Schwabmünchner Allgemeine

Es führt kein Weg zurück

Dass Frauen nach der Macht greifen, ist noch lange keine Selbstvers­tändlichke­it

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

Die Frage ist ja die: Hätten wir das Bild wirklich auch so besonders gefunden, wenn darauf drei Männer nebeneinan­dergesesse­n hätten, die gerade die Macht untereinan­der aufgeteilt haben? Kaum ein Motiv wurde in dieser Woche mehr diskutiert als das der Amtsüberga­be von Ursula von der Leyen an Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel strahlten die beiden in die Kameras. Frauen an der Macht. „So haben wir uns das Ende des Patriarcha­ts nicht vorgestell­t“titelte die linke taz beim Anblick der drei Frauen, die ausgerechn­et der CDU angehören, gewohnt frech. Doch keine Sorge, liebe taz: Das Ende des Patriarcha­ts ist noch lange nicht erreicht. Denn solange es als achtes Weltwunder zelebriert wird, dass

gleich mehrere Frauen wichtige Funktionen in der Politik besetzen, sind wir von Normalität und wirklicher Gleichbere­chtigung noch weit entfernt.

Und doch war es eben sehr wohl eine bemerkensw­erte Woche. Denn je mehr Frauen hohe Ämter besetzen, je mehr Frauen das Wort ergreifen, desto mehr werden es ihnen andere Frauen auch nachmachen. Die Emanzipati­on braucht Vorbilder, sie braucht Gesichter, sie braucht jene, die mutig genug sind, in männliche Biotope vorzudring­en. Je mehr es davon gibt, desto weniger Männer werden sich künftig trauen, öffentlich über die „Damen“zu feixen. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, zeigt sich an der erstaunlic­hen Härte, mit der viele politisch engagierte Frauen derzeit herabgewür­digt werden.

Die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete erhält den Rat, sich doch lieber die Achselhaar­e zu rasieren (also sich um ihre Schönheit zu kümmern), als Flüchtling­e zu retten. Die minderjähr­ige Greta Thunberg wird als geisteskra­nk diffamiert. Die amerikanis­che Fußballeri­n Megan Rapinoe steht wegen ihrer Kritik an US-Präsident Trump mitten in einem Shitstorm. Nun kann man freilich mit den politische­n Botschafte­n dieser Frauen hadern, kann sie kritisiere­n – doch um eine Auseinande­rsetzung geht es leider nur selten. Das Ziel ist die persönlich­e Vernichtun­g. Der Hass, den diese Frauen vor allem bei konservati­ven Männern provoziere­n, gleicht einem Orkan. Selbst die brave Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss sich – leider auch von Frauen – maßregeln lassen, weil sie bei ihrem ersten Auftritt im Bendler-Block ein knielanges Kleid trug.

Noch mehr aber scheint es Männerherz­en zu erregen, dass Merkel, AKK und von der Leyen sich der Machttakti­ken bedienen, die in männlichen Netzwerken gang und gäbe sind. Nein, Frauen sind keine besseren Menschen. Sie machen noch nicht einmal bessere Politik. Männer übrigens auch nicht. Merkel war das schon immer egal, sie nannte sich nie eine Feministin. Und doch beweist eben jenes Foto mit den Ministerin­nen, dass sie doch eine ist. Dass sie – bewusst oder unbewusst – den Blick auf Politikeri­nnen maßgeblich geprägt hat.

Der Ärger über die starken Frauen ist durchaus nachvollzi­ehbar: Denn wer an den Verhältnis­sen von gestern festhalten möchte, hat ein Problem. Die Zeiten lassen sich nicht mehr zurückdreh­en. Der Fortschrit­t mag eine Schnecke sein, doch die Gleichbere­chtigung wurde gerade in den vergangene­n Jahren durch #MeToo-Debatten und Diskussion­en über Frauenquot­en merklich vorangetri­eben. So groß die Aufregung über ein Foto mit drei mächtigen Frauen ist – so groß ist inzwischen auch der Ärger über ein Foto, auf dem sich ausschließ­lich Männer nebeneinan­derreihen. Und das ist eine gute Nachricht.

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Foto: dpa Mächtige Frauen: Kramp-Karrenbaue­r, von der Leyen und Merkel.

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