Schwabmünchner Allgemeine

Erfolgsfor­mel für den Motorsport

Formel E In New York endete am Wochenende die Saison der elektrisch betriebene­n Boliden. Sie bieten etwas, was den Benzinern seit längerem fehlt: Spannung. Ein Besuch in der Zukunft des Rennsports

- VON MILAN SAKO

Vor der beeindruck­enden Skyline von Manhattan fuhr am Wochenende die Formel E. Es war das Finale einer spannenden Saison. New York City David überlegt kurz, um die Frage zu beantworte­n, warum er hier nach Red Hook gekommen ist, in die unspektaku­läre Ecke von Brooklyn mit ihren niedrigen Häusern und der etwas schmuddeli­gen Hafenatmos­phäre. „Nun ja, ich bin Motorsport-Fan und Benziner sind out. Die Formel E, das ist die Zukunft des Motorsport“, sagt der 55-jährige Amerikaner. „Die beiden sind der noch wichtigere Grund“, schiebt der gebürtige New Yorker hinterher, der in New Jersey lebt, und deutet auf seine Söhne Brycon, 10, und Asaieh, 13, neben ihm. Boliden, die mit bis zu 220 Stundenkil­ometern vor der spektakulä­ren Kulisse von Manhattan und der Freiheitss­tatue über den Asphalt driften – dieses Spektakel vor der Haustüre wollen sich das Trio und etwa 15 000 Amerikaner nicht entgehen lassen.

Brycon gefällt am besten, was eingefleis­chte Motorsport-Anhänger vielleicht am meisten vermissen bei diesen Einsitzern im BatmobilSt­il. „Ich mag den Sound, das Surren der Autos“, erzählt der zehnjährig­e Bursche schüchtern. Wenn die vor den Kurven bremsen und wieder beschleuni­gen klingt es wie eine Mischung aus CarreraBah­n und Zahnbohrer. Die Hubschraub­er, die zu Rundflügen um das Empire State Building und die anderen Wolkenkrat­zer knattern, sind lauter als die E-Renner. Aber die nächste Generation von Motorsport­fans vermisst nichts.

Der E-Prix von New York mit dem Renn-Doppel am Samstag und Sonntag bildete das Finale eines Konzepts, das aufzugehen scheint. Die Menschen müssen nicht viele Kilometer weit zu permanente­n Rennstreck­en meist in der Prärie reisen. Nein, der Motorsport kommt zu den Fans in die Städte wie Paris, Berlin, Rom und zuletzt Bern. Kurz und knackig: freies Training, Qualifying und das Rennen sind in einen Tag gepackt und ziehen sich nicht wie in der Formel 1 von Freitag Morgen bis Sonntag Nachmittag. Mit dem Zehnjahres­vertrag für New York ist FormelE-Chef Alejandro Agag gelungen, was der frühere Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und seine Nachfolger von Liberty Media jahrelang vergeblich versucht hatten: Ein Rennen Big Apple. Das One World Trade Center und die Skyline von Manhatten bilden die grandiose Kulisse für – ausnahmswe­ise zwei – Läufe am Buttermilk Channel unweit der Brooklyn Bridge.

Spannender als in der Formel 1 geht es zwischen den 22 Fahrern allemal zu. Während in den Einsitzern mit Verbrennun­gsmotor allenfalls die Frage geklärt werden muss, wer hinter Seriensieg­er Lewis Hamilton als Zweiter die Zielflagge passiert, steckt in der E-Serie im doppelten Sinn Hochspannu­ng. Acht Fahrer reisten mit Meistersch­aftshoffnu­ngen in die USA. Am Ende feierte der Franzose Jean-Eric Vergne seine Titelverte­idigung.

Daniel Abt haderte im ersten Lauf mit seinem Pech, denn zwischenze­itlich lag der Kemptener als Dritter auf Podestkurs. „Am Anfang lief es gut für mich, aber am Ende ist das Chaos ausgebroch­en“, sagte der Pilot des Audi-Werksteams von Abt-Schaeffler. Er landete auf Rang sechs. Von dieser Position nahm der 26-Jährige den Finallauf am Sonntag in Angriff. Nach der Renndistan­z von 45 Minuten plus einer Runde passierte der AllRenner gäuer als Fünfter die Ziellinie. Den Lauf gewann der Niederländ­er Robin Frinjs im BMW. Den Hersteller­titel konnten sich die Audis nicht wie im Vorjahr kurz vor Schluss schnappen und landeten hinter Techeetah auf Platz zwei.

Daniel Abt beendet die Saison auf WM-Platz sieben. In New York war zu spüren, dass ihm mit der Verlängeru­ng seines Fahrervert­rags vier Tage vor den E-Läufen eine große Last von den Schultern gefallen war. „Ich war ultraerlei­chtert, als die Entscheidu­ng gefallen war. Wenn man volle Rückendeck­ung hat, fährt es sich leichter.“

Selbst der oberste Chef schaute vorbei. Audi-Vorstandsv­orsitzende­r Bram Schot feierte am Freitag seinen 58. Geburtstag im Big Apple und beobachtet­e anschließe­nd sein fahrendes Personal bei der Arbeit. Der Motorsport-Fan schnaufte mit dem Abstecher nach New York durch. Zu Hause in Ingolstadt laufen der Dieselskan­dal und der Ärger um den angekündig­ten Arbeitspla­tz-Abbau gewiss nicht davon.

In der am 22. November in Saudi Arabien beginnende­n sechsten Forim mel-E-Saison geht es noch enger auf den sowieso schon schmalen Stadtkurse­n zu. Nach Audi, BMW, Nissan, Jaguar und Mahindra kommen mit Porsche und Mercedes zwei weitere große Hersteller hinzu. 24 statt bisher 22 Boliden werden in einem Jahr rund um den Hafen von Red Hook surren.

Brycon und Asaieh wird es gefallen. Vater David kündigte bereits an, dass er um den nächsten Besuch beim E-Prix in seiner Geburtssta­dt New York nicht herumkomme­n wird. Dafür quengeln die Söhne zu hartnäckig und der New Yorker mag elektrisch­e Autos.

Dagegen kommt ein elektrisch­es Harley-Davidson-Motorrad, wie es neben der Strecke getestet werden konnte, für ihn nicht infrage. Ab dem kommenden September werden die ersten E-Motorräder der Kultmarke ausgeliefe­rt, über 200 Vorbestell­ungen liegen bereits vor. Eine Harley, die brav schnurrt anstatt zu wummern und zu kesseln? Das passt für David nicht zusammen. Noch nicht.

OFoto: Imago

Hinweis Die Reise nach New York wurde unterstütz­t von Audi.

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