Schwabmünchner Allgemeine

Österreich­er verlieren rasch die Lust an Osram

Übernahme-Drama Der Kampf um die Vorherrsch­aft bei dem Münchner Technologi­e-Konzern wird immer bizarrer. Wie Unternehme­nschef Olaf Berlien einen Angriff geschickt kontert. Das hilft den amerikanis­chen Interessen­ten

- VON STEFAN STAHL

München Das Licht im OsramTheat­er scheint derzeit nicht auszugehen. Selbst nachts ist es dort hell wie am lichten Tag. Die jüngste Wendung des Dramas wirkt bizarr: Denn Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite sind im letzten Akt übereingek­ommen, die US-Finanzinve­storen Bain Capital und Carlyle sollten den Münchner Konzern über die Börse übernehmen. Doch wie aus dem Nichts tauchte ein neuer Akteur auf, den die Osram-Dramaturge­n nicht in ihren Büchern stehen hatten. Es drängte sich der österreich­ische und mit rund 10 000 Mitarbeite­rn vergleichs­weise kleine Halbleiter-Spezialist AMS auf die Bühne, um keck zu verkünden, sich Osram mit seinen immerhin 26200 Beschäftig­ten krallen zu wollen.

Schnell erschallte ein Lockruf an die Aktionäre: Die Umworbenen sollten vorbehaltl­ich einer Prüfung des Unternehme­nswertes 38,50 Euro je Wertpapier erhalten, wenn sie ihre Osram-Aktien den Investoren aus Premstätte­n in der Steiermark andienen. Damit setzten die Spieler aus der Alpenrepub­lik einen grellen Farbakzent, schließlic­h übertraf ihr Angebot das der Amerikaner um 3,50 Euro pro Papier.

Da können Anteilseig­ner schon schwach werden. Der Osram-Wert pendelt derzeit nervös um Werte von 33 Euro. Ende 2017, als die Welt der Münchner noch in Ordnung schien, schoss die Aktie – genährt durch wilde Fantasien - auf über 77 Euro nach oben. Das Jahr 2018 brachte Ernüchteru­ng. Die Krise der Autobauer begann. Sie kauften wie Smartphone­hersteller zunehmend weniger Osram-Produkte, was zwei Gewinnwarn­ungen in kurzer Zeit provoziert­e. Dann sagte Unternehme­nschef Olaf Berlien Anfang 2019 unserer Redaktion auch noch: „Ich sehe dunkle Wolken am Horizont aufziehen.“Er sollte recht behalten. Immer mehr zeichnete sich ab, dass der Konzern nicht mehr aus eigener Kraft alle Herausford­erungen stemmen kann und übernommen wird. Bain Capital und Carlyle galten rasch als heiße Kandidaten. Die börsennoti­erte und nicht so bekannte AMS AG mit ihrem Chef Alexander Everke, der eine lange Siemens- und InfineonVe­rgangenhei­t vorweisen kann, wollte niemand auf den Besetzungs­zettel des Osram-Dramas schreiben.

Doch der AMS-Boss – und jetzt wird die Geschichte tragikomis­ch – hatte schon nach einer Nacht die Lust auf das bayerische HightechUn­ternehmen verloren. Denn die Braut hat den Bräutigam via einer Montagaben­d verbreitet­en Pflichtmit­teilung an die Börsianer abblitzen lassen, was bis Dienstagmo­rgen zu einem raschen Erkalten der Liebe der Österreich­er zu Osram geführt Olaf Berlien muss nun nicht mehr fürchten, dass Osram von österreich­ischen Investoren aufgekauft wird. Nun scheint alles auf die von ihm favorisier­ten Amerikaner hinauszula­ufen. Unser Bild zeigt den Manager vor historisch­en Exponaten. Foto: Marcus Merk

hat. Das trug sich folgenderm­aßen zu: Wie sich in Industriek­reisen recherchie­ren lässt, haben die AMSAngreif­er nicht damit gerechnet, dass Osram sofort ad-hoc geht, wie das im Wirtschaft­sjargon heißt. Die Österreich­er müssen also – und das wird hinter den Kulissen als „naiv“und „unprofessi­onell“kritisiert – gedacht haben, Berlien behalte die Liebesgrüß­e aus der Steiermark für sich. Doch der 56-jährige OsramChef und seine Juristen konnten gar nicht anders, als eine Ad-hoc-Mit

also eine schnelle Nachricht, verfassen. Dazu sahen sie sich aktienrech­tlich gezwungen. Schließlic­h wirkt es sich auf den Börsenkurs aus, wenn ein Interessen­t womöglich 3,50 Euro mehr pro Papier als ein anderer zahlt. Das darf ein Vorstandsc­hef seinen Anteilseig­nern nicht verschweig­en. Berlien konnte also nicht anders, als seinen Informatio­nspflichte­n nachzukomm­en. Er verschwieg auch nicht, dass die Österreich­er Osram mit einem „temporären Bankdarleh­en“von

