Warum starben so viele Kälbchen?
Landwirtschaft Auf dem Hof des Unterallgäuer Landwirts, der sein Vieh gequält haben soll, verendeten überdurchschnittlich viele Tiere. Der Bauer steht unter Druck – und hat Expansionspläne
Bad Grönenbach Der Fall schockt den ganzen Freistaat: Einer der größten Milchbauern in Bayern soll seine Kühe schwer misshandelt haben. In einem Video, das der Verein „Soko Tierschutz“bei dem Milchvieh-Betrieb aufgenommen hat, sind massive Verstöße gegen den Tierschutz zu sehen. Und nun kommen neue Details ans Licht, die Fragen zu den Praktiken auf dem Bauernhof aufwerfen.
Bei dem Unterallgäuer Landwirt, gegen den wegen des Verdachts der Tierquälerei ermittelt wird, sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viele Kälber verendet. Der Anteil liegt seit Mitte 2014 bei 19,3 Prozent. 2017 waren es sogar 24,4 Prozent. Dies geht aus einer Antwort hervor, die das Verbraucherschutzministerium nach einer Anfrage der SPD-Landtagsfraktion verfasst hat. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums lag die bayernweite Quote der „Kälberverluste“von 2014 bis 2017 zwischen 9,0 und 9,7 Prozent. „Warum die Kontrollbehörden hier nicht frühzeitig eingegriffen haben, ist völlig unverständlich“, sagt die SPD-Tierschutzexpertin Martina Fehlner.
Der Unterallgäuer Landrat HansJoachim Weirather äußert sich nun zu Gerüchten, das Veterinäramt habe Kontrollen bei dem Landwirt angekündigt: Die Kreisbehörde habe die Staatsanwaltschaft gebeten zu untersuchen, „ob es irgendwelche Verdachtsmomente gibt“, sagt er. Dies sei ihm wichtig, „um jeden Vorwurf entkräften zu können, jemand aus unserem Amt hätte vor Kontrollen gewarnt. Ich vertraue meinen Mitarbeitern.“
Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn bemängelt, dass das Unterallgäuer Veterinäramt bei den Kontrollen in den vergangenen fünf Jahren offenbar nie vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) unterstützt worden sei. „Das Landratsamt hat Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Betreiber des Hofes wegen Tierquälerei. Kühe sollen dort schwer misshandelt worden sein. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa
dann erst im Januar 2019 eine Überlastungsanzeige an die Regierung von Schwaben gestellt, die allerdings vier Monate liegengelassen worden ist.“Für von Brunn zeigt dies: „Im Tierschutzbereich funktionieren die Kontrollstrukturen hinten und vorne nicht.“
Landrat Weirather betont in einer
Stellungnahme, dass es sich bei Kontrollen der Veterinäre nur um Momentaufnahmen handle und Tierquälereien leider nicht ganz zu verhindern seien. „Wir können nur alles in unserer Macht Stehende tun, um es Übeltätern so schwer wie möglich zu machen.“Bayerns Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber habe ihm eine „personelle Soforthilfe“zugesagt, berichtet Weirather. Er hoffe auf zwei Kräfte aus dem LGL. Zudem wünscht sich der Landrat, dass das Veterinäramt auch dauerhaft verstärkt wird. Die Daten zur Kälbersterblichkeit pflege der Landwirt selbst in eine bayerische Datenbank einzutragen, heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamtes. „Die Auswertung dieser Daten gehört nicht zu den Regelaufgaben des Veterinäramtes.“Landwirte brächten tote Kälber zur Tierkörperbeseitigungsanstalt nach Kraftisried. Gebe es dort Auffälligkeiten, werde das Veterinäramt informiert. „Entsprechende Meldungen haben wir nicht erhalten.“
Das Verbraucherschutzministerium arbeitet an einem Konzept, wie künftig bei der Kontrolle von Großbetrieben vorgegangen werden soll. Dabei müssten „industrielle Maßstäbe“angelegt werden, sagt Glauber. „Verstöße gegen den Tierschutz sind nicht hinnehmbar.“Dies sei auch im Sinne kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, „die die Verantwortung für ihre Tiere sehr ernst nehmen“.
Derweil hat der Landwirt, gegen den ermittelt wird, Expansionspläne. Hauptsitz des Betriebs mit 1800 Kühen und mehreren Standorten ist Bad Grönenbach. Nun will der Bauer einen seiner zwei Höfe in Kißlegg (Landkreis Ravensburg) erweitern. Das teilte der Bürgermeister von Kißlegg, Dieter Krattenmacher, auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Derzeit laufe ein Bauantrag beim Landratsamt Ravensburg, den der Landwirt Ende 2018 eingereicht hat. Die Behörde teilte mit, dass die „Errichtung eines neuen Milchviehstalles“für weitere 108 Kühe inklusive Abkalbebereich und Kälberboxen beantragt worden sei. Im bisherigen Stall werden 270 Tiere gehalten. In Bad Grönenbach gebe es aktuell keine Pläne für eine Betriebserweiterung, sagt Bürgermeister Bernhard Kerler. Jedoch habe es in der Vergangenheit Bemühungen des Landwirts in diese Richtung gegeben.