Sex im Netz
Videoclips Welche Folgen Pornokonsum für Kinder und Jugendliche haben kann und warum der Jugendmedienschutz gegen solche Internet-Angebote weitgehend machtlos ist
Pornografie ist überall. Im Internet sind Videoclips dabei auch für Altersgruppen leicht zugänglich, die dafür entschieden zu jung sind. So genügt es bei Internetangeboten aus dem Ausland, mit einem Mausklick zu versichern, dass der Nutzer volljährig ist. Auf diese Weise haben Kinder jederzeit Zugriff zu Darstellungen, die selbst auf Erwachsene eine verstörende Wirkung haben können.
Wie groß das Problem ist, lässt sich allenfalls erahnen, denn über die Wirkung des allzu frühen Pornokonsums streiten sich Wissenschaftler ebenso wie über die Wirkung von Gewaltdarstellungen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vertritt die Position, Jugendliche seien durchaus in der Lage, zwischen Darstellungen im Netz und der Wirklichkeit zu differenzieren. Es gibt aber auch Studien, die erschreckend klingen: Regelmäßiger Pornokonsum erhöhe die Neigung zu abweichender Sexualität sowie zur Anwendung sexueller Gewalt.
Immer wieder wird darüber diskutiert – zuletzt war es Thema der Doku „Milliardengeschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“, die auf ZDFinfo ausgestrahlt wurde. Laut Autor Christian Stracke zeigen die erfolgreichsten Pornofilme männliche Dominanz, Demütigung und Gewalt gegen Frauen. Doch während Pornos früher etwa in abgetrennten Bereichen von Videotheken zum Ausleihen angeboten wurden, sind sie im Internet allgegenwärtig – und der Jugendmedienschutz versagt.
In den Bereichen Kino und Fernsehen funktioniert er dabei gleichwohl einigermaßen. Fürs Kino gelten strenge Altersfreigaben. Im Fernsehen dürfen Sendungen, die für Jugendliche unter zwölf Jahren nicht geeignet sind, erst nach 20 Uhr ausgestrahlt werden. Filme mit einer Freigabe ab 16 Jahren dürfen erst nach 22 Uhr laufen. Seit Jahren beklagen Jugendschützer allerdings, dass sich ihr Metier zunehmend unglaubwürdig mache, weil im Internet zumindest aus Sicht der Nutzer anscheinend alles erlaubt sei.
Einer Studie der Universitäten Münster und Hohenheim zufolge hat die Hälfte der Jugendlichen schon Pornografie im Internet gesehen, viele bereits mit zwölf Jahren. Und die Erziehungswissenschaftlerin Sabine Maschke von der Philipps-Universität Marburg hat bei einer Befragung von 3000 hessischen Schülern zwischen 14 und 16 Jahren herausgefunden, dass sexuelle Gewalt unter Jugendlichen deutlich zugenommen hat. Laut ihrer Studie haben 35 Prozent der befragten Mädchen bereits Erfahrungen mit sexualisierter körperlicher Gewalt gemacht. Maschke sieht einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem häufigen Pornokonsum männlicher Jugendlicher und der Ausübung von sexueller Gewalt.
Stellt sich die Frage, was sich dagegen unternehmen lässt – zumal sich die Hoffnungen des Gesetzgebers, die Pornoflut mit Hilfe von Filtersoftware einzudämmen, jüngst in Luft aufgelöst zu haben scheinen: Die für die inhaltliche Aufsicht über Privatfernsehen und Internet zuständige Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat das Jugendschutzprogramm JusProg für unwirksam erklärt. Dabei klingt diese Filtersoftware wie die Lösung vieler Probleme, denn sie lässt nur solche Angebote durch, die auch für Kinder freigegeben sind. Das Programm funktioniert freilich nur, wenn es auch installiert worden ist; die wenigsten Eltern wissen von seiner Existenz.
Maßgeblich für die Entscheidung der KJM war vor allem das Argument, dass JusProg nur auf Windows-Rechnern funktioniere. Dieses Argument kann Stefan Schellenberg, Gründer und Vorsitzender des Vereins JusProg, aber nicht nachvollziehen. Die Software werde seit 2016 im Apple-Store angeboten. Filterlösungen für Smartphones und Tablets, die auf der JusProg-Filterliste basierten und bei iOS und Android funktionierten, gebe es ebenfalls, sagt er.
Die Entscheidung der KJM steht zudem im Widerspruch zur Freiwilligen Selbstkontrolle MultimediaDiensteanbieter (FSM), die JusProg anerkannt hat. Während sich beispielsweise ARD und ZDF auch im Internet an die für die TV-Ausstrahlung gültige Sendezeitbeschränkung halten, konnten die Privatsender dank JusProg bislang bereits tagsüber Sendungen in ihren Mediatheken anbieten, die im Fernsehen erst am späteren Abend laufen dürfen. Damit ist jetzt wohl Schluss. TV-Tipp Die Doku „Milliardengeschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“ist in der ZDF-Mediathek im Internet abrufbar. Das ZDF weist darauf hin, dass man sich die Sendung entweder nach einer Anmeldung und einer Altersprüfung jederzeit ansehen könne, ansonsten aber von 22 bis 6 Uhr. Die Doku ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet.