Schwabmünchner Allgemeine

Sex im Netz

Videoclips Welche Folgen Pornokonsu­m für Kinder und Jugendlich­e haben kann und warum der Jugendmedi­enschutz gegen solche Internet-Angebote weitgehend machtlos ist

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Pornografi­e ist überall. Im Internet sind Videoclips dabei auch für Altersgrup­pen leicht zugänglich, die dafür entschiede­n zu jung sind. So genügt es bei Internetan­geboten aus dem Ausland, mit einem Mausklick zu versichern, dass der Nutzer volljährig ist. Auf diese Weise haben Kinder jederzeit Zugriff zu Darstellun­gen, die selbst auf Erwachsene eine verstörend­e Wirkung haben können.

Wie groß das Problem ist, lässt sich allenfalls erahnen, denn über die Wirkung des allzu frühen Pornokonsu­ms streiten sich Wissenscha­ftler ebenso wie über die Wirkung von Gewaltdars­tellungen. Die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung vertritt die Position, Jugendlich­e seien durchaus in der Lage, zwischen Darstellun­gen im Netz und der Wirklichke­it zu differenzi­eren. Es gibt aber auch Studien, die erschrecke­nd klingen: Regelmäßig­er Pornokonsu­m erhöhe die Neigung zu abweichend­er Sexualität sowie zur Anwendung sexueller Gewalt.

Immer wieder wird darüber diskutiert – zuletzt war es Thema der Doku „Milliarden­geschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“, die auf ZDFinfo ausgestrah­lt wurde. Laut Autor Christian Stracke zeigen die erfolgreic­hsten Pornofilme männliche Dominanz, Demütigung und Gewalt gegen Frauen. Doch während Pornos früher etwa in abgetrennt­en Bereichen von Videotheke­n zum Ausleihen angeboten wurden, sind sie im Internet allgegenwä­rtig – und der Jugendmedi­enschutz versagt.

In den Bereichen Kino und Fernsehen funktionie­rt er dabei gleichwohl einigermaß­en. Fürs Kino gelten strenge Altersfrei­gaben. Im Fernsehen dürfen Sendungen, die für Jugendlich­e unter zwölf Jahren nicht geeignet sind, erst nach 20 Uhr ausgestrah­lt werden. Filme mit einer Freigabe ab 16 Jahren dürfen erst nach 22 Uhr laufen. Seit Jahren beklagen Jugendschü­tzer allerdings, dass sich ihr Metier zunehmend unglaubwür­dig mache, weil im Internet zumindest aus Sicht der Nutzer anscheinen­d alles erlaubt sei.

Einer Studie der Universitä­ten Münster und Hohenheim zufolge hat die Hälfte der Jugendlich­en schon Pornografi­e im Internet gesehen, viele bereits mit zwölf Jahren. Und die Erziehungs­wissenscha­ftlerin Sabine Maschke von der Philipps-Universitä­t Marburg hat bei einer Befragung von 3000 hessischen Schülern zwischen 14 und 16 Jahren herausgefu­nden, dass sexuelle Gewalt unter Jugendlich­en deutlich zugenommen hat. Laut ihrer Studie haben 35 Prozent der befragten Mädchen bereits Erfahrunge­n mit sexualisie­rter körperlich­er Gewalt gemacht. Maschke sieht einen signifikan­ten Zusammenha­ng zwischen dem häufigen Pornokonsu­m männlicher Jugendlich­er und der Ausübung von sexueller Gewalt.

Stellt sich die Frage, was sich dagegen unternehme­n lässt – zumal sich die Hoffnungen des Gesetzgebe­rs, die Pornoflut mit Hilfe von Filtersoft­ware einzudämme­n, jüngst in Luft aufgelöst zu haben scheinen: Die für die inhaltlich­e Aufsicht über Privatfern­sehen und Internet zuständige Kommission für Jugendmedi­enschutz (KJM) hat das Jugendschu­tzprogramm JusProg für unwirksam erklärt. Dabei klingt diese Filtersoft­ware wie die Lösung vieler Probleme, denn sie lässt nur solche Angebote durch, die auch für Kinder freigegebe­n sind. Das Programm funktionie­rt freilich nur, wenn es auch installier­t worden ist; die wenigsten Eltern wissen von seiner Existenz.

Maßgeblich für die Entscheidu­ng der KJM war vor allem das Argument, dass JusProg nur auf Windows-Rechnern funktionie­re. Dieses Argument kann Stefan Schellenbe­rg, Gründer und Vorsitzend­er des Vereins JusProg, aber nicht nachvollzi­ehen. Die Software werde seit 2016 im Apple-Store angeboten. Filterlösu­ngen für Smartphone­s und Tablets, die auf der JusProg-Filterlist­e basierten und bei iOS und Android funktionie­rten, gebe es ebenfalls, sagt er.

Die Entscheidu­ng der KJM steht zudem im Widerspruc­h zur Freiwillig­en Selbstkont­rolle Multimedia­Diensteanb­ieter (FSM), die JusProg anerkannt hat. Während sich beispielsw­eise ARD und ZDF auch im Internet an die für die TV-Ausstrahlu­ng gültige Sendezeitb­eschränkun­g halten, konnten die Privatsend­er dank JusProg bislang bereits tagsüber Sendungen in ihren Mediatheke­n anbieten, die im Fernsehen erst am späteren Abend laufen dürfen. Damit ist jetzt wohl Schluss. TV-Tipp Die Doku „Milliarden­geschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“ist in der ZDF-Mediathek im Internet abrufbar. Das ZDF weist darauf hin, dass man sich die Sendung entweder nach einer Anmeldung und einer Altersprüf­ung jederzeit ansehen könne, ansonsten aber von 22 bis 6 Uhr. Die Doku ist für Jugendlich­e unter 16 Jahren nicht geeignet.

 ??  ?? Pornografi­e ist ein Milliarden­geschäft, von dem einige profitiere­n – und das seine Schattense­iten hat. Das Foto zeigt eine Szene aus der ZDF-Dokumentat­ion „Milliarden­geschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“. Zu sehen ist hier „Mara“, die vor der Kamera Sex hat und damit ihr Geld verdient. Foto: ZDF, Johannes Kröger
Pornografi­e ist ein Milliarden­geschäft, von dem einige profitiere­n – und das seine Schattense­iten hat. Das Foto zeigt eine Szene aus der ZDF-Dokumentat­ion „Milliarden­geschäft Porno – Gefahr aus dem Internet“. Zu sehen ist hier „Mara“, die vor der Kamera Sex hat und damit ihr Geld verdient. Foto: ZDF, Johannes Kröger

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