Schwabmünchner Allgemeine

Sie sind die „blauen Engel“der Bahnhofsmi­ssion

Soziales Sonja Svirac und Klaus Schneider führen die Einrichtun­g an Gleis 1 am Hauptbahnh­of. Jeden Tag helfen sie bis zu 100 Menschen. Einer von ihnen startet dort fast immer mit einem Frühstück

- VON INA MARKS

Gleis 1 am Hauptbahnh­of ist für viele Menschen nur eine Zwischenst­ation auf ihrer Reise. Doch für manche bedeutet der Bahnsteig viel mehr. Für diejenigen, mit denen es das Leben nicht so gut meinte, ist er ein wichtiger Ort. Wie für Hans Huber*. Der 76-Jährige kommt seit eineinhalb Jahren nahezu jeden Morgen hierher. Denn am südlichen Ende des Gleises befindet sich die Bahnhofsmi­ssion. Sie ist nicht nur Anlaufstel­le für Bedürftige, wie Huber einer ist. Seit dem Umbau des Hauptbahnh­ofes stehen die Mitarbeite­r vor weiteren Aufgaben.

Hans Huber lebt in Göggingen. Täglich fährt er morgens mit der Tram zum Hauptbahnh­of, um in der Bahnhofsmi­ssion kostenlos zu frühstücke­n. „Meine Rente ist so klein. Außerdem hat mich meine Frau verlassen und ich muss ihr Unterhalt zahlen“, erzählt der Augsburger und nimmt einen Schluck aus der Kaffeetass­e. Er müsse sparen, um sich finanziell über Wasser zu halten. „Ich bin froh, dass es diese Einrichtun­g gibt. Die Menschen von der Bahnhofsmi­ssion sind so nett. Die lassen es nicht raushängen, dass es ihnen besser geht.“Zu den freundlich­en Menschen, die Hans Huber meint, zählen Klaus Schneider und Sonja Svirac.

Der Pallottine­r und Mitarbeite­r des Diakonisch­en Werkes Augsburg sowie seine Kollegin des Caritasver­bandes führen die ökumenisch­e Einrichtun­g an Gleis 1. Sie und 14 ehrenamtli­che Helferinne­n und Helfer kümmern sich von Montag bis

Samstag um die Menschen, die zu ihnen kommen. Die Bahnhofsmi­ssion in Augsburg zählt zu den ältesten in Deutschlan­d. Mindestens 115 Jahre ist sie alt. Laut der Diakonie Augsburg gehe aus einem historisch­en Textauszug hervor, dass sie 1903 bereits existiert habe. Jede Bahnhofsmi­ssion arbeitet anders. Während manche keine Verpflegun­g anbieten, gibt es in der Augsburger an Gleis 1 Süd immer etwas zu essen. Bäckereien wie Balletshof­er oder der Bahnhoflad­en Yorma’s stellten laut Klaus Schneider das übrig gebliebene Essen vom Vortag zur Verfügung.

Doch die Hilfe geht über die Snacks hinaus. Die Bahnhofsmi­ssion soll für alle da sein, die Unterstütz­ung brauchen. Dazu zählen auch Reisende, die sich am Augsburger

Hauptbahnh­of nicht auskennen oder Hilfe beim Gepäck benötigen. Durch den aktuellen Umbau, sagt Schneider, ist diese Arbeit mehr geworden.

„Sehbehinde­rte Menschen etwa finden sich wegen des Umbaus hier schwer zurecht“, erzählt der 61-Jährige, der ursprüngli­ch aus Berlin kommt und dort auch schon am Bahnhof Zoo gearbeitet hat. „Sie können die Schilder nicht lesen.“Manchmal sei es am Augsburger Hauptbahnh­of durch die Bauarbeite­n regelrecht chaotisch. „Viele wissen nicht wohin oder wo die Toiletten sind. Aber so ist das halt mit einem Umbau“, meint er achselzuck­end. Er sei nun einmal dringend nötig. Die „blauen Engel“, wie die Mitarbeite­r der Bahnhofsmi­ssion wegen ihrer Uniform genannt werden,

würden an den Bahnsteige­n gerne mehr Präsenz zeigen. „Dafür bräuchten wir aber mehr ehrenamtli­che Mitarbeite­r“, meint Sonja Svirac. Denn allein die Arbeit für die Bedürftige­n nehme viel Zeit in Anspruch. 40 bis 70 Menschen kämen am Tag, sagt die 42-Jährige. „Manchmal sind es auch hundert.“Auffallend sei, dass es zum Ende des Monats mehr werden. „Da wird bei vielen das Geld knapp.“Nicht jeder, der zur Bahnhofsmi­ssion geht, muss bedürftig sein.

„Wir fragen niemanden, wie viel Geld er hat“, betont Schneider. „Die Bahnhofsmi­ssion ist für alle da.“Freilich aber werde sie in erster Linie von Bedürftige­n aufgesucht. Dabei stellen beide hauptamtli­chen Mitarbeite­r zwei wesentlich­e Veränderun­gen fest. „In den letzten zwei Jahren kommen verstärkt Menschen mit psychische­n Erkrankung­en zu uns“, hat Svirac beobachtet. Zudem habe der weibliche Anteil zugenommen. „Die meisten von ihnen sind Spätaussie­dlerfrauen.“

Viele ihrer Besucher nutzten die Bahnhofsmi­ssion auch, um untereinan­der ins Gespräch zu kommen. „Armut macht einsam“, meint Schneider, der in seinem bisherigen Berufslebe­n auch schon viel Erfahrung mit Obdachlose­n gemacht hat. Er weiß: Es gibt drei Momente, wo die Obdachlosi­gkeit meist beginnt.

„Arbeitslos­igkeit, Verlassen durch den Partner und eine Sucht“, zählt er auf. Die Mitarbeite­r der Bahnhofsmi­ssion sind nicht nur Ansprechpa­rtner für die Bedürftige­n, sondern leiten diese an andere Stellen weiter. Einem einstigen Professor der Augsburger Uni, verrät Svirac, habe man so aus seiner Obdachlosi­gkeit helfen können.

Hans Huber hat eine kleine Wohnung. Bei seiner schmalen Rente müsse er viel sparen. „Das Leben ist teuer. Ich schaue immer nach Sonderange­boten“, sagt der Rentner. Wenn er in der Bahnhofsmi­ssion gefrühstüc­kt hat, vertreibt er sich meist in der Innenstadt noch etwas die Zeit. „Mittags gehe ich nämlich noch oft zum SKM (Sozialdien­st katholisch­er Männer, Anm.d.R.) und esse dort umsonst. Dann habe ich mir am Tag schon viel Geld gespart.“(*Name geändert)

OÖffnungsz­eiten montags bis freitags von 9-15 Uhr und samstags von 9-12.30 Uhr.

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Sonja Svirac und Klaus Schneider leiten die Bahnhofsmi­ssion. Foto: Klaus Rainer Krieger

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