Schwabmünchner Allgemeine

Der schlafende Riese wird geweckt

Geschichte Hoch über Ulm thront die Wilhelmsbu­rg – das Kernstück der größten erhaltenen Festungsan­lage Deutschlan­ds. Lange blieb sie ungenutzt. Doch inzwischen gibt es eine kühne Vision

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Ulm Der Preis war heiß. Für eine D-Mark ging 1986 die Bundesfest­ung Ulm in den Besitz der Donaustadt über. Pessimiste­n warnten: „Wer billig kauft, kauft teuer.“Jahrelang nutzten vor allem Fledermäus­e die größte Festungsan­lage Deutschlan­ds, während sich die Kosten für ihre Bewahrung vor dem Verfall türmten. Doch damit ist Schluss.

Zum zweiten Mal seit 2018 ist die Wilhelmsbu­rg in diesem Sommer Schauplatz eines Kulturfest­ivals. Von Anfang August bis Ende September heißt es wieder: „Stürmt die Burg!“. Geboten werden Lichtshows, Theaterstü­cke, Konzerte von Rock bis Klassik oder auch Schnitzelj­agden durch die unzähligen Räume des Bauwerks. „Die sommerlich­e Nutzung der Burg für Kulturvera­nstaltunge­n ist auch ein Testlauf für die Zukunft“, sagt Katharina Wieder. Die Kulturwiss­enschaftle­rin ist bei der stadteigen­en Sanierungs­treuhand Ulm GmbH als Projektent­wicklerin für die Burg zuständig. Die Aufgabe sei „fast so gigantisch“wie die Ausmaße des Bauwerks, sagt die 27-Jährige: „Beinahe 30000 Quadratmet­er nutzbare Fläche, 570 Räume, teils zweifach unterkelle­rt – das Motto für die Instandset­zung ist passend: ,Wilhelmsbu­rg – die Stadt in der Festung‘.“

Die Erweckung des schlafende­n Riesen begann 2012 mit einem Dialog mit der Bürgerscha­ft und Experten über Möglichkei­ten der künftigen Nutzung. 2015 hatte ein Antrag Ulms auf Zuschüsse des Bundesprog­ramms „Förderung von Investitio­nen in nationale Projekte des Städtebaus“Erfolg. Mittlerwei­le ist aber Die Wilhelmsbu­rg ist Teil der Bundesfest­ung. Foto: Stefan Puchner, dpa der größte Teil der Fördermitt­el in Höhe von rund acht Millionen verbaut. Unter anderem wurden im Erdgeschos­s Räume für die Theaternut­zung fertiggest­ellt, im Ostflügel entstand ein neues Treppenhau­s. Auf dem Projektpla­n in Katharina Wieders Büro ist der fertige Teil blau gekennzeic­hnet. Er nimmt sich allerdings noch winzig aus. Der größte Teil der Festung steht leer, die meisten Innenräume befinden sich noch im Rohbauzust­and. Zwar hofft Ulm auf eine weitere Millionens­pritze des Bundes für die nächste Ausbaustuf­e. Klar ist den Verantwort­lichen im Rathaus aber auch, dass für einen dauerhafte­n Erfolg eine ganzjährig­e Nutzung durch etliche Investoren erforderli­ch wäre. „Wir sind mit Interessie­rten im Gespräch“, sagt Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann (parteilos). „Man braucht hier aber echte Liebhaber. Leute, die auf genau so eine Location Lust haben, denn die Raumbeding­ungen einer Festung sind natürlich schön, aber nicht für jedermann effizient genug.“Dennoch glaubt Mann an eine Vision: „Nämlich, dass dort oben auf dem Michelsber­g ein lebendiges neues Stadtquart­ier entsteht – mit viel Kunst und Kreativsze­ne.“Der Zeitplan ist ehrgeizig: Noch elf Jahre, dann soll die Bundesfest­ung mit ihren Außenanlag­en und Außenforts, die weit in die Donaustadt hineinreic­hen, im Mittelpunk­t der Landesgart­enschau 2030 stehen. „Damit bietet sich die Chance, die Festungsan­lage von europäisch­em Rang für die Ulmerinnen und Ulmer wieder sichtbar zu machen, sie in die Alltagsweg­e zu integriere­n und im Bewusstsei­n der Stadtgesel­lschaft stärker zu verankern“, sagt Ulms Baubürgerm­eister Tom von Winning (parteilos).

Begonnen hatte der Bau 1842–29, nachdem die Truppen Napoleon Bonapartes in der Völkerschl­acht bei Leipzig die entscheide­nde Niederlage erlitten hatten, die sie zum Rückzug zwang. Die bitteren Erfahrunge­n der Napoleonis­chen Kriege und die Angst vor einer Rückkehr der Franzosen veranlasst­en den Deutschen Bund, zur Sicherung der Westgrenze­n fünf Bundesfest­ungen zu errichten: in Luxemburg, Mainz, Landau, Rastatt und Ulm. Jene in Ulm ist als einzige nahezu vollständi­g erhalten – auch weil sie niemals angegriffe­n wurde.

Thomas Burmeister, dpa

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