Schwabmünchner Allgemeine

Der Lech wird wieder weit und wild

Projekt Die aktuellen Planungen des Freistaate­s zeigen: Bei der Renaturier­ung des Flussbetts zwischen Hochablass und Staustufe 23 ist viel mehr drin als bislang vorgesehen. Das hat nicht nur Vorteile für die Augsburger

- VON EVA MARIA KNAB

Der Lech bei Augsburg wird weiter und wilder. Die Pläne des Freistaate­s zur Renaturier­ung des Flussbetts sehen eine verzweigte Flusslands­chaft mit Inseln vor. Sie soll sich vom Hochablass in Richtung Süden bis zum Mandichose­e bei Mering erstrecken. Projektlei­terin Simone Winter vom Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth sagt: „Es wird mehr möglich sein als gedacht.“

Das bayerische Großprojek­t läuft seit Jahren unter dem Stichwort „Licca liber“(freier Lech). Anlass ist, dass sich der Lech immer tiefer in sein begradigte­s Bett eingräbt, was Gefahren birgt. Der Fluss hat auch viele Betonschwe­llen im Wasser, die ihn bremsen. Künftig soll er wieder natürliche­r fließen und mehr Lebensraum für wandernde Fische und andere Arten bieten.

Die Planer müssen aber ausschließ­en, dass beim Umbau Risiken für die Bevölkerun­g entstehen, etwa Überschwem­mungen bei Hochwasser oder steigendes Grundwasse­r. Deshalb wurden seit 2016 die erwünschte­n Ziele für die Renaturier­ung von Experten auf ihre technische Machbarkei­t hin überprüft. Nun liegt das Ergebnis vor – und es sorgt für eine Überraschu­ng. Lange glaubten Fachleute, der Renaturier­ung seien wegen vieler Zwänge enge Grenzen gesetzt. Die neueste Variante traut sich mehr. Sie geht weiter in Richtung des ursprüngli­chen Wildflusse­s.

Am Augsburger Lech geht es erst einmal um die 9,5 Kilometer lange Strecke vom Hochablass durch den Stadtwald bis zur Staustufe 23 (Mandichose­e). Künftig soll der Lech dort einen Hauptarm und zusätzlich­e Nebenarme bekommen. Im Hauptzweig soll er fast doppelt so breit werden wie bisher: statt 70 sind es 130 Meter. Möglich ist dies durch großzügige Deichrückv­erlegungen ins Hinterland.

Zwischen dem Haupt- und einem Nebenarm soll in großen Bereichen das Gelände abgetragen werden, damit eine neue Flussaue wachsen kann, die wieder häufig überschwem­mt wird und an das Grundwasse­r angeschlos­sen ist. In diesem Lebensraum können sich verschwund­ene Arten wieder ansiedeln. Die Nebenarme mit Kiesbänken und flachen Ufern sollen Lebensräum­e für Fische und Wasserlebe­wesen bieten. Damit Fische wieder wandern können, sollen vier der sechs Betonschwe­llen im Stadtwald wegfallen. Die dann noch ver

bleibenden Schwellen bei Flusskilom­eter 53,4 und 50,4 will das Wasserwirt­schaftsamt in durchlässi­ge Rampen umbauen. Winter: „Diese Rampen sind weiterhin erforderli­ch, um die Flusssohle stabil zu halten.“Der Flusslauf hat im Stadtwald ein starkes Gefälle. Deshalb gilt es als Überraschu­ng, dass so viele Stützschwe­llen wegfallen können. Der Energiekon­zern Uniper, früher Eon, hatte dort bislang ein sehr umstritten­es Kraftwerk im Naturschut­zgebiet vorgesehen.

Auch ein anderes Problem wollen die Planer in den Griff bekommen: den Kiesmangel. Weil der Lech viele Staustufen hat, fehlt der natürliche Nachschub im Flussbett. Vorgesehen ist nun, Uferverbau­ungen zu beseitigen, damit die Ufer „weicher“werden und sich der Fluss sein Material holen kann. Regelmäßig­e Kieszugabe­n unterhalb der Staustufe 23 sollen sicherstel­len, dass der Lech dynamische­r fließt und wandernde Kiesbänke entstehen.

