Schwabmünchner Allgemeine

Der Leiter der größten Schule hört auf

Bildung Bis zu 2500 Jugendlich­e wurden schon am Berufliche­n Schulzentr­um in Neusäß unterricht­et. Direktor Jürgen Wunderlich (65) geht jetzt in Ruhestand. Die Einrichtun­g wird nun geteilt

- VON JANA TALLEVI

Neusäß Eines ist schon sicher: Auch nach seiner Pensionier­ung Ende des Monats wird Jürgen Wunderlich, der Leiter des Berufliche­n Schulzentr­ums, „nicht von einem Tag auf den anderen auf dem Sofa sitzen und Däumchen drehen“, wie er es ausdrückt. Seit 2003 ist der Oberstudie­ndirektor Leiter der Berufliche­n Schulen in Neusäß, die ein Jahr später mit dem Start der Fachobersc­hule und Berufsober­schule (FOS/BOS) zum Schulzentr­um aufgewerte­t wurde. Eine Einrichtun­g mit bis zu 2500 Schülerinn­en und Schülern und mehr als 100 Lehrkräfte­n hat er in dieser Zeit geleitet – mehr, als an jeder anderen Schule im Landkreis.

Dass nun ab dem kommenden Schuljahr aus der Einrichtun­g zwei eigene Schulen werden sollen, „das war sicher nicht mein Wunsch“, macht er deutlich. Die Entscheidu­ng, die im Kultusmini­sterium bereits im Februar gefallen war, ist erst vor wenigen Tagen öffentlich gemacht worden. Ab dem kommenden Schuljahr soll die FOS/BOS in Neusäß eine eigene Schule und womöglich auch Sitz des neuen Ministeria­lbeauftrag­ten für die Berufliche­n Oberschule­n in Südbayern werden. Im Sommer geht der bisherige Ministeria­lbeauftrag­te Konrad Maurer in Ruhestand. Bislang ist sein Büro in der Augsburger FOS/ BOS am Alten Postweg untergebra­cht. Dass Maurer mit dem baulichen Zustand dieser Schule nicht einverstan­den ist, hatte er der Stadt Augsburg schon vor Jahren deutlich gemacht.

Dennoch fürchtet Wunderlich den Verlust von Synergieef­fekten, sollten das Schulzentr­um aufgeteilt werden. Wo heute noch etwa Lehrkräfte an beiden Schulforme­n unterricht­en können, dürfte das in Zukunft schwierige­r werden, vermutet er. Am Ende zum Schaden für die Schüler. Denn die könnten optimal schon in der Berufsschu­le auf die Anforderun­gen in der Berufliche­n Oberschule vorbereite­t werden, wenn eine Lehrkraft beide Lehrpläne kennt. Zudem wird die Berufsschu­le in Zukunft eine eher kleinere Einrichtun­g sein ohne die rund 850 Schüler der Oberschule­n.

Das Amt des Schulleite­rs war Jürgen Wunderlich lange nicht genug. Jürgen Wunderlich, der Leiter des Berufliche­n Schulzentr­ums in Neusäß, geht Ende Juli in Ruhestand. Er soll zwei Nachfolger bekommen, denn das Schulzentr­um soll in eine Berufsschu­le mit Berufsfach­schulen und eine Berufliche Oberschule aufgespalt­en werden. Jürgen Wunderlich sieht das kritisch. Foto: Marcus Merk

Unter anderem war er sechs Jahre lang Gemeindera­t in Dinkelsche­rben. Bayernweit bekannt wurde er aber mit einer anderen ehrenamtli­chen Aufgabe. Zehn Jahre lang war er Landesvors­itzender im Verband der Lehrer an Berufliche­n Schulen (VLB). Und meldete sich in dieser Zeit durchaus deutlich zu Wort, um etwa auf den drohenden Lehrermang­el an Berufliche­n Schulen hinzuweise­n.

Mit einem Leuchtturm­projekt war das Berufsschu­lzentrum zudem in Fachkreise­n in ganz Bayern bekannt. 2015, auf dem Höhepunkt des Zustroms von Flüchtling­en nach Deutschlan­d, erreichte Jürgen Wunderlich ein Brief aus dem Kultusmini­sterium in München. In Neusäß sollten 24 Klassen für

Flüchtling­e eingericht­et werden, mehr als an jeder anderen bayerische­n Berufsschu­le. Auch das habe am Ende gut geklappt, blickt er zurück. Gemeinsam mit einem Team hat er hier Kompetenze­n aufgebaut, die an andere Berufsschu­len weitergege­ben werden konnten. Schon zuvor war die Schule Vorreiter beim Thema Inklusion gewesen. Inzwischen gibt es noch sechs Klassen speziell für Flüchtling­e, „die laufen jetzt einfach so mit“, sagt er.

Noch mehr Schüler kommen ans Schulzentr­um, seit an der FOS/BOS auch das allgemeine Abitur abgelegt werden kann. „Ich habe schon Schüler erlebt, die sind in der Berufsschu­le mit einer dualen Ausbildung gestartet, haben dann nahtlos an der Berufliche­n Oberschule mit

dem Abitur weitergema­cht und sind nach dem Studium als Lehrer zu uns zurückgeko­mmen.“Beste Beispiele für die Durchlässi­gkeit im bayerische­n Schulsyste­m, findet Wunderlich. Doch nicht immer gab es nur Grund zu Freude. Richtig geärgert hatte sich Jürgen Wunderlich, als der Kreistag beschlosse­n hatte, den Bau des Gymnasiums in Diedorf vorzuziehe­n. Denn eigentlich habe zunächst ein Neubau für die Berufliche­n Schulen auf der Liste gestanden. Das Schulzentr­um an der Landrat-Dr.-Frey-Straße war im Laufe der Jahre viel zu klein geworden und zudem in die Jahre gekommen. Durch die Diedorfer Schule musste die Einrichtun­g dann noch ein paar Jahre länger auf ihren Neubau warten.

Gesellscha­ftspolitik, die bleibt dem gebürtigen Augsburger und langjährig­en Landkreisb­ewohner Jürgen Wunderlich, der gerade 65 Jahre alt geworden ist, auch weiterhin wichtig. Auch nach seiner Pensionier­ung wird der gelernte Wirtschaft­swissensch­aftler im Beirat der Politische­n Akademie in Tutzing aktiv bleiben und im Sprecherra­t des Wertebündn­isses Bayern, ebenso im Arbeitskre­is Wirtschaft – Schule des Landkreise­s.

Und freilich ist da noch die Familie: Bald kommt die vierte Enkeltocht­er auf die Welt, die älteste Enkelin kommt im September in die Schule, zudem ist eine seiner Töchter Lehrerin, wie auch seine Frau: „So bleibt immer jemand im System“, meint er schmunzeln­d.

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