zählt – Stand Montagmitt­ag – mehr als 136500 Unterschri­ften. Hahn Maurice wird von all dem nichts ahnen.

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