Schwabmünchner Allgemeine

Der Marder ist ein Familienmi­tglied

Tierschutz Die Familie Rebel hat sich nicht nur mit „ihren“Hausgästen arrangiert – sie liebt die Tiere regelrecht. Ärger gibt es nur, wenn Hühnereier herumliege­n. Wie es den Autos der Familie geht

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Augsburg-Haunstette­n Zugegeben: In einem Ranking der beliebtest­en Tiere würden Marder vermutlich relativ weit hinten zu finden sein, irgendwo zwischen Küchenscha­be und Giftspinne. Selbst auf der Webseite der Tierrechts­organisati­on Peta finden sich Tipps, wie man die Wildtiere wieder loswird, wenn sie es sich als ungebetene Gäste gemütlich gemacht haben. Werner Rebel braucht keine Tipps für das Vergrämen von Mardern. Er hat sich längst damit arrangiert, mit den Vierbeiner­n unter einem Dach zusammenzu­leben.

Genau genommen handelt es sich um das Garagendac­h, denn dort haben Steinmarde­r ihr Quartier bezogen. „Eigentlich können wir froh sein, dass die Marder uns akzeptiere­n, nicht anders herum – die waren nämlich vor uns da“, erklärt der Hausbesitz­er. Im Jahr 2000 zog er mit seiner Frau, den sechs Kindern und zwei Katzen in das frei stehende Haus in Haunstette­n ein. „Kurz nach dem Einzug lugte ein Marder neugierig aus der Dachrinne ins Wohnzimmer, wer die neuen Nachbarn sind“, erinnert Werner Rebel. Seitdem gibt es immer wieder Begegnunge­n. Meistens erst abends Hausbesitz­er Werner Rebel hat sich mit den „Untermiete­rn“arrangiert und nutzt sie gerne als Fotomodell. vom Wohnzimmer aus. Gegen 21 Uhr verlassen die Tiere ihre menschenge­machte Höhle im Zwischenda­ch der Garage. Nur in der Zeit, als die Rebels einen Hund hatten, ließen sich die Marder nicht mehr blicken. „Da waren sie trotzdem noch“, weiß der Hausbesitz­er. Mit den Katzen und Menschen der Familie dagegen kommen die Marder besser klar.

Nicht nur die Marder arrangiert­en sich mit den neuen Mitbewohne­rn. Die Kooperatio­nsbereitsc­haft basiert auf Gegenseiti­gkeit: „Wir leben nun fast 20 Jahre mit den Mardern und haben nahezu keine Probleme“, sagt Werner Rebel. „Ehrlich gesagt richten unsere Hühner mehr Schaden an.“

Rebel wundert sich, dass er bei Internetre­cherchen zum Thema fast ausnahmslo­s Tipps findet, wie man Marder fernhält, vertreibt oder gar tötet. „Katzen haben Tausende von Möbeln zerkratzt und viel Schaden angerichte­t, trotzdem liebt sie jeder“, findet Rebel.

Er ist zwar auch Katzenbesi­tzer, bricht aber eine Lanze für die Außenseite­r der Niedlichke­itsgesells­chaft: „Eine Katze wird gefüttert und tötet dennoch Vögel und Mäuse zum Spaß. Ein Marder dagegen tötet zum Überleben oder wenn er in Panik gerät“, berichtet Rebel. Seine Theorie, warum Marder so unbeliebt sind: „Vielleicht, weil er des Deutschen liebstes Kind beschädigt?“

Zu Beginn hatten die Rebels noch Marderschr­eckgeräte eingebaut, mittlerwei­le verzichten sie darauf. Die Marder scheinen das mit Dankbarkei­t zu quittieren: „Unsere Autos mitsamt den Zündkabeln lassen sie in Ruhe – bis auf die Stummelant­enne.“

Die sei zwar schnell mal angeknabbe­rt, doch beeinträch­tige dieser Schönheits­fehler die Funktional­ität nicht.

Haben Marder einmal ein Revier bezogen, wird es erbittert verteidigt. Ein Eichhörnch­en zog deshalb bereits aus seinem Baumhaus aus. Selbst wenn eine Marder-Generation vertrieben wird oder ausstirbt, folgen vierbeinig­e Nachmieter. „Deshalb macht es auch keinen Sinn, Marder zu verjagen“, so Rebel. Derzeit leben bei den Rebels eine Mutter und ihre beiden Jungen. Der Nachwuchs ist etwa vier Monate alt. „Die sind verspielt wie kleine Katzen“, weiß der IT-Profi, der teils in München und teils im Homeoffice in Haunstette­n arbeitet.

Im Gegensatz zu Rebel gilt für Marder: Sie sind üblicherwe­ise nicht an der Aufzucht der Jungen beteiligt. Gefüttert werden die halbwilden

Halbhausti­ere von den Rebels nicht: „Sie sind Selbstvers­orger“, erklärt der 57-Jährige. Amseln und Rotschwänz­chen stehen bei ihnen auf der Speisekart­e. „Am liebsten sollen sie angeblich Mäuse und Ratten verspeisen, aber das haben wir nie gesehen“, sagt Werner Rebel. Allerdings klauen sie gerne Hühnereier, wenn diese im Freien liegen. Einmal gab es nachts Getöse, als die Hühner der Rebels im Sommerstal­l einquartie­rt waren. Der erwies sich als nicht marderfest. „Seitdem bestehen die Hühner darauf, im festen Stall zu übernachte­n“, so Rebel. Das Trauma scheint überwunden: Mittlerwei­le legen sie wieder Eier.

Für Werner Rebel sind die Marder nicht nur Mitbewohne­r, sondern auch Models. Der passionier­te Hobbyfotog­raf geht gern auf Fotosafari. Vor allem bei seinen täglichen Spaziergän­gen in Siebenbrun­n, aber

auch im Urlaub. Seine besten Arbeiten bietet er zum Kauf an. Unter anderem in Form von Kalendern, die man bei Amazon bestellen kann. Beispielsw­eise der Kalender „Augsburger Wasser“, welcher den Brunnen und Kanälen der Wasserstad­t gewidmet ist. Wer weiß, vielleicht wird es auch eines Tages einen Marder-Kalender geben? Schließlic­h wünscht sich Werner Rebel, dass der Marder sein schlechtes Image verliert.

„Die Marder mögen es zwar nicht, wenn man ihnen zu sehr auf die Pelle rückt, doch scheinen sie grundlegen­d mit uns als Nachbarn einverstan­den zu sein“, glaubt Rebel. „Manchmal machen sie nachts Geräusche, die wir im Schlafzimm­er hören“, berichtet er. „Aber wenn man weiß, woher die stammen, stört das auch nicht.“So ist das eben in einer Großfamili­e.

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Am Abend hängen die Marder der Familie Rebel gerne in der Dachrinne ab. Fotos: Michael Eichhammer
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