Aylin lebt die Ideale von „Fridays for Future“
Porträt Die 17-Jährige engagiert sich seit einigen Monaten in Augsburg bei der Bewegung. Sie organisiert Veranstaltungen, war bei der Klimakonferenz in München und bei der Großkundgebung in Aachen. Was sie antreibt
Aylin Yildiz war vom ersten Moment an dabei. Als die globale „Fridays for Future“-Bewegung nach Deutschland schwappte, sich in den ersten Städten Gruppen gründeten, wurde sie in Augsburg aktiv. Dort habe sie ihren Platz gefunden. „Es ist ein Platz für Menschen, die sich ohnehin schon viele Gedanken über das Klima gemacht haben“, sagt sie. Seit einigen Monaten beschäftigt sie sich sehr viel mehr mit dem Klimaschutz. „Es sind wohl 90 Prozent meiner Freizeit“, sagt die 17-jährige Gymnasiastin.
Ihr ist es wichtig, auf die Straße zu gehen, ihre Stimme zu erheben. Ihr sei die Tragweite des Klimawandels bewusst. Nun will sie andere davon überzeugen, dass die Menschheit ohne Gegenmaßnahmen
Eine Zugfahrt hat etwas in ihr verändert
auf eine Klimakatastrophe zusteuert. „Natürlich will niemand freiwillig aus seiner Komfortzone. Viele verdrängen das Problem auch einfach“, weiß sie. Aber einfach will sie es sich nicht machen. Sie ist im Organisationsteam, das Aktionen in Augsburg plant, sie nahm an Klimakonferenzen mit Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber teil, in den Pfingstferien fuhr sie zu einer zentralen Kundgebung nach Aachen. „Allein die Zugfahrt war das unglaublichste Erlebnis in meinem Leben. Das hat etwas in mir verändert“, sagt sie. Rund 1000 Aktivisten fuhren mit einem Sonderzug in die Stadt nach Nordrhein-Westfalen. „An jedem Halt haben wir die Fenster heruntergelassen und haben Sprüche für mehr Klimagerechtigkeit gerufen. Überall standen viele Menschen auf den Bahnsteigen und haben zurückgerufen.“Bei der Kundgebung in Aachen kamen rund 40 000 Teilnehmer zusammen. Für
Aylin Yildiz war es beeindruckend, dort mit so vielen Gleichgesinnten zusammensein zu können. Sie übernachtete mit 2000 Aktivisten in einem Parkhaus, schlief mit dem Schlafsack auf einer Isomatte auf
dem Boden. „Eine Freundin sagte mir später, dass sie das nie machen würde. Ich bin so in dieser Bewegung drin. Für mich ist das vollkommen normal.“Einen Tag nach der Großkundgebung schloss sie
sich einer Fahrt nach Erkelenz im Rheinland an. Dort marschierten die jungen Menschen einige Kilometer am Rand des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler entlang. „Dort kippte die Stimmung: Einige haben geweint, andere waren wütend. Wenn man da am Rand steht, geht es Hunderte Meter nach unten. Da sieht man erst, wie unsere Heimat zerstört wird“, sagt sie. Die Abschlusskundgebung des Protestmarsches der „Fridays for Future“-Bewegung fand am 22. Juni in Keyenberg statt, einem ländlich geprägten Stadtteil von Erkelenz. Aylin Yildiz sprach mit den Bewohnern. In wenigen Jahren soll auch dort Braunkohle abgebaut werden. Der Stadtteil muss umgesiedelt werden.
Diese Erfahrungen und Erlebnisse treiben Aylin Yildiz weiter an. Sie hat die Hoffnung, dass immer mehr Menschen aufstehen und ihre Stimme für den Klimaschutz erheben. Gehindert wird sie an ihrem Engagement nicht: Von ihren Eltern wird sie unterstützt, in ihrer Familie habe sich auch in den vergangenen Monaten einiges verändert. „Ich lebe ohnehin vegan. Aber zu Hause wird nun weniger Fleisch gegessen. Wir achten auf den Plastikverbrauch und es wird mehr geradelt.“In den Sommerferien will die Familie nun mit dem Zug verreisen. In ihrer Schule, dem Gymnasium bei St. Anna, erfahre sie auch Zuspruch.
Bußgeldbescheide, die nun erstmals an Schüler in Mannheim erlassen wurden, findet sie nicht gerechtfertigt. Den Großteil der kritischen Stimmen könne sie nicht ernst nehmen. „In was für einem Verhältnis steht es dazu, wenn Leute auf Facebook fordern, wir sollten alle unsere Handys wegwerfen. Das ist doch lächerlich.“Sie steckt mitten in der Organisation für kommende Veranstaltungen in Augsburg. Am heutigen Freitag findet um 17 Uhr eine Kundgebung auf dem Rathausplatz statt, am 26. Juli startet um 11 Uhr eine Fahrraddemo am Kö. Und vom 20. bis zum 27. September soll es weltweit eine Aktionswoche geben. Am 20. September findet der Klimagipfel in New York statt. Dann werden alle Menschen aufgerufen, an diesem Tag zu streiken.