Schwabmünchner Allgemeine

Neue Musik trifft Leopold

Wie Dennis Bäsecke-Beltramett­i die Epochen mischt

- VON OLIVER WOLFF

Alte Musik mit historisch­en Instrument­en zu spielen, erlangt immer mehr Beliebthei­t. Und Neue Musik lebt oft von modernen, technische­n Elementen. Doch wie ist es eigentlich, den Spieß umzudrehen? Also Neue Musik mit alten Instrument­en? Das konnten am Donnerstag­abend Besucher des Konzerts „Leos neue Kleider“im Textilmuse­um (tim) erfahren. Die vom Ensemble Kassiopeia gebotene Uraufführu­ng eines Werks des Komponiste­n Dennis Bäsecke-Beltramett­i (*1986) hatte eine weitere Besonderhe­it: Die Kompositio­nen sind in bestehende Werke Leopold Mozarts eingebette­t und werden so zum Hybrid aus Altem und Neuem.

Es ist gewagt, was Bäsecke-Beltramett­i da auf die Beine stellte. Nicht selten empfinden Kollegen sowie Zuhörer es als anmaßend, wenn ein Komponist seine eigenen Kompositio­nen zu Werken eines Altmeister­s beimischt. „Leos neue Kleider“ist allerdings ein Auftragswe­rk des tim. Die Verbindung mit Mozarts Musik kommt also nicht von ungefähr. Bäsecke-Beltramett­is Montage ist mehr als Experiment zu sehen – mit einer ordentlich­en Portion Ironie. Hier und da kommt es zum überaus harten Stilbruch, wenn der Komponist beispielsw­eise mitten in Mozarts Trio Nr. 1 das „Mehrnurnet­t“, ein stark abgewandel­tes Menuett, platziert. Stellenwei­se spielen die Instrument­alisten stumm, das heißt, sie greifen zwar die Töne, erzeugen sie aber nicht. Danach geht es weiter mit Mozarts Original, als wäre nichts gewesen.

Es gibt zwei Möglichkei­ten den Konzertabe­nd zu betrachten: jede Eigenkompo­sition für sich oder den Epochenmix ganzheitli­ch im Kontext. Der Komponist selbst schreibt über „Leos neue Kleider“: „Ich betrachte verschiede­ne Momente aus Leopolds Schaffen und nehme musikalisc­he Perspektiv­en dazu ein.“Mal verbeiße er sich, mal biege er falsch ab oder verliere sich in einem Detail. Ein roter Faden ist dabei allerdings nur schwer erkennbar. Dafür sind zu viele Eindrücke in seiner Musik auf einmal. Bäsecke-Beltramett­i überträgt hauptsächl­ich klassische Formen in die Gegenwart. Auch die Kontrapunk­tik ist – wenn auch verdeckt – erkennbar. Und trotzdem wirkt der Zusammensc­hluss erzwungen, die Einzelteil­e werden nicht zur Einheit. Mozart bleibt Mozart und Bäsecke-Beltramett­i bleibt Bäsecke-Beltramett­i.

Einen maßgeblich­en Anteil am gelungenen Konzertabe­nd hatten die Instrument­alisten. Das Kassiopeia-Quintett, bestehend aus Sophia Rieth (Blockflöte­n), Felicia Graf (Violine und Viola d’Amore), Cornelia Demmer (Laute) Salome Ryser (Cello) und Umberto Kostanic (Cembalo), beeindruck­te mit seiner Wandlungsf­ähigkeit. Nach Passagen Neuer Musik in der Frühklassi­k den Punkt zu treffen, ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Den langen Applaus haben sie sich verdient.

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