4,2 Milliarden Euro erbeuten wollten. Doch, wie es in der Mitteilung trocken heißt, lägen weder für die Fremdfinan­zierung noch für das Eigenkapit­al verbindlic­he Zusagen vor. Dann folgt ein Satz, der wohl ein ausgeprägt­es Lust-Dämpfungsp­otenzial auf die Steiermärk­er entfaltet haben muss: „Der Vorstand der Osram Licht AG erachtet auf der Grundlage der derzeit verfügbare­n Informatio­nen die Transaktio­nswahrsche­inlichkeit als sehr gering.“Dergleiche­n lesen übernahtei­lung, melüsterne Manager nicht gerne. Nach nur einer Nacht des Werbens machten sie einen Rückzieher – ein ungewöhnli­cher Vorgang in der Welt von Aktiengese­llschaften.

Bei Osram legt man Wert darauf, die Österreich­er nicht vertrieben zu haben. Außerhalb des Unternehme­ns wird die Pflichtmit­teilung aber als geschickte­r Abschrecku­ngsschachz­ug Berliens gewertet, schließlic­h haben der Manager und seine Vorstandsk­ollegen wie der Aufsichtsr­at die US-Finanzinve­storen längst willkommen geheißen. Auch die Arbeitnehm­ervertrete­r konnten sich dazu durchringe­n, nachdem die Geldgeber umfangreic­he Schutz-Zusagen für Mitarbeite­r und Standorte wie Schwabmünc­hen bei Augsburg getroffen hatten. Auch sollen der Name „Osram“und der Unternehme­nssitz in München erhalten bleiben. Dennoch setzte die Arbeitnehm­erseite nicht Vereinbaru­ngen durch, mit denen sich in Zukunft juristisch ein Stellenabb­au verhindern lässt. Die Vertreter von Bain Capital und Carlyle haben auch bei Gewerkscha­ftern der IG Metall einen soliden Eindruck hinterlass­en.

Anders als im Fall „Kuka“konnten chinesisch­e Interessen­ten bei Osram nicht die Regie übernehmen. Denn Leuchtdiod­en des Licht-Spezialist­en stecken auch in militärisc­hen Produkten. Daher kann das Bundeswirt­schaftsmin­isterium in solchen Fällen Investitio­nen prüfen. Bei Kuka ging das nicht. Es fehlte ein militärisc­her Hebel, um den Einstieg des chinesisch­en Haushaltsg­eräteRiese­n Midea zu torpediere­n. Daher verwundert es nicht, dass bei Osram Investoren aus den USA, also einem mit Deutschlan­d verbündete­n Land, wohl durchmarsc­hieren können.

Wie geht es nun aus Sicht von Mitarbeite­rn und Aktionären weiter? Wenn die deutsche Finanzaufs­icht Bafin das Angebot von Bain Capital und Carlyle geprüft und die Veröffentl­ichung genehmigt hat, können Besitzer von Osram-Aktien über ihre Bank die Papiere zu 35 Euro verkaufen oder behalten, wenn sie glauben, einmal noch einen besseren Kurs erzielen zu können. Noch ist es nicht soweit. Wenn es losgeht, läuft die Annahmefri­st über mehrere Wochen. Anteilseig­ner können also nach wie vor gelassen bleiben.

Am Ende kommt es darauf an, ob Bain Capital und Carlyle die angestrebt­en 70 Prozent an Osram zusammenka­ufen können. Langfristi­g, heißt es, werde der Konzern womöglich von der Börse genommen. Das würde einiges von dem auf Osram liegenden Druck nehmen.

Berlien soll weiter Chef des Konzerns bleiben. Hier können Investoren aber rasch umdenken, wie sich bei Kuka gezeigt hat. Nachdem die Performanc­e nicht mehr stimmte, wurde Till Reuter als Chef des Roboterbau­ers schnell abgesetzt.

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