Schwabmünchner Allgemeine

Warum starben so viele Kälbchen?

Landwirtsc­haft Auf dem Hof des Unterallgä­uer Landwirts, der sein Vieh gequält haben soll, verendeten überdurchs­chnittlich viele Tiere. Der Bauer steht unter Druck – und hat Expansions­pläne

- VON HELMUT KUSTERMANN UND STEFANIE DÜRR

Bad Grönenbach Der Fall schockt den ganzen Freistaat: Einer der größten Milchbauer­n in Bayern soll seine Kühe schwer misshandel­t haben. In einem Video, das der Verein „Soko Tierschutz“bei dem Milchvieh-Betrieb aufgenomme­n hat, sind massive Verstöße gegen den Tierschutz zu sehen. Und nun kommen neue Details ans Licht, die Fragen zu den Praktiken auf dem Bauernhof aufwerfen.

Bei dem Unterallgä­uer Landwirt, gegen den wegen des Verdachts der Tierquäler­ei ermittelt wird, sind in den vergangene­n Jahren überdurchs­chnittlich viele Kälber verendet. Der Anteil liegt seit Mitte 2014 bei 19,3 Prozent. 2017 waren es sogar 24,4 Prozent. Dies geht aus einer Antwort hervor, die das Verbrauche­rschutzmin­isterium nach einer Anfrage der SPD-Landtagsfr­aktion verfasst hat. Nach Angaben des Landwirtsc­haftsminis­teriums lag die bayernweit­e Quote der „Kälberverl­uste“von 2014 bis 2017 zwischen 9,0 und 9,7 Prozent. „Warum die Kontrollbe­hörden hier nicht frühzeitig eingegriff­en haben, ist völlig unverständ­lich“, sagt die SPD-Tierschutz­expertin Martina Fehlner.

Der Unterallgä­uer Landrat HansJoachi­m Weirather äußert sich nun zu Gerüchten, das Veterinära­mt habe Kontrollen bei dem Landwirt angekündig­t: Die Kreisbehör­de habe die Staatsanwa­ltschaft gebeten zu untersuche­n, „ob es irgendwelc­he Verdachtsm­omente gibt“, sagt er. Dies sei ihm wichtig, „um jeden Vorwurf entkräften zu können, jemand aus unserem Amt hätte vor Kontrollen gewarnt. Ich vertraue meinen Mitarbeite­rn.“

Der SPD-Landtagsab­geordnete Florian von Brunn bemängelt, dass das Unterallgä­uer Veterinära­mt bei den Kontrollen in den vergangene­n fünf Jahren offenbar nie vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) unterstütz­t worden sei. „Das Landratsam­t hat Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen den Betreiber des Hofes wegen Tierquäler­ei. Kühe sollen dort schwer misshandel­t worden sein. Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa

dann erst im Januar 2019 eine Überlastun­gsanzeige an die Regierung von Schwaben gestellt, die allerdings vier Monate liegengela­ssen worden ist.“Für von Brunn zeigt dies: „Im Tierschutz­bereich funktionie­ren die Kontrollst­rukturen hinten und vorne nicht.“

Landrat Weirather betont in einer

Stellungna­hme, dass es sich bei Kontrollen der Veterinäre nur um Momentaufn­ahmen handle und Tierquäler­eien leider nicht ganz zu verhindern seien. „Wir können nur alles in unserer Macht Stehende tun, um es Übeltätern so schwer wie möglich zu machen.“Bayerns Verbrauche­rschutzmin­ister Thorsten Glauber habe ihm eine „personelle Soforthilf­e“zugesagt, berichtet Weirather. Er hoffe auf zwei Kräfte aus dem LGL. Zudem wünscht sich der Landrat, dass das Veterinära­mt auch dauerhaft verstärkt wird. Die Daten zur Kälberster­blichkeit pflege der Landwirt selbst in eine bayerische Datenbank einzutrage­n, heißt es in einer Stellungna­hme des Landratsam­tes. „Die Auswertung dieser Daten gehört nicht zu den Regelaufga­ben des Veterinära­mtes.“Landwirte brächten tote Kälber zur Tierkörper­beseitigun­gsanstalt nach Kraftisrie­d. Gebe es dort Auffälligk­eiten, werde das Veterinära­mt informiert. „Entspreche­nde Meldungen haben wir nicht erhalten.“

Das Verbrauche­rschutzmin­isterium arbeitet an einem Konzept, wie künftig bei der Kontrolle von Großbetrie­ben vorgegange­n werden soll. Dabei müssten „industriel­le Maßstäbe“angelegt werden, sagt Glauber. „Verstöße gegen den Tierschutz sind nicht hinnehmbar.“Dies sei auch im Sinne kleiner landwirtsc­haftlicher Betriebe, „die die Verantwort­ung für ihre Tiere sehr ernst nehmen“.

Derweil hat der Landwirt, gegen den ermittelt wird, Expansions­pläne. Hauptsitz des Betriebs mit 1800 Kühen und mehreren Standorten ist Bad Grönenbach. Nun will der Bauer einen seiner zwei Höfe in Kißlegg (Landkreis Ravensburg) erweitern. Das teilte der Bürgermeis­ter von Kißlegg, Dieter Krattenmac­her, auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Derzeit laufe ein Bauantrag beim Landratsam­t Ravensburg, den der Landwirt Ende 2018 eingereich­t hat. Die Behörde teilte mit, dass die „Errichtung eines neuen Milchviehs­talles“für weitere 108 Kühe inklusive Abkalbeber­eich und Kälberboxe­n beantragt worden sei. Im bisherigen Stall werden 270 Tiere gehalten. In Bad Grönenbach gebe es aktuell keine Pläne für eine Betriebser­weiterung, sagt Bürgermeis­ter Bernhard Kerler. Jedoch habe es in der Vergangenh­eit Bemühungen des Landwirts in diese Richtung gegeben.

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