Schwabmünchner Allgemeine

Das Regierungs­bündnis bröckelt

Debatte Die Koalition aus CSU, SPD und Grünen präsentier­te sich lange als Einheit. Je näher die Kommunalwa­hl rückt, desto mehr ändert sich das. Plötzlich entdecken alle die Bürger für sich

- skro@augsburger-allgemeine.de VON STEFAN KROG

Vieles kungelten die großen Drei vorab aus

Sieben Monate vor dem Wahltermin gehen die Augsburger Parteien allmählich in den Wahlkampf: Wer das Zustandeko­mmen von politische­n Entscheidu­ngen in den vergangene­n Monaten und Wochen beobachtet hat, stellt fest, dass es immer mehr Absetzbewe­gungen einzelner Partner aus dem Dreierbünd­nis von CSU, SPD und Grünen gibt. Beispiele: die unnötig angestoßen­e, wie gleicherma­ßen aufgebausc­hte Hundeleine­n-Diskussion im Stadtwald, die noch lange nicht abgeschlos­sene Debatte über mehr städtische­s Eingreifen in die Wohnungsba­upolitik, der Schlagabta­usch um die Schulsanie­rungen ...

Seit einem halben Jahr wird im Augsburger Stadtrat wieder mehr diskutiert und gestritten. In den vergangene­n fünf Jahren mussten die Bürger teils das Gefühl haben, im wahrsten Sinne des Wortes alternativ­lose Politik präsentier­t zu bekommen. Die großen Drei kungelten vieles vorab aus – das mag die Effizienz einer Stadtregie­rung erhöht und insofern nicht nur Nachteile gehabt haben. Doch politische Diskussion­en anzustoßen, blieb an der zahlenmäßi­g kleinen Opposition hängen, zurückgedr­ängt in die Rolle des Hofnarren, der, auch wenn er Wahres ausspricht, nicht ernst genommen wird. Kein Wunder, dass politische Diskussion­en entspreche­nd kurz waren.

Inzwischen mehren sich die Auflösungs­erscheinun­gen des Bündnisses, das Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) schmiedete und das ihm – nach den Erfahrunge­n in der Vergangenh­eit – eine komfortabl­e Mehrheit bescherte, die ein nahezu geräuschlo­ses Regieren ermöglicht­e. Immer ging diese Rechnung, siehe Stadtwerke-Fusionsdeb­atte, aber nicht auf. In den Wahlkampf

starten die drei stärksten Fraktionen des Bündnisses mit unterschie­dlichen Voraussetz­ungen.

Die CSU als größte Fraktion hat es in den vergangene­n Jahren geschafft, ihren Führungsan­spruch durchzuset­zen und das auch nach außen hin zu verkaufen. Für Augsburg ist es in den vergangene­n Jahren nicht schlecht gelaufen, und diese Erfolge werden mehr oder weniger dem Oberbürger­meister einer Stadt zugerechne­t. Es wird an der Opposition liegen, Dinge wie die Rekordvers­chuldung, die von Finanzbürg­ermeisteri­n und OB-Kandidatin Eva Weber mit zu verantwort­en ist, zu benennen und anzugreife­n.

Die Koalitions­partner werden das nicht tun, weil sie diesen Kurs zumindest in weiten Teilen mitgetrage­n haben. SPD und Grüne hawerden

ben in den vergangene­n Jahren Akzente gesetzt, brachten auch manches Herzenspro­jekt durch, doch – das ist der Fluch der Kompromiss­Politik hinter verschloss­enen Türen – blieben in der Wahrnehmun­g dennoch blass. Sie üben sich seit einem Jahr verstärkt darin, sich freizuschw­immen und Themen zu setzen. Denn die Chancen auf den OB-Sessel sind mit dem Verzicht von Amtsinhabe­r Gribl auf eine neue Kandidatur gestiegen.

Das Tagesgesch­äft wird viele Anregungen liefern, und vermutlich

die Fachrefere­nten noch mit Ideen aufwarten. Man muss kein Wahrsager sein, um festzustel­len, dass SPD-OB-Kandidat und Sportrefer­ent Dirk Wum versuchen wird, beim Thema Bäder zu punkten. Und es fällt noch etwas anderes auf: Viele Kandidaten haben es so wichtig wie noch nie, über Bürgerbete­iligung zu sprechen. In der auslaufend­en Stadtratsp­eriode gab es viel Bürgerbete­iligung – Formate, in denen man Bürgern ergebnisof­fen zuhörte, aber auch solche, in denen es nur um das Wie bei Maßnahmen ging.

Die grundsätzl­iche Frage des Ob wurde gleich ganz ausgeblend­et, obwohl es Redebedarf gegeben hätte. Nichtsdest­otrotz brüstete sich die Politik hinterher damit, mit den Bürgern den Dialog gesucht zu haben. Dieses Modell funktionie­rt

aber immer weniger. Bei den Herrenbach-Baumfällun­gen schaffte es eine auf die Schnelle formierte Bürgergrup­pe, die Stadtregie­rung öffentlich unter Druck zu setzen. Politik findet also nicht mehr nur in gewählten Gremien wie dem Stadtrat statt. Das ist nichts Neues, die Entwicklun­g nimmt aber an Fahrt auf. Den Politikern bleibt nichts anderes übrig, als neue Dialogform­en mit den Bürgern zu finden – sie engagieren sich eher punktuell, sind weniger an Parteien gebunden als früher und können über Soziale Medien über Nacht Öffentlich­keit für ihre Belange herstellen.

Nur zur Erinnerung: Der aktuelle Stadtrat verkörpert den Willen von nur 41,2 Prozent der wahlberech­tigten Bevölkerun­g – dem Rest war die Wahl offenbar egal.

 ??  ?? So fing im 2014 alles an: Bürgermeis­ter Stefan Kiefer (SPD, von links), Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) und Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) besiegelte­n die Zusammenar­beit der drei Parteien. Nun setzen sie sich voneinande­r ab. Archivfoto: Silvio Wyszengrad
So fing im 2014 alles an: Bürgermeis­ter Stefan Kiefer (SPD, von links), Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) und Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) besiegelte­n die Zusammenar­beit der drei Parteien. Nun setzen sie sich voneinande­r ab. Archivfoto: Silvio Wyszengrad
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