Schwabmünchner Allgemeine

„Bayreuth kann und soll durchaus auch politisch sein“

Interview Wenige Tage vor der Eröffnung äußert sich die künstleris­che Leiterin der Richard-Wagner-Festspiele

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Gibt es so kurz vor dem Start der Festspiele einen Moment, auf den Sie sich besonders freuen?

Katharina Wagner: Auf die Bühnenprob­en zu „Tannhäuser“mit Orchester. Wenn die Neuprodukt­ion fertig wird und das, was man nur vom Papier und technische­n Zeichnunge­n her kennt, auf der Bühne lebendig wird. Das ist der schönste Moment und ein kleines Theaterwun­der, wenn das alles, was mal als Gedanke ausgesproc­hen wurde, auf der Bühne zusammenwä­chst.

Sie haben 2019 ein neues Preissyste­m mit neuen Kategorien eingeführt. In welcher Kategorie sitzen Sie? Wagner: Ich will in der Vorstellun­g tatsächlic­h niemandem den Platz wegnehmen. In bin in jeder Probe und jeder Generalpro­be, aber bei den Aufführung­en überlasse ich die heiß begehrten Karten anderen.

Sie haben vor der Premiere Ihres „Tristan“2015 gesagt, dass der Druck, dem sie vorher ausgesetzt waren, wahnsinnig groß war ... Wagner: Das ist immer so und gilt nicht nur für uns Regisseure, sondern auch für die Sänger. Sie dürfen nicht vergessen: Hier sind am Tag der Eröffnungs­premiere über 100 Pressevert­reter anwesend. Es gibt eine Liveübertr­agung ins Kino und ins Radio, zusätzlich einen Livestream im Netz, die Erwartung des Publikums ist sehr hoch. Und auf der Bühne stehen Menschen, die zwar in ihren Qualitäten als Sänger unbestritt­en sind, aber auch die können mal einen schlechten Tag haben. Es ist absolut so, dass nach einer Premiere eine große Anspannung abfällt, weil alle Augen auf die Neuprodukt­ion gerichtet sind.

Wie gehen Sie mit dieser Anspannung um?

Wagner: Ruhig bleiben und versuchen, sich nicht von anderen anstecken zu lassen. Das ist immer einfacher gesagt als getan. Aber tatsächlic­h versuchen wir, hier im Haus eine gewisse Ruhe zu bewahren. Man darf sich von jener Nervosität von außen nicht anstecken lassen. Sie sind mit der Musik Ihres Urgroßvate­rs aufgewachs­en. Sind seine Werke ein Zuhause für Sie?

Wagner: Sicher ist es ein Stück Zuhause, aber ich würde das gar nicht so verorten wollen. Die WagnerWerk­e sind etwas, woran ich von klein auf gewöhnt bin und das ich auch nicht missen möchte, weil es so vertraut ist. Dieses Gefühl der Nähe ist schwierig zu beschreibe­n.

Welche Musik hören Sie, wenn es nicht die vom Uropa ist?

Wagner: Ich höre berufsbedi­ngt sehr viel Musik; bin zum Beispiel niemand, der im Auto das Radio anmacht. Ich höre da lieber Hörbücher. Ich bin prinzipiel­l bereit, alles zu hören, aber ich bin jetzt nicht jemand, der die aktuellen Charts auswendig hersagen könnte. Der „Tannhäuser“-Dirigent Valery Gergiev ist wegen seiner Nähe zu Putin und angebliche­r homophober Tendenzen umstritten. Welche Rolle spielt die politische Haltung für eine Institutio­n wie die Bayreuther Festspiele? Wagner: Das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Um das klar zusagen: Herr Gergiev hat sich zu den Vorwürfen deutlich positionie­rt und seine Haltung erklärt.

Das heißt, Sie erwarten von den Menschen, die hier künstleris­ch tätig sind, schon eine gewisse Haltung?

Wagner: Ja, vor allem eine humane Haltung.

Wir leben in einer Zeit, in der eine Gesellscha­ft zumindest teilweise immer nationalis­tischer wird. Das ist ja gerade bei Wagner ein sehr komplexes Thema. Wie politisch darf, wie politisch muss Bayreuth sein? Wagner: Bayreuth kann und soll durchaus auch politisch sein. Die Regisseure, die hier inszeniere­n, haben in ihrer künstleris­chen Gestaltung freie Hand. Ich wäre die letzte, die Zensur ausübt. Und wenn zum Beispiel so etwas entsteht wie in den „Meistersin­gern“von Barrie Kosky, ist das hervorrage­nd gelungen.

Bundeskanz­lerin Merkel ist seit Jahren Stammgast auf dem Grünen Hügel. Verbindet Sie noch mehr als diese Liebe zur klassische­n Musik? Sie ist Chefin – Sie sind Chefin ...? Wagner: Ich vergleiche mich mal nicht mit der Bundeskanz­lerin, wenn Sie nichts dagegen haben.

Interview: Britta Schultejan­s, dpa

Katharina Wagner, 1978 in Bayreuth geboren, ist Urenkelin des Komponiste­n Richard Wagner und künstleris­che Leiterin sowie Geschäftsf­ührerin der Richard-WagnerFest­spiele in Bayreuth.

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