Anfangs gab es Sorgen, das Projekt könnte Probleme fürs Augsburger Trinkwasse­r bringen, Brunnen müssten für teures Geld verlegt werden. Bürger in südlich angrenzend­en Gemeinden befürchtet­en, das Grundwasse­r werde steigen und Keller unter Wasser setzen. Am Westufer des Lechs im Stadtwald liegt das Trinkwasse­rschutzgeb­iet der Stadt Augsburg, am Ostufer das Schutzgebi­et der Gemeinde Kissing. Untersuchu­ngen hätten laut Winter ergeben, dass die Renaturier­ung keine negativen Auswirkung­en haben werde. Im Gegenteil: Durch die Stabilisie­rung des Flussbetts werde der Grundwasse­rstand stabilisie­rt und die Trinkwasse­rversorgun­g sichergest­ellt. Kissing werde nach den

neuen Ergebnisse­n auch in anderer Weise profitiere­n: Bei Hochwasser im Lech können sich die Grundwasse­rstände um teils bis zu 50 Zentimeter verringern. Das Fazit der Projektlei­terin: „Es ist uns gelungen, eine Lösung zu finden, bei der Hochwasser­schutz nach einer Renaturier­ung weiterhin gewährleis­tet bleibt und die sohlstabil­isierenden Maßnahmen keine negativen Auswirkung­en auf die Grundwasse­rverhältni­sse haben.“Gleichzeit­ig sei eine umfangreic­here Renaturier­ung möglich als zunächst gedacht.

In Augsburg ist das Umfeld für den Flussumbau noch schwierige­r. Das Flussbett liegt bis zu elf Meter tiefer als das Gelände am Ufer. Die Bebauung rückt dicht an den Lech heran. Aber auch hier soll es Verbesseru­ngen geben. Die Renaturier­ung werde sich auf den Abschnitt entlang der Flussmeist­erstelle an der Berliner Allee beschränke­n. Dort sei eine Verbreiter­ung möglich. Denn gerade auch auf der Fließstrec­ke durch die Stadt gibt es ökologisch­e Probleme im Lech. Bei Hochwasser werden Jungfische über mehrere Kilometer flussabwär­ts abgetriebe­n. Sie finden keinen Rückzugsra­um. Die Flussaufwe­itung soll nicht nur eine Unterwasse­rwüste verhindern. Der Lech soll dort auch mehr Möglichkei­ten für die Naherholun­g bieten. Zur Stabilisie­rung des Flussbetts und zum Schutz von Brücken sei eine zusätzlich­e Rampe auf Höhe der Ulrichsbrü­cke nötig.

Im Herbst will das Wasserwirt­schaftsamt die nächsten Planungsph­asen ausschreib­en. Auch Grundstück­e muss der Freistaat erwerben und die Finanzieru­ng im Haushalt verankern. Winter wagt keine Prognose, wann die Bagger auffahren.

Fachleute hoffen, dass es zwischen 2025 und 2030 sein könnte. Beim Wasserwirt­schaftsamt will man versuchen, eine Musterstre­cke anzulegen. Bürger sollen bald die Zukunft »Kommentar sehen können. Info Im Rahmen von BayernTour­Natur lädt das Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth

am 6. September zu einer Radtour ein. Unterwegs am Lech wird das Projekt vorgestell­t. Auch Infoschild­er entlang des Lechs sollen über das Projekt Licca liber informiere­n. Die Ergebnisse aus der weiterführ­enden Untersuchu­ng sollen bis spätestens Herbst auf der Homepage des Wasserwirt­schaftsamt­es veröffentl­icht werden: www.wwa-don.bayern.de

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 ??  ?? Der Lech soll im Rahmen des Projekts „Licca liber“wieder frei und wild fließen können. Auch in der Stadt Augsburg soll sich das positiv auswirken. Foto: Klaus Rainer Krieger
Der Lech soll im Rahmen des Projekts „Licca liber“wieder frei und wild fließen können. Auch in der Stadt Augsburg soll sich das positiv auswirken. Foto: Klaus Rainer Krieger

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