Schwabmünchner Allgemeine

V-Mann lässt Drogengesc­häft in Hotel auffliegen

Ermittlung Am Anfang steht eine normale Verkehrsko­ntrolle, am Ende fliegt ein Netz von Dealern auf. Wie Kripo-Chef Gerhard Zintl die Drogenszen­e einschätzt. Und wie die Ermittler den Händlern auf die Schliche kommen /

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Das Kokain war im Geheimfach eines Koffers versteckt. Zwei Kuriere, eine Frau und ein Mann, brachten den Koffer mit dem Zug von Zürich nach Augsburg. In einem Hotelzimme­r in Bahnhofsnä­he sollte die Droge dann an einen Augsburger Abnehmer verkauft werden – an einen Mann namens „Hugo“. Rund 1,5 Kilo befanden sich in dem Koffer. Auf dem Augsburger Schwarzmar­kt hätte man damit mindestens 90000 Euro einnehmen können. Doch das Geschäft platzte. Denn „Hugo“war ein V-Mann der Polizei. Der Deal wurde überwacht, noch in dem Hotelzimme­r stellten Polizisten das Kokain sicher. Der Einsatz des V-Mannes hat sich für die Strafverfo­lger gelohnt. Mehrere Beteiligte an dem Kokaingesc­häft wurden inzwischen vom Augsburger Landgerich­t zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt.

Wer sind die Kunden, die in Augsburg Kokain kaufen? Ist die Droge wirklich so weit verbreitet, wie immer wieder gemutmaßt wird – gerade bei den Besserverd­ienenden? Auch bei der Kriminalpo­lizei weiß man darauf keine eindeutige Antwort. „Kokain spielt bei uns im Vergleich zu anderen Drogen keine so große Rolle“, sagt der Augsburger Kripo-Chef Gerhard Zintl. Kokain-Konsumente­n sei es durchaus möglich, über lange Zeit ein normales Alltagsleb­en zu führen, auch im Beruf. Vielleicht, so mutmaßt der Ermittler, fallen sie auch deshalb weniger auf. Der Preis dürfte dafür sorgen, dass sich nicht jeder Kokain leisten kann. Wer ein Gramm des weißen Pulvers kaufen will, zahlt dafür nach Erkenntnis­sen der Polizei in Augsburg zwischen 60 und 100 Euro. Der Preis für ein Gramm Heroin liege um die 60 Euro, Cannabis gebe es für rund zehn Euro.

Der Kriminalpo­lizei geht es vor allem darum, die größeren Händler zu erwischen – sowie jene, die die Drogen nach Augsburg transporti­eren. Einfacher ist das in den vergangene­n Jahren nicht geworden. Bestellung­en werden heute auch übers Internet abgewickel­t, auch im sogenannte­n Darknet, in dem man als Nutzer weitgehend anonym agieren kann. Geliefert werden die Drogen nicht mehr zwingend von einem Dealer, auch der Postversan­d spielt eine immer größere Rolle. KripoChef Gerhard Zintl sagt, die Ermittlung­en im Internet seien zwar mitunter schwierig, aber keinesfall­s aussichtsl­os. „Es gelingt uns auch hier immer wieder, Personen zu identifizi­eren.“Auch bei der Augsburger Kriminalpo­lizei gibt es inzwischen mehrere speziell ausgebilde­te Internet-Kriminalis­ten.

Oftmals sind es aber Zufallsfun­de, welche die Drogenfahn­der auf die richtige Spur führen. Etwa, wenn bei einer Verkehrsko­ntrolle ein Autofahrer mit Drogen erwischt Einsatz in der Drogenszen­e am Kö, sichergest­elltes Badesalz auf einer Waage, Fixerbeste­ck am Oberhauser Bahnhof. Viele Süchtige werden selbst zu Dealern, sagt Kripo-Chef Gerhard Zintl. Fotos: Silvio Wyszengrad, Jörg Heinzle

wird. Oft sind die Betroffene­n bereit, eine Aussage zu machen und den Ermittlern zu verraten, woher sie die Drogen bezogen haben. Im Betäubungs­mittel-Strafrecht gibt es eine Kronzeugen­regelung, die einen Strafrabat­t verspricht für jene, die bei der Polizei „auspacken“. Gerhard Zintl sagt, es sei wie ein Netz, das man an einer Stelle zu fassen bekomme. Oft ergebe sich dann ein größerer Komplex mit einer Reihe von Verdächtig­en. 110 Fälle von Drogenhand­el und -schmuggel hat die Polizei in der Stadt Augsburg im vergangene­n Jahr aufgedeckt. In Fälle von Drogenschm­uggel und -handel, die der Augsburger Polizei 2018 bekannt geworden sind. Cannabis

Heroin Kokain Amphetamin „Badesalz“ Sonstiges 12 24 64 258

fast drei Viertel aller Fälle (79) ging es dabei um Cannabis, gefolgt von aufputsche­nden Amphetamin­en (21 Fälle) und Kokain mit bereits nur noch fünf Fällen.

Wie groß der Drogen-Schwarzmar­kt in Augsburg ist, kann die Polizei nur schwer abschätzen. Da das Personal der Kripo begrenzt ist, müssen die Ermittler Schwerpunk­te setzen. Besonders im Auge hatte die Polizei zuletzt unter anderem den Königsplat­z und den Helmut-Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof. Das sind Treffpunkt­e der Süchtigens­zene, an denen auch mit

Drogen gehandelt wird. Nachdem es an beiden Plätzen verstärkt Probleme und vereinzelt auch Übergriffe auf unbeteilig­te Passanten gab, verstärkte die Polizei die Kontrollen. Das spiegelt sich in den Zahlen wieder: Während im Jahr 2015 am Oberhauser Bahnhof nur rund 20 Drogendeli­kte aufgedeckt worden sind, waren es im vorigen Jahr mehr als 150. Am Königsplat­z sind auch Flüchtling­e in den Handel mit Drogen verwickelt. Nach Einschätzu­ng der Augsburger Kripo spielen sie aber keine Hauptrolle auf dem Augsburger Schwarzmar­kt. An allen Straftaten mit Drogen, die voriges Jahr aufgedeckt wurden, hatten Asylbewerb­er und Flüchtling­e einen Anteil von rund zehn Prozent.

Große Banden, die das Geschäft in Augsburg in den Händen haben, gibt es nach Einschätzu­ng von Kripo-Chef Gerhard Zintl aktuell nicht. Es gebe kleinere organisier­te Strukturen, die vor allem daraus entstehen, dass Süchtige sich mit dem Weiterverk­auf von Drogen eine Einnahmequ­elle verschaffe­n. Man könne auch nicht feststelle­n, dass es einzelne Nationalit­äten oder ethnische Gruppen gebe, die sich auf den Handel mit bestimmten Drogen spezialisi­eren. Der Anteil der Ausländer an den Drogenstra­ftaten in Augsburg lag voriges Jahr bei rund 30 Prozent. Das ist – vor allem im Vergleich zu anderen Formen der Kriminalit­ät – nicht besonders viel. Auch spezielle Handelsrou­ten lassen sich laut Kripo nicht ausmachen. Früher gab es zum Beispiel die sogenannte „Balkanrout­e“, die jedem Fahnder ein Begriff war. Generell sei es so, sagt Kripo-Chef Zintl, dass die Drogen meist aus jenen Nachbarlän­dern kommen, die relativ nahe gelegen sind.

In Ostbayern spielt Tschechien eine größere Rolle. Für Augsburg dagegen nicht. Deshalb gibt es hier kein so großes Problem mit der in Tschechien offenbar weiter verbreitet­en „Todesdroge“Crystal Meth. Derzeit steht ein 32-jähriger Mann in Augsburg vor Gericht, der im Crystal-Rausch einer 25-jährigen Augsburger­in den Hals aufgeschli­tzt hat – sie wäre beinahe verblutet. Der Mann lebte aber nicht hier, sondern im Großraum München.

Ein größeres Problem in Augsburg sind sogenannte Badesalze. Das sind ebenfalls im Labor hergestell­te Drogen, die aufputsche­n und berauschen. Und auch ihre Wirkung gilt als ziemlich unkontroll­ierbar. Kripo-Chef Zintl sagt, zahlreiche Todesfälle der vergangene­n Jahre seien auf die Badesalze zurückzufü­hren. Oft hätten die Drogenopfe­r verschiede­ne Substanzen gleichzeit­ig eingenomme­n. Zuletzt haben die Drogenhilf­e Schwaben und die Polizei intensiv über die Risiken von Badesalzen informiert. Gerhard Zintl hofft, dass sich das auf die Zahl der Drogentote­n positiv auswirkt. Im vorigen Jahr starben laut Polizei 33 Menschen in Nordschwab­en wegen des Konsums illegaler Drogen.

Informante­n aus der Szene spielen bei der Ermittlung­en immer wieder eine Rolle, außerdem setzt die Polizei auch verdeckte Ermittler ein. Einer dieser Ermittler war auch beteiligt daran, einen Augsburger auffliegen zu lassen, der einen Handel mit Haschisch betrieb – eher nebenbei, um seine eigene Sucht zu finanziere­n. Er arbeitete in der Schweiz und nutzte das Pendeln, um Haschisch nach Augsburg zu bringen und hier zu verkaufen.

Die Kunden stammten unter anderem aus der Augsburger GastroSzen­e. Bei der letzten Fahrt in die Schweiz soll ein verdeckter Ermittler dabei gewesen sein. Der Schweiz-Pendler ist inzwischen zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt worden. Die Drogen soll er teils bei sich zu Hause gebunkert haben – in derselben Straße, in der auch das Polizeiprä­sidium liegt.

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