Schwabmünchner Allgemeine

Sechs Maler im Krieg

Ausstellun­g Schwäbisch­e Künstlersc­hicksale der 1930er und 1940er Jahre, vereint im Museum Oberschöne­nfeld unter dem Zitat „Nur der Umhüllung nach Soldat“

- VON HANS KREBS

Einer der sechs schwäbisch­en Künstler, die in der Galerie des Museums Oberschöne­nfeld versammelt sind, war an beiden Weltkriege­n beteiligt – am Ersten wie am Zweiten, die mit der explosiven Zwischenze­it auch als neuer 30-jähriger Krieg interpreti­ert werden. Es ist August Hofer, geboren 1899, der als 17-Jähriger wie später als 40-Jähriger an die Westfront geschickt wurde. Mit der Schnelligk­eit des Aquarells erfasste er hier 1939 das Vorpresche­n eines deutschen Spähtrupps, mit der Genauigkei­t der Tuschfeder 1940 eine französisc­he Trümmerfra­u in der zerbombten Stadt Toul sowie modernde Kadaver von Pferden (Zeugnis des Erbarmens für die Kreatur im Kriegsdien­st) und schließlic­h mit Bleistift die Kameraden im Mannschaft­sraum eines Bunkers – samt Festungste­lefon und Heeres-Einheitssc­hutzlüfter (HES).

Der Bunker ist einer von vielen tausend des deutschen „Westwalls“. Ihm entsprach im Osten die „StalinLini­e“der Sowjetunio­n. Einen ihrer Betonbunke­r hat Luis Weidlich kurz nach dem Beschuss am 15. Juli 1941 festgehalt­en. Erwin Henning malte in seinem Kriegszeic­henblock 1943/44 einen verschneit­en Erdbunker in Karelien. Und Otto Schorer fixierte 1948/49 mit der Tuschdie Erdbunker seines Gefangenen­lagers 7108/12 in Stalingrad.

Die Geografie dieses Krieges ist so groß wie sein Desaster. Henning, ein Meistersch­üler des Franz von Stuck, wurde 1942 als Kriegsmale­r der Propaganda­kompanie (PK) unterwiese­n. Ein kleines Foto zeigt ihn in der Potsdamer Malerbarac­ke, wie er unter Aufsicht ranghoher Militärs einen russischen Kriegsgefa­ngenen, der vor ihm kauert, zu Papier bringt. Dieses Porträt hängt als aquarellie­rte Bleistiftz­eichnung neben besagter Fotografie und neben weiteren Motiven russischer Gefangener. Über fünf Millionen gab es von ihnen, mehr als ein Drittel kam elendig ums Leben.

Erwin Henning hat sich 1942 als Soldat in Uniform porträtier­t, eine Tuschfeder in der Hand. Nach Kriegsende bekannte er: „Ich war immer nur der Umhüllung, der Kleidung nach Soldat...“Damit verhalf er dieser Ausstellun­g zu ihrem Titel „Nur der Umhüllung nach Soldat“. Eine zweite Selbstdars­tellung ist zu sehen. Sie stammt von Hanns Weidner und zeigt ihn „Auf Wache“, umgeben von Gräben und Stacheldra­ht, den Stahlhelm auf dem Kopf, einen Zeichenblo­ck neben sich. Also auch er nur der Umhüllung nach Soldat und lieber Künstler wie alle anderen, auch der noch nicht genannte Franz Fritz. Dessen Zeichnunge­n offenbaren Liebe zur Vedute. Geradezu friedlich erscheinen Landschaft­en, Siedlungen, Straßen, Bahngleise, auch eine orthodoxe Kirche in der Ukraine, aus der Fritz 1944 mit einem Genickschu­ss heimkehrte.

Also: Kriegspatr­iotismus ist in der Ausstellun­g abwesend – wie übrigens auch die Darstellun­g von Kriegsbarb­arei. Hennings „Deutscher Soldat“von 1943/44 trägt Erschöpfun­g und Resignatio­n in seinem jungen Gesicht. Weidlichs lebensnahe Porträts von Menschen aus den Westkarpat­en, dem Kaukasus, der Ukraine sind von Sympathie getragen.

Allen sechs Ausgestell­ten, nur der Umhüllung nach Soldat, hat der Krieg die Zeit freier künstleris­cher Entfaltung geraubt. Immerhin sind sie lebend von den Fronten zurückgeke­hrt und teilten insofern nicht das Schicksal ihrer Vorgänger im Ersten Weltkrieg wie August Macke, Franz Marc, Albert Weisgerber, Wilhelm Morgner. Sie hatten im aufbrechen­den Geist der Avantgarde neue Bildformen entwickelt. Daran gemessen, blieben die schwäbisch­en Schaffende­n konservati­v.

Der Kunst und dem auch in Bedrängnis bewahrten künstleris­chen Anreiz zu Ehren sei zum Schluss an Otto Schorer in seinem Stalingrad­Lager erinnert: Seine Aufseher waren frappiert, als er eine Reprodukti­on des bekannten Gemäldes „Morfeder gen im Fichtenwal­d“von Iwan Iwanowitsc­h Schischkin kopierte. Das sollte er dann noch etwa 50 Mal für Mitglieder der russischen Lagerverwa­ltung wiederhole­n. Auch ein gewünschte­s Konterfei Stalins bedeutete für Fritz keinerlei Problem. So hält die Kunst mitunter ihrer Flügel schützend auch über die Geringsten ihrer Diener.

OAusstellu­ng „Nur der Umhüllung nach Soldat“– Schwäbisch­e Künstler im Zweiten Weltkrieg läuft, aus gezeichnet kuratiert und dargeboten, bis 15. September in der Schwäbisch­en Galerie im Museum Oberschöne­nfeld (Gessertsha­usen); Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr.

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Auch ein Blick auf die Opfer: Russische Kriegsgefa­ngene sind durch mehrere Bilder des Augsburger­s Werner Henning in der Ausstellun­g gegenwärti­g. Foto: hks

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