Der Marder ist ein Familienmitglied
Tierschutz Die Familie Rebel hat sich nicht nur mit „ihren“Hausgästen arrangiert – sie liebt die Tiere regelrecht. Ärger gibt es nur, wenn Hühnereier herumliegen. Wie es den Autos der Familie geht
Augsburg-Haunstetten Zugegeben: In einem Ranking der beliebtesten Tiere würden Marder vermutlich relativ weit hinten zu finden sein, irgendwo zwischen Küchenschabe und Giftspinne. Selbst auf der Webseite der Tierrechtsorganisation Peta finden sich Tipps, wie man die Wildtiere wieder loswird, wenn sie es sich als ungebetene Gäste gemütlich gemacht haben. Werner Rebel braucht keine Tipps für das Vergrämen von Mardern. Er hat sich längst damit arrangiert, mit den Vierbeinern unter einem Dach zusammenzuleben.
Genau genommen handelt es sich um das Garagendach, denn dort haben Steinmarder ihr Quartier bezogen. „Eigentlich können wir froh sein, dass die Marder uns akzeptieren, nicht anders herum – die waren nämlich vor uns da“, erklärt der Hausbesitzer. Im Jahr 2000 zog er mit seiner Frau, den sechs Kindern und zwei Katzen in das frei stehende Haus in Haunstetten ein. „Kurz nach dem Einzug lugte ein Marder neugierig aus der Dachrinne ins Wohnzimmer, wer die neuen Nachbarn sind“, erinnert Werner Rebel. Seitdem gibt es immer wieder Begegnungen. Meistens erst abends Hausbesitzer Werner Rebel hat sich mit den „Untermietern“arrangiert und nutzt sie gerne als Fotomodell. vom Wohnzimmer aus. Gegen 21 Uhr verlassen die Tiere ihre menschengemachte Höhle im Zwischendach der Garage. Nur in der Zeit, als die Rebels einen Hund hatten, ließen sich die Marder nicht mehr blicken. „Da waren sie trotzdem noch“, weiß der Hausbesitzer. Mit den Katzen und Menschen der Familie dagegen kommen die Marder besser klar.
Nicht nur die Marder arrangierten sich mit den neuen Mitbewohnern. Die Kooperationsbereitschaft basiert auf Gegenseitigkeit: „Wir leben nun fast 20 Jahre mit den Mardern und haben nahezu keine Probleme“, sagt Werner Rebel. „Ehrlich gesagt richten unsere Hühner mehr Schaden an.“
Rebel wundert sich, dass er bei Internetrecherchen zum Thema fast ausnahmslos Tipps findet, wie man Marder fernhält, vertreibt oder gar tötet. „Katzen haben Tausende von Möbeln zerkratzt und viel Schaden angerichtet, trotzdem liebt sie jeder“, findet Rebel.
Er ist zwar auch Katzenbesitzer, bricht aber eine Lanze für die Außenseiter der Niedlichkeitsgesellschaft: „Eine Katze wird gefüttert und tötet dennoch Vögel und Mäuse zum Spaß. Ein Marder dagegen tötet zum Überleben oder wenn er in Panik gerät“, berichtet Rebel. Seine Theorie, warum Marder so unbeliebt sind: „Vielleicht, weil er des Deutschen liebstes Kind beschädigt?“
Zu Beginn hatten die Rebels noch Marderschreckgeräte eingebaut, mittlerweile verzichten sie darauf. Die Marder scheinen das mit Dankbarkeit zu quittieren: „Unsere Autos mitsamt den Zündkabeln lassen sie in Ruhe – bis auf die Stummelantenne.“
Die sei zwar schnell mal angeknabbert, doch beeinträchtige dieser Schönheitsfehler die Funktionalität nicht.
Haben Marder einmal ein Revier bezogen, wird es erbittert verteidigt. Ein Eichhörnchen zog deshalb bereits aus seinem Baumhaus aus. Selbst wenn eine Marder-Generation vertrieben wird oder ausstirbt, folgen vierbeinige Nachmieter. „Deshalb macht es auch keinen Sinn, Marder zu verjagen“, so Rebel. Derzeit leben bei den Rebels eine Mutter und ihre beiden Jungen. Der Nachwuchs ist etwa vier Monate alt. „Die sind verspielt wie kleine Katzen“, weiß der IT-Profi, der teils in München und teils im Homeoffice in Haunstetten arbeitet.
Im Gegensatz zu Rebel gilt für Marder: Sie sind üblicherweise nicht an der Aufzucht der Jungen beteiligt. Gefüttert werden die halbwilden
Halbhaustiere von den Rebels nicht: „Sie sind Selbstversorger“, erklärt der 57-Jährige. Amseln und Rotschwänzchen stehen bei ihnen auf der Speisekarte. „Am liebsten sollen sie angeblich Mäuse und Ratten verspeisen, aber das haben wir nie gesehen“, sagt Werner Rebel. Allerdings klauen sie gerne Hühnereier, wenn diese im Freien liegen. Einmal gab es nachts Getöse, als die Hühner der Rebels im Sommerstall einquartiert waren. Der erwies sich als nicht marderfest. „Seitdem bestehen die Hühner darauf, im festen Stall zu übernachten“, so Rebel. Das Trauma scheint überwunden: Mittlerweile legen sie wieder Eier.
Für Werner Rebel sind die Marder nicht nur Mitbewohner, sondern auch Models. Der passionierte Hobbyfotograf geht gern auf Fotosafari. Vor allem bei seinen täglichen Spaziergängen in Siebenbrunn, aber
auch im Urlaub. Seine besten Arbeiten bietet er zum Kauf an. Unter anderem in Form von Kalendern, die man bei Amazon bestellen kann. Beispielsweise der Kalender „Augsburger Wasser“, welcher den Brunnen und Kanälen der Wasserstadt gewidmet ist. Wer weiß, vielleicht wird es auch eines Tages einen Marder-Kalender geben? Schließlich wünscht sich Werner Rebel, dass der Marder sein schlechtes Image verliert.
„Die Marder mögen es zwar nicht, wenn man ihnen zu sehr auf die Pelle rückt, doch scheinen sie grundlegend mit uns als Nachbarn einverstanden zu sein“, glaubt Rebel. „Manchmal machen sie nachts Geräusche, die wir im Schlafzimmer hören“, berichtet er. „Aber wenn man weiß, woher die stammen, stört das auch nicht.“So ist das eben in einer Großfamilie.