Schwabmünchner Allgemeine

Immer mehr Senioren in der Schuldenfa­lle

Soziales Schuldnerb­eratung betreut zunehmend Rentner. Vor allem Frauen sind betroffen. Beraterinn­en sehen darin Anzeichen für eine steigende Altersarmu­t

- VON CHRISTOPH FREY

Neusäß/Landkreis Augsburg Ob es nun um das Durchschni­ttseinkomm­en geht, die Arbeitslos­enquote oder die Zahl der Schuldner: Stets sind die Werte im Augsburger Land besser als im bundesdeut­schen oder bayerische­n Vergleich, geht es den Menschen finanziell besser. Doch es gibt eine Ausnahme: Im Landkreis Augsburg ist der Anteil von überschuld­eten Senioren besonders hoch. Rund 13 Prozent der überschuld­eten Menschen im Kreis sind jenseits der 60, im bundesdeut­schen Durchschni­tt sind es nur acht Prozent.

Höherer Wert als im deutschen Durchschni­tt

Diese Zahlen nannten die Schuldnerb­eraterinne­n des Diakonisch­en Werkes, Susanne Grußler und Gisela Klaiber, am Mittwoch bei einer Veranstalt­ung im Landratsam­t. Besonders augenfälli­g sei die rasche Steigerung.

Vor gut zehn Jahren lag der Anteil der älteren Menschen, die mehr Schulden als Vermögen haben, im Kreis bei erst zwei Prozent. Für Grußler und Klaiber ist dies ein Indiz für eine steigende Altersarmu­t, von der insbesonde­re Frauen betroffen seien. Waren es früher meist Männer, denen ihre Verbindlic­hkeiten über den Kopf wuchsen, so „ist der Schuldner der Zukunft alt und weiblich“, sagte Klaiber vor Bürgermeis­tern aus dem Landkreis und verwies auf das niedrigere Rentennive­au.

Nach einem Bericht unserer Zeitung vom Frühjahr sind bei den Tafeln im Landkreis schon ein Drittel bis 40 Prozent der Klienten Senioren, deren Rente nicht reicht. Von den knapp 50000 Rentnern im Landkreis erhalten die gut 21000 Männer eine Durchschni­ttsrente von 1200 Euro. Für die mehr als 27000 Rentnerinn­en im Kreis gibt es nach den Zahlen der Deutschen Rentenvers­icherung in etwa nur halb so viel: 650 Euro.

Die steigende Zahl von Menschen im Rentenalte­r, prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse und Teilzeitjo­bs könnten die Lage in den kommenden Jahren verschärfe­n.

der neuesten Bevölkerun­gsberechnu­ng wird in zehn Jahren fast jeder Vierte von knapp 275000 Landkreisb­ewohnern im Rentenalte­r sein – und nicht jeder wird dafür ausreichen­d finanziell vorgesorgt haben können.

Nach einer Berechnung der Gewerkscha­ft NGG steuern aktuell 36000 Beschäftig­te im Landkreis Augsburg auf eine Rente unterhalb der staatliche­n Grundsiche­rung zu. Sofern sie nicht anderweiti­ges Vermögen oder Einkommen haben, dürften sie damit armutsgefä­hrdet sein und mitunter Kandidaten für eine Überschuld­ung.

Sechs Schuldnerb­erater hat das Diakonisch­e Werk im Landkreis Augsburg mittlerwei­le im Einsatz und die haben es laut Grußler und Klaiber zunehmend auch mit eheNach mals Selbststän­digen zu tun, die nicht genügend fürs Alter zurückgele­gt haben. Hoch verschulde­t zu sein, sei für die meisten Menschen eine schwere Belastung – seelisch wie auch körperlich. Grußler: „Schulden machen krank.“Noch dazu täten sich viele Menschen schwer, Hilfe zu suchen. Pro Jahr kommen bei der Schuldnerb­eratung im Landkreis an die 400 neue Fälle dazu.

Bürgern beratend zur Seite zu stehen, die sich finanziell in einer Notlage befinden, wollten auch die Ehrenamtli­chen im Freiwillig­enzentrum Neusäß (FuN), das seit zehn Jahren besteht. „Wir haben drei sehr engagierte und gut ausgebilde­te Sozialpate­n“, sagt Leiterin Ursula Meyer.

Aber dieses Projekt sei das einzige, das nie so recht in Gang gekommen ist. Etliche Betroffene hätten zwar einen Beratungst­ermin vereinbart, seien dann aber doch nicht gekommen. Meyer vermutet, dass finanziell­e Probleme die Menschen seelisch stark belastet und sie sich aus Scham auch scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. (mit dav)

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