Es führt kein Weg zurück
Dass Frauen nach der Macht greifen, ist noch lange keine Selbstverständlichkeit
Die Frage ist ja die: Hätten wir das Bild wirklich auch so besonders gefunden, wenn darauf drei Männer nebeneinandergesessen hätten, die gerade die Macht untereinander aufgeteilt haben? Kaum ein Motiv wurde in dieser Woche mehr diskutiert als das der Amtsübergabe von Ursula von der Leyen an Annegret Kramp-Karrenbauer. Gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel strahlten die beiden in die Kameras. Frauen an der Macht. „So haben wir uns das Ende des Patriarchats nicht vorgestellt“titelte die linke taz beim Anblick der drei Frauen, die ausgerechnet der CDU angehören, gewohnt frech. Doch keine Sorge, liebe taz: Das Ende des Patriarchats ist noch lange nicht erreicht. Denn solange es als achtes Weltwunder zelebriert wird, dass
gleich mehrere Frauen wichtige Funktionen in der Politik besetzen, sind wir von Normalität und wirklicher Gleichberechtigung noch weit entfernt.
Und doch war es eben sehr wohl eine bemerkenswerte Woche. Denn je mehr Frauen hohe Ämter besetzen, je mehr Frauen das Wort ergreifen, desto mehr werden es ihnen andere Frauen auch nachmachen. Die Emanzipation braucht Vorbilder, sie braucht Gesichter, sie braucht jene, die mutig genug sind, in männliche Biotope vorzudringen. Je mehr es davon gibt, desto weniger Männer werden sich künftig trauen, öffentlich über die „Damen“zu feixen. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, zeigt sich an der erstaunlichen Härte, mit der viele politisch engagierte Frauen derzeit herabgewürdigt werden.
Die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete erhält den Rat, sich doch lieber die Achselhaare zu rasieren (also sich um ihre Schönheit zu kümmern), als Flüchtlinge zu retten. Die minderjährige Greta Thunberg wird als geisteskrank diffamiert. Die amerikanische Fußballerin Megan Rapinoe steht wegen ihrer Kritik an US-Präsident Trump mitten in einem Shitstorm. Nun kann man freilich mit den politischen Botschaften dieser Frauen hadern, kann sie kritisieren – doch um eine Auseinandersetzung geht es leider nur selten. Das Ziel ist die persönliche Vernichtung. Der Hass, den diese Frauen vor allem bei konservativen Männern provozieren, gleicht einem Orkan. Selbst die brave Annegret Kramp-Karrenbauer muss sich – leider auch von Frauen – maßregeln lassen, weil sie bei ihrem ersten Auftritt im Bendler-Block ein knielanges Kleid trug.
Noch mehr aber scheint es Männerherzen zu erregen, dass Merkel, AKK und von der Leyen sich der Machttaktiken bedienen, die in männlichen Netzwerken gang und gäbe sind. Nein, Frauen sind keine besseren Menschen. Sie machen noch nicht einmal bessere Politik. Männer übrigens auch nicht. Merkel war das schon immer egal, sie nannte sich nie eine Feministin. Und doch beweist eben jenes Foto mit den Ministerinnen, dass sie doch eine ist. Dass sie – bewusst oder unbewusst – den Blick auf Politikerinnen maßgeblich geprägt hat.
Der Ärger über die starken Frauen ist durchaus nachvollziehbar: Denn wer an den Verhältnissen von gestern festhalten möchte, hat ein Problem. Die Zeiten lassen sich nicht mehr zurückdrehen. Der Fortschritt mag eine Schnecke sein, doch die Gleichberechtigung wurde gerade in den vergangenen Jahren durch #MeToo-Debatten und Diskussionen über Frauenquoten merklich vorangetrieben. So groß die Aufregung über ein Foto mit drei mächtigen Frauen ist – so groß ist inzwischen auch der Ärger über ein Foto, auf dem sich ausschließlich Männer nebeneinanderreihen. Und das ist eine gute Nachricht.