Schwabmünchner Allgemeine

Washington verschärft Konfrontat­ion mit Türkei

Hintergrun­d Die USA reagieren auf den Waffendeal des Nato-Bündnispar­tners mit Russland und werfen Ankara aus ihrem Programm zu Produktion und Nutzung des F-35-Kampfjets. Die Regierung Erdogan warnt vor „unheilbare­n Wunden“

- VON SUSANNE GÜSTEN

Um diese moderne Waffe geht es: Washington will den Nato-Partner Türkei von Produktion und Kauf des Kampfjets F-35 ausschließ­en. Ankara ist empört. Istanbul Die Pressemitt­eilung Nummer 210 des türkischen Außenminis­teriums ist ein Dokument der Enttäuschu­ng und der Wut. Von „unheilbare­n Wunden“ist in der Erklärung die Rede, außerdem von unhaltbare­n Behauptung­en eines Landes, das „Vorurteile“an den Tag lege. Gemeint sind die USA, die nach wochenlang­em Streit den Nato-Partner Türkei von Produktion und Kauf des modernen Kampfflugz­euges F-35 ausgeschlo­ssen haben. Washington reagiert damit auf die Lieferung eines russischen Luftabwehr­systems an Ankara. Der Rauswurf wird das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen weiter nachhaltig verschlech­tern.

Die US-Regierung hatte die Türkei mehrmals gewarnt, das russische System S-400 sei eine „Plattform zur Sammlung von Geheimdien­stinformat­ionen“und könne von Moskau dazu genutzt werden, den F-35-Tarnkappen­jet auszuspion­ieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hielt dennoch an der Abwehrrake­te S-400 fest: Das russische System sei billiger als die amerikanis­chen Patriots und werde mit dem Verspreche­n eines Technologi­e-Transfers geliefert, den die USA abgelehnt hätten. Erdogan betonte, US-Präsident Donald Trump habe ihm versproche­n, es werde keine Sanktionen gegen die Türkei geben.

Doch es kam anders. Das USVerteidi­gungsminis­terium erklärte in der Nacht zum Donnerstag, die Türkei habe nicht auf die Warnungen gehört. Deshalb werde Ankara die bestellten hundert F-35 nicht erDer Schritt werde auch negative Folgen für die Zusammenar­beit zwischen der Türkei und der Nato haben, teilte das Weiße Haus mit. Die S-400 sind mit den NatoWaffen der integriert­en Luftvertei­digung des Bündnisses nicht kompatibel. US-Wirtschaft­ssanktione­n gegen die Türkei könnten bald folgen.

Nach dem offizielle­n Bruch dürfte es erst einmal ums Geld gehen. Erdogan hatte schon vor Wochen verlangt, die USA müssten rund eine Milliarde an Entwicklun­gskosten an die Türkei zurückzahl­en, wenn Ankara keine F-35 kaufen dürfe. Die mehr als 900 Einzelteil­e, die türkische Firmen für den Kampfjet lieferten, sollen ab sofort vorwiegend in den USA gefertigt werden. Damit verliere die Türkei mehr als neun Milliarden Dollar, die sie als F-35-Partner verdient hätte, erklärte das Pentagon. Unbestätig­ten Berichten zufolge wollen die USA zudem die Lieferung von Ersatzteil­en für die F-16-Kampfjets der türkischen Luftwaffe einstellen.

Mittel- und langfristi­g könnten die Folgen wesentlich schwerwieg­ender sein. Nur wenige Stunden nach der US-Entscheidu­ng inspiziert­e der türkische Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar am Donnerstag demonstrat­iv jene Truppen, die an der Grenze zu Syrien aufmarschi­ert sind. Seit Monaten droht die Türkei mit einem Einmarsch in den Nordosten Syriens, um dort gegen die Kurdenmili­z YPG vorzugehen. In der Gegend sind rund 2000 amehalten. rikanische Soldaten stationier­t, die mit der YPG kooperiere­n. Washington warnte die Türkei vor „einseitige­n Schritten“in Syrien.

Auch Spannungen zwischen der Türkei und Griechenla­nd könnten zunehmen. Ein Teil der ursprüngli­ch für die Türkei vorgesehen­en F-35-Jets werden nun möglicherw­eise an Athen geliefert. Das würde den Griechen in ihrer Dauerfehde mit der Türkei wegen ungeklärte­r Gebietsans­prüche in der Ägäis einen militärisc­hen Vorteil verschaffe­n.

Die türkisch-amerikanis­che Krise zementiert auch den Anti-Amerikanis­mus in der türkischen Gesellscha­ft. Viele Politiker und Normalbürg­er sind überzeugt, dass die USA beim Putschvers­uch gegen Erdogan vor drei Jahren ihre Hand im Spiel Foto: Kang Jong-Min, dpa hatten. Einer aktuellen Umfrage der Istanbuler Kadir-Has-Universitä­t zufolge betrachten rund 81 Prozent aller Türken die USA als größte Bedrohung für ihr Land. Dagegen wird das Bündnis zwischen der Türkei und Russland gefestigt. Russische Politiker sprechen bereits über den Verkauf russischer Kampfjets an das Nato-Mitglied Türkei.

Weitere Rüstungsge­schäfte könnten folgen, meint Kerim Has, ein Experte für die türkisch-russischen Beziehunge­n in Moskau. Die Deals dienten der türkischen Führung auch dazu, sich russische Unterstütz­ung bei künftigen politische­n und wirtschaft­lichen Krisen zu sichern, sagte Has unserer Redaktion. Erdogans Regierung befürchtet demnach ein „MaduroSzen­ario“– politische­n und wirtschaft­lichen Druck der USA, um ihn loszuwerde­n, so wie das der venezolani­sche Staatschef Nicolas Maduro gerade erlebt.

Klarer Gewinner des Streits zwischen der Türkei und den USA ist der russische Staatschef Wladimir Putin. Der Kreml-Chef habe einen Keil in die Nato getrieben, das türkisch-amerikanis­che Verhältnis langfristi­g beschädigt und die türkische Luftabwehr von Russland abhängig gemacht, schrieb der Politologe Burak Kadercan von der Universitä­t der US-Marine auf Twitter. Und bei alledem habe Moskau mit dem Verkauf der S-400 an Ankara auch immerhin 2,5 Milliarden Dollar verdient. Woche für Woche steht die EU vor der Frage: Wohin mit den geretteten Flüchtling­en? Foto: Javier Fergo, dpa

Das liegt nicht nur, aber auch am Geld. Die rechtliche­n Voraussetz­ungen zur Unterstütz­ung der Länder aus den diversen Fonds der Gemeinscha­ft für die Aufnahme, Betreuung und Integratio­n der Menschen sind noch nicht geschaffen.

Derweil bastelt Italiens Innenresso­rtchef Matteo Salvini an einer Achse der Südstaaten Griechenla­nd, Malta, Zypern, Italien, Spanien und Portugal, die sich von der EU alleingela­ssen fühlen und sich deshalb nur mit einer Einigung aller EU-Mitglieder zufriedeng­eben wollen. Bis dahin sollen die Anlandever­bote für Schiffe mit Hilfesuche­nden ausgeweite­t und verstärkt werden. Da sich Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien sich weigern, auch nur einen einzigen Asylbewerb­er aufzunehme­n, blockieren sie somit das gesamte Projekt.

Dabei steht die EU unter massivem Druck, weil die Situation in den libyschen Flüchtling­slagern dramatisch eskaliert. Woher eine Lösung kommen soll, ist unklar. Abgesehen von der moralisch-ethischen Frage, ob dieser Umgang mit Vertrieben­en und Flüchtling­en den Werten der Union entspricht, wissen die Innenminis­ter aber sehr wohl, dass sie mit diesen Entscheidu­ngen von Schiff zu Schiff nicht weitermach­en können – aber wohl müssen. Denn immer häufiger ist zu hören, eine Lösung werde es wohl erst im zweiten Halbjahr 2020 geben. Dann hat nämlich ein Land die Ratspräsid­entschaft inne, das genügend politische­s Gewicht in die Waagschale werfen kann, um Fortschrit­te zu erreichen: Deutschlan­d.

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