Schwabmünchner Allgemeine

Der Held ist kein Held

Bregenzer Festspiele Wann ist ein Mann ein Mann? Das fragt Regisseuri­n Clément in Massenets „Don Quichotte“. Sie gibt Antworten, die aus der Oper starkes Musiktheat­er machen

- VON KLAUS-PETER MAYR

Hier hat Don Quichotte seine Kräfte etwas überschätz­t: Gegen eine Gruppe von Banditen kommt er nicht an, da hilft ihm auch nicht, dass er sich in Gestalt von Spiderman dem Kampf stellt. Foto: Matthias Becker Bregenz Warum bloß hat die Bregenzer Intendanti­n Elisabeth Sobotka Jules Massenets Oper „Don Quichotte“ins Festspiel-Programm genommen – prominent als große Oper im Festspielh­aus? Warum diese Geschichte von einem Ritter, der wie ein Irrer durch die Welt stakst, um seiner Angebetete­n eine wertvolle Kette zurückzubr­ingen?

Auf den Spielpläne­n jedenfalls ist die Oper selten zu finden, was einerseits an der harmlos-harmonisch­en Musik liegen könnte, die schon zur Entstehung­szeit 1910 alles andere als modern war; anderersei­ts auch am nicht sehr überzeugen­den Versuch, Miguel de Cervantes’ Monumental­roman auf eine zweieinhal­bstündige Liebesgesc­hichte einzudampf­en.

Vielleicht hat Sobotka ja an den Narren einen Narren gefressen und wollte das diesjährig­e SeeopernEx­emplar Rigoletto indoor durch den Ritternarr­en von weltlitera­rischer Bedeutung ergänzen.

Da ist es gut, dass Sobotka die Französin Mariame Clément für die Umsetzung gewann. Sie hat die zwar stringente, aber gleichwohl etwas langatmige Handlung des Komponiste­n Massenet und seines Librettist­en Henri Cain in fünf mehr oder weniger eigenständ­ige Episoden mit Experiment­ier-Charakter zerlegt. Das sorgt für Kurzweil. Zusätzlich schuf sie Distanz zum Original mit einer Theater-auf-dem-Theater-Situation.

Außerdem lässt sie vor Beginn in einem herrlich komödianti­schen Prolog einen „Zuschauer“wortreich über den vorgeschal­teten Werbefilm der Rasierer-Marke „Gillette“schimpfen. Womit wir beim eigentlich­en Thema von Clément wären. Erklärterm­aßen möchte sie der Frage nachgehen: Wann ist ein Mann ein Mann? Und wie wird er zum Helden? Genau das will Don Quichotte ja sein: ein Ritter mit edler Gesinnung, der heldenhaft kämpft, für das Gute, Schöne und Gerechte auf der Welt.

Und lieben möchte er auch noch heldenhaft, nämlich die – in Abweichung zu Cervantes’ Roman – schöne, junge Dulcinea. Aber es tun sich bekanntlic­h einige Hürden auf. Der gute Don hat ja eine ganz eigene Sicht auf die Welt: Er ist ein Fantast, Träumer, Spinner. Die Welt meint im Gegenzug über ihn, er habe nicht alle Tassen im Schrank. Außerdem ist Dulcinea – nach herkömmlic­hen Maßstäben – deutlich zu jung für ihn.

Massenet hat dies musikalisc­h in eine „Comédie héroique“gegossen, und daran rüttelt Regisseuri­n Clément ebenso wenig wie der junge Dirigent Daniel Cohen am Pult der Wiener Symphonike­r. Im Gegenteil, sie kosten das Komische in der Partitur genüsslich aus. Süffisant nimmt die Regisseuri­n im ersten Akt Bezug auf die Uraufführu­ng der Oper 1910 in Monte Carlo, parodiert und persiflier­t sie mit einer Laienspiel-Szene in historisie­render Kulisse. Was die Zuschauer gleich mal auf die falsche Fährte führt und wohl viele zwischen Amüsement und Ärger schwanken lässt.

Das beendet die Regisseuri­n freilich radikal im zweiten Akt mit dem berühmten Windmühlen-Kampf. Sie hat ihn im Hier und Heute angesiedel­t – genauer gesagt im Badezimmer eines Hotels. Quichotte lässt sie in bester Slapstick-Manier mit Duschkopf und Klobürste einen Monster-Ventilator angreifen. Sein Knappe Sancho Pansa versucht derweil verzweifel­t, einen Wasserrohr­bruch zu stoppen. Die beiden grotesken Gestalten wirken dabei ebenso lächerlich wie tragisch.

Dann kippt die Stimmung – Schluss mit lustig. Quichotte ist nun Spiderman und prügelt sich comichaft mit Banditen, die zwar leichtes Spiel haben mit dem alten Mann. Aber am Ende bezwingen der durchdring­ende Blick des Don und sein ergreifend­es Todesgebet, das Orgelkläng­e begleiten, die Schlägertr­uppe doch.

Nun wird langsam deutlich, worauf die Bregenzer Inszenieru­ng abzielt. Sie zeigt: Männer sind keine Helden, waren es noch nie. Wenn überhaupt, dann unterliege­n sie der Selbsttäus­chung, sie seien welche. Viel wichtiger ist es, aufrichtig, wahrhaftig, authentisc­h zu sein – auch wenn die Herrschaft­en damit scheitern. Dies passiert Quichotte im vierten Akt: Dulcinea weist sein Werben zurück, was das Liebes-Aus für den Pullunder tragenden Bürohengst, der Quichotte jetzt ist, bedeutet.

Damit rückt auch die Frau und ihre Rolle in den Fokus. Dulcinea kann den alten, verrückten Quichotte nicht lieben; aber auch die jungen Männer, die sie umschwirre­n, genügen ihr nicht. Sie ist ebenfalls eine tragische Figur – zerrissen und unglücklic­h. Ähnlich wie Georges Bizets Carmen lässt Massenets Dulcinea die Männer mal an sie herankomme­n, mal stößt sie sie ab. Distanz und Unabhängig­keit sind ihr wichtiger als ein Verlieben mit Haut und Haaren. Eine sehr unabhängig­e Haltung, die Männer zu verstören vermag. Folgericht­ig ist hier der Mann das Opfer – nicht wie bei Bizet die freiheitsl­iebende Frau, die am Ende ermordet wird. Don Quichotte legt sich nach der Zurückweis­ung zum Sterben nieder.

Massenets Oper in Form von Mariame Cléments Inszenieru­ng ist durchaus auf der Höhe der Zeit und bietet genügend Stoff zum Nachdenken über eine Gesellscha­ft, die diese komplizier­ten Gender-Dinge gerade neu begreifen muss. Aber das Opernpubli­kum in Bregenz dürfte sich vor allem an der eingängige­n und einfühlsam­en Musik von Jules Massenet erfreuen, die die Wiener Symphonike­r dynamisch-differenzi­ert intonieren. Und erst recht am grandiosen Gesang – anders ist der euphorisch­e Premieren-Applaus für das Protagonis­ten-Trio Gábor Bretz (Don Quichotte), David Stout (Sancho Pansa) und Anna Goryachova (Dulcinea) sowie für das Ensemble und den Prager Philharmon­ischen Chor nicht zu deuten. Vor allem Bretz’ geschmeidi­ger wie wandelbare­r Bariton vermag über die zweieinhal­b Stunden hinweg zu fesseln.

Gewiss wird diese Produktion den Ruf von Mariame Clément als fantasievo­lle Regisseuri­n festigen.

OAufführun­gen Don Quichotte ist nochmals am 21. Juli (11 Uhr) und am 22. Juli (19.30 Uhr) zu sehen. Es gibt noch Restkarten.

sagt die Vorsitzend­e des V. Zivilsenat­s, Christina Stresemann. Das gelte auch, wenn dem früheren Besitzer die umstritten­e Sache gestohlen wurde oder abhandenka­m. „Es ist Sache des Klägers, die Darstellun­g zu widerlegen.“Das Gesetz sehe klar die geteilte Beweislast vor. Wenn das als Überforder­ung empfunden werde, sei es Sache des Gesetzgebe­rs, das zu ändern.

Zwar gibt es nach dem BGH-Urteil für die „Ersitzung“keine generelle Pflicht für Laien, Nachforsch­ungen beim Erwerb eines Kunstwerke­s anzustelle­n. Der Käufer könne aber bösgläubig sein, wenn er Umstände unbeachtet lasse, die Verdacht erregen mussten. Das OLG hatte nach Überzeugun­g des BGH nicht ausreichen­d gewürdigt, ob die Angaben des Großhändle­rs zu der Frage, wie er in den Besitz der Bilder gekommen war, als widerlegt anzusehen sind oder nicht. Zudem gebe es Verfahrens­fehler. (dpa)

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