Schwabmünchner Allgemeine

Wie wirken sich die Polizeikam­eras auf die Kö-Szene aus?

Interview Andreas Köjer betreut als Streetwork­er die Drogensüch­tigen. Er sagt, wie er die Situation aktuell einschätzt

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Herr Köjer, nach den offizielle­n Zahlen der Polizei sind im vorigen Jahr 33 Menschen in Augsburg durch den Konsum von illegalen Drogen gestorben. Was sagen Sie als Streetwork­er bei der Drogenhilf­e – ist diese Zahl realistisc­h? Andreas Köjer: In dieser Zahl tauchen nur jene Menschen auf, die direkt an den Folgen von Drogenkons­um gestorben sind, so ist es definiert. Es betrifft eigentlich nur Fälle von Überdosier­ung. Wir gehen von einer deutlich höheren Zahl von Todesfälle­n aus. Zuletzt hatten wir zum Beispiel zwei Fälle, bei denen Menschen im Straßenver­kehr gestorben sind. Weil sie so berauscht waren, dass sie einen Unfall erlitten haben. Als Drogentote zählen sie aber offiziell nicht. Genauso ist es bei Folgeerkra­nkungen, etwa bei einem Organversa­gen durch langjährig­en Konsum.

Welche Droge bereitet Ihnen denn aktuell die meisten Sorgen?

Köjer: Heroin bleibt ein Dauerbrenn­er. Bei den sogenannte­n Badesalzen, die auch für einige Todesfälle verantwort­lich waren, hat sich die Situation zum Glück etwas beruhigt, wir haben Andreas Köjer aber auch intensiv über die Gefahren aufgeklärt. Vermutlich spielt es auch eine Rolle, dass diese Substanzen inzwischen durch gesetzlich­e Regelungen auch weitgehend verboten sind. Aktuell sehen wir mit Sorge die Kräutermis­chungen, synthetisc­he Drogen, die meist geraucht werden. Die Wirkung ist unkalkulie­rbar. Ein Konsument kann nach wenigen Zügen bewusstlos werden. Die Betroffene­n werden dann teils auch Opfer von Diebstahl oder Übergriffe­n. Für uns ist es schwierig, zu Menschen, die stark unter dem Einfluss von Kräutermis­chungen stehen, durchzudri­ngen. Da muss man dann den richtigen Moment erwischen, in dem sie klar genug sind.

Es gibt ein neues Projekt, das Todesfälle verhindern soll. Süchtige dürfen, wenn sie dafür geeignet erscheinen, das Medikament Naloxon für Notfälle zu Hause aufbewahre­n. Wie läuft das? Köjer: Sehr gut. Es verhindert bei einer Überdosis Todesfälle. Wir hatten auch in Augsburg jetzt schon Fälle, bei denen es von Betroffene­n erfolgreic­h eingesetzt worden ist. Man kann wirklich sagen, dass das Medikament Leben rettet. Und es nimmt den Betroffene­n die Hilflosigk­eit, mit der sie sonst einer solchen Situation ausgesetzt sind. Der Königsplat­z gilt als ein Treffpunkt der Szene. Wie wirkt sich die Videoüberw­achung aus, die es dort seit einem halben Jahr gibt?

Köjer: Unsere Klienten wissen natürlich, dass es die Kameras der Polizei gibt. Aber ich habe den Eindruck, sie denken trotzdem nicht immer daran, gerade wenn der Rausch zunimmt. Man kann auch einen Verdrängun­gseffekt feststelle­n. Manche sind in Richtung Oberhauser Bahnhof abgewander­t, aber nicht alle. Es spielt sich auch mehr in den Seitenstra­ßen ab. Aber auch wenn man sie nicht mehr so stark wahrnimmt: Die Menschen sind weiter da. Interview: Jörg Heinzle